Staubkappe statt Helm: "Die Fahrer waren sicher verrückt"

Fernando Alonso und Felipe Massa sind froh, dass sie heute in der sicheren Formel 1 antreten - Angst sei aber auch schon in den 50ern ein Fremdwort gewesen

(Motorsport-Total.com) - Packende Zweikämpfe, brenzlige Überholmanöver, Rad-an-Rad-Duelle bei bis zu 350 Stundenkilometern, wenige Zentimeter an der Mauer vorbei; ein Fehler - und ein schwerer Unfall, ein heftiger Abflug in die Reifenstapel oder ein spektakulärer Überschlag in das Kiesbett können nicht nur das Rennen sondern auch Gesundheit oder gar das Leben kosten. Die Formel 1 fasziniert Millionen von Menschen auf der ganzen Welt, weil tollkühne Piloten - mit dem Gasfuß bis zur Bodenplatte - Kopf und Kragen riskieren.

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso, Felipe Massa

Fernando Alonso und Felipe Massa reisen lieber nur zu PR-Zwecken in der Zeit zurück Zoom

Doch der Faktor Gefahr hat seit den Anfangsjahren der 50er Jahre rapide abgenommen. Sicherheitsgurte und Überrollbügel waren zur damaligen Zeit noch ein Fremdwort, und auch die Schutzkleidung wurde damals noch etwas legerer definiert: So genügte meist eine Staubkappe als Kopfschutz. Heutzutage wären solche Rahmenbedingungen bei einem Grand Prix undenkbar. In der aktuellen Königsklasse ist das Risiko der Formel-1-Piloten durch zahlreiche Sicherheitsvorkehrungen, wie stabilen Monocoques, feuerfesten Anzügen oder massiven Auslaufzonen dramatisch reduziert worden.

Musste man in den 1950er Jahren fast davon ausgehen, dass in jedem Jahr mindestens einer der Piloten ums Leben kommt, starb der letzte Fahrer nach aktuellem Stand vor fast 20 Jahren. Die letzten tödlichen Unfälle der Königsklasse betrafen allesamt Streckenposten, die sich in den Dienst der Sicherheit für die Piloten stellen. Die aktuelle Generation an Fahrern ist schon von Kind auf mit den strengen Sicherheitsvorkehrungen aufgewachsen. Sie könnte sich heutzutage nicht mehr vorstellen, in den Anfängen der Formel-1-Zeit anzutreten.

Das Leben in eigener Hand

Felipe Massa hat die Auswirkungen des Sicherheitsdenken schon erleben dürfen. Bei seinem Unfall 2009 in Budapest hatte der Brasilianer mächtig Glück im Unglück, als ihm eine Stahlfeder aus Rubens Barrichellos Auto auf den Helm knallte - eine Staubkappe hätte dem Ferrari-Piloten wohl nur wenig weitergeholfen. "Die Fahrer waren sicher verrückt", meint Massa auf die Piloten der alten Garde angesprochen.

Fernando Alonso, Felipe Massa

Im Auto tauschen die beiden Piloten ihre Kopfbedeckung lieber gegen Helme Zoom

Der ehemalige Vizeweltmeister muss erst einmal überlegen, ob auch er zu den damaligen Rennen angetreten wäre. Mit aktuellem Wissen erscheint ihm das natürlich verrückt, doch die Piloten damals kannten es eben nicht anders. "Man glaubt immer daran, was man selbst in den Händen hat. Man glaubt immer, dass einem die schlimmen Sachen nicht selbst passieren", denkt er nicht, dass die Piloten damals mit größerer Angst an die Sache gegangen sind.

"Du denkst nicht: 'Fahre ich das Rennen zu Ende oder sterbe ich?' Das ist damals das Gleiche gewesen, aber es war viel gefährlicher." Sein Teamkollege Fernando Alonso stimmt ihm zu, und ist gleichzeitig froh, in der heutigen, sicheren Formel 1 zu fahren. "Ich bin glücklich, in unserer Zeit zu leben", sagt er - im Wissen, welches Risiko damals geherrscht haben muss: "Es gab viel mehr Unfälle, viele davon tödlich. Die Möglichkeit, ums Leben zu kommen, war immer gegeben."

Zwei verschiedene Sportarten

"Es war eine andere Zeit, andere Autos, andere Geschwindigkeit, anderer Sport - aber die gleiche Liebe für Autorennen und Wettbewerb", kann der Spanier den Anfangsjahren trotzdem viel Positives abgewinnen. Dennoch dürfe man es nicht unbedingt mit dem heutigen Grand-Prix-Sport vergleichen. "Das war eine andere Zeit", nickt Teamkollege Massa. "Die Reifen waren andere, die Autos waren andere, die Strecken waren andere - das ist unmöglich zu vergleichen."

"Das einzige, was vergleichbar ist", ergänzt er, "ist die Tatsache, dass man ein Lenkrad, ein Gas- und ein Bremspedal hatte. Abgesehen davon war alles anders." Dennoch trägt auch der heutige Sport immer noch den Namen Formel 1. Also sind doch alle Piloten der Historie irgendwie miteinander verbunden. "Es ist toll, ein Teil der Geschichte der Formel 1 zu sein", findet Massa.