Newey: "Ich entwickle Systeme für die Zukunft"
Red-Bull-Konstrukteur Adrian Newey über seine Rolle im Team, David Coulthard, den Qualifikationsmodus und das bevorstehende Reifenmonopol
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Adrian, wie groß ist dein Einfluss auf das aktuelle Auto bei Red Bull Racing?"
Adrian Newey: "Ehrlich gesagt leihe ich mir nur Erfahrungen von vorherigen Inkarnationen aus. Das Auto wurde konstruiert, bevor ich hierher kam. Ich wurde ein bisschen in die Kühlungsprobleme involviert, die das Auto am Saisonbeginn hatte, ein bisschen ins Setup und so weiter, aber meine Hauptaufmerksamkeit gilt dem nächstjährigen Auto. Ich entwickle Systeme für die Zukunft."

© xpb.cc
Adrian Newey hofft, dass Red Bull Racing eines Tages Rennen gewinnen kann
Frage: "Ist eure Entwicklungspace schnell genug, um Positionen gutzumachen?"
Newey: "Es ist wie überall: Man kann das schwer sagen, weil man nicht weiß, wie schnell die anderen entwickeln. Die Formel 1 - das alte Klischee - steht nicht still. Wir machen Fortschritte, aber alle anderen auch."#w1#
Newey erwartet 2006 keinen Sieg mehr
Frage: "Glaubst du, dass ihr euch nach vorne orientieren könnt?"
Newey: "Ich glaube nicht, dass wir in diesem Jahr noch Rennen gewinnen werden..."
Frage: "Würdest du dieses Jahr also als Übergangsjahr bezeichnen?"
Newey: "Red Bull ist entweder ein Team in seinem zweiten Jahr, oder aber auch ein erfahrenes Team - abhängig davon, ob man es als Red Bull oder als Jaguar betrachtet. Es sind viele neue Leute da. Wie so oft gibt es da eine Eingewöhnungsphase. Das letztjährige Auto war - das muss man zugeben - ein Jaguar. Es gibt einige gute Leute dort, die Basis ist ein extrem gutes Team, aber es braucht ein bisschen Zeit, um die Beziehungen zu vertiefen und die neuen Leute in ihren Positionen einzugliedern."
Frage: "David Coulthard hat gestern gesagt, dass er gerne bei Red Bull Racing bleiben möchte, weil jetzt alles zu laufen beginnt."
Newey: "Das ist gut, nicht wahr?"
Frage: "Möchtest du David Coulthard im Team behalten?"
Newey: "David ist ein gewaltiger Kerl. Es wäre großartig, ihn im Team zu behalten. Wir müssen irgendwann in naher Zukunft über die Fahrer sprechen, aber im Moment konzentrieren wir uns auf unsere langfristigen Pläne. Die Fahrer werden wir aber auch bald unter die Lupe nehmen."
Frage: "Dein guter Ruf eilt dir voraus. Können wir schon bald große Fortschritte erwarten?"
Newey: "Kurzfristig nicht. Im Laufe der nächsten Jahre hoffentlich schon, sonst wäre ich nicht hier. Lustigerweise würde ein Einfrieren der Motorenentwicklung einem Privatteam helfen, denn unter den momentanen Motorenregeln ist es für ein Privatteam extrem teuer, einen Motor von einem Zulieferer zu kaufen. Außerdem läuft man als Kunde immer Gefahr, eine oder zwei Spezifikationen hinterherzuhinken. Die Gefahr wäre gebannt, daher finde ich den Vorschlag aus unserer Sicht recht hilfreich. In der Formel 1 gab es schon lange kein erfolgreiches Privatteam mehr, aber ich sehe keine fundamentalen Hindernisse, warum das in Zukunft nicht wieder der Fall sein sollte. Das wollen wir versuchen."
Frage: "Die FIA will den letzten Abschnitt des Qualifyings von 20 auf 15 Minuten verkürzen. Wie siehst du das?"
Newey: "Das wäre eine Änderung, die die Herangehensweise an das Wochenende nicht wirklich beeinflusst, also liegt es an den Zuschauern. Wenn sie eine um fünf Minuten kürzere Show wollen, weil sie es jetzt ein bisschen fad finden, dann gut, aber wenn nicht, dann sollten wir es so lassen. Vielleicht kann man auch mehr Reifen zur Verfügung stellen, denn dann wären die Autos zwar im ersten Teil des Finales ein bisschen langsamer, denn sie hätten zu Beginn mehr Benzin an Bord, aber sie müssten schnell fahren, denn man weiß ja nie, ob man nicht im zweiten Run Verkehr hat. Man würde so sehen, dass die Fahrer zweimal schnell auf die Strecke gehen, nicht einmal zum Benzinverbrennen und einmal für die Zeitenjagd."
Newey fordert weniger Reifentests
Frage: "Wie stehst du zur Idee des Reifenmonopols, das ja kommen wird? Nimmt das nicht ein bisschen Spaß aus der Sache?"
Newey: "Der Reifenkrieg ist extrem teuer - und zwar nicht nur für die Reifenhersteller, sondern auch für die Teams selbst. Die Testfahrten, die man als Team beitragen muss, sind enorm. Jedes Topteam absolviert 50 Prozent aller Tests wegen der Reifen. Man könnte die Testfahrten einschränken, besonders die Reifentests. Man hätte aber diese Falle verhindern können. Wenn es einen dominanten Reifenhersteller in einem Reifenkrieg gibt, dann kann es die Sache ganz schön langweilig machen, und die Ferrari/Bridgestone-Kombination war für einen Zeitraum von drei oder vier Jahren einfach überlegen. Ich weiß nicht, ob es nur am Auto lag, aber an die Auto/Reifen-Kombination kam niemand heran."
"Dieses Jahr pendelt es zwischen Bridgestone und Michelin von Rennen zu Rennen hin und her, was meiner Meinung nach die Weltmeisterschaft sehr interessant macht. Die Teams, die einen Reifennachteil haben, werden den in Zukunft klarerweise nicht mehr haben. Es wäre nett, wenn wir schon nächstes Jahr auf Slicks gehen könnten, denn dann würden wir alle bei Null beginnen. Es gab so eine Situation aber auch früher schon, als Goodyear ausstieg und Bridgestone das ganze Feld für ein paar Jahre ausrüstete. Das ist nicht neu."
Frage: "Ist es für euch ein großer Nachteil gegenüber den bestehenden Bridgestone-Teams, dass ihr jetzt auch zu Bridgestone wechseln müsst?"
Newey: "Angenommen es kommt wirklich dazu, dann hängt es in erster Linie davon ab, wie eng Bridgestone mit den derzeitigen Teams zusammenarbeitet. Als Goodyear damals ausgestiegen ist, schraubte Bridgestone die Entwicklung deutlich zurück. Wir bei McLaren wurden damals mehr aus dem Ruder geworfen als die Neuankömmlinge, denn Bridgestone produzierte einen weichen Hinterreifen, während unser Auto eher für einen harten Hinterreifen konstruiert war. Dadurch standen wir eine Weile auf dem falschen Fuß."
"Wenn Bridgestone allen Michelin-Teams gute Reifendaten gibt, wie wir den Reifen verwenden sollen, dann wird das den Nachteil verringern. Es sollte für jede Strecke eine Datenbank geben, die dann ja auch den derzeitigen Bridgestone-Teams helfen würde. Was den Wechsel an sich angeht, habe ich keinen Plan."

