"Silberpfeile" schon jetzt so schnell wie Ferrari?

Zwei Siege in zwei Rennen ? und Führung in beiden WM-Wertungen: McLaren-Mercedes ist stark wie seit Jahren nicht mehr

(Motorsport-Total.com) - Gewiss, der Sieg von David Coulthard in Melbourne kam unter glücklichen Umständen zustande und Kimi Räikkönens Solofahrt heute in Sepang wäre wohl schwieriger ausgefallen, wenn Michael Schumacher nicht gleich zu Beginn mit Trulli kollidiert wäre, aber allen Unkenrufen zum Trotz scheinen die "Silberpfeile" auch leistungsmäßig zu Ferrari aufgeschlossen zu haben.

Titel-Bild zur News: Coulthard und Räikkönen

Silber könnte in der Formel 1 2003 wieder zur beliebtesten Modefarbe werden

"Für mich war beeindruckend, dass es für Ferrari vom Speed her nicht langt", stellte auch 'Premiere'-Experte Marc Surer fest. "Die Italiener waren heute nicht schnell genug, um das Rennen zu gewinnen. Meiner Meinung nach liegt das an den Reifen, dies haben wir heute ganz eindeutig sehen können." Aber: Mit dem stark modifizierten MP4-17D mit neuer Heckpartie, neuen Flügeln und neuen Radaufhängungen ist McLaren auch chassisseitig wieder erstklassig.

"Noch ein zweiter Punkt fällt auf", setzte Surer seine Analyse des heutigen Rennens fort: "Michael hat den zweiten Fehler im zweiten Rennen gemacht. Das bringt uns und den Zuschauern natürlich eine spannende Weltmeisterschaft. Irgendwie ist es doch schön zu sehen, dass so ein Champion wie Michael auch Fehler macht. McLaren-Mercedes hat erneut gezeigt, dass sie ein gutes Rennauto haben und Ferrari gefährlich werden können. Das ist doch das, was wir alle sehen wollen!"

Damit scheint die Rechnung der "Silberpfeile", die Schumacher und Ferrari mit dem "Gebrauchtwagen" aus dem Vorjahr in den ersten Rennen unter Druck setzen und in Fehler jagen wollten, bisher voll aufzugehen. Auch die WM-Wertung spricht nach zwei Rennen Bände, obwohl der neue McLaren noch gar nicht eingesetzt wurde: Räikkönen führt bei den Fahrern acht Punkte vor den Ferrari-Piloten, bei den Konstrukteuren beträgt der Abstand sogar zehn Zähler.

Obwohl Ferrari unbestritten noch immer das beste Gesamtpaket hat, ist der Abstand seit dem vergangenen Jahr drastisch geschrumpft, wie auch der Blick auf die schnellsten Rennrunden beweist: Michael Schumacher kam im 46. von 56 Umläufen auf 1:36.412 und war damit um 0,130 Sekunden schneller als Rubens Barrichello (24.), aber Räikkönen, der in den letzten 20 Runden nur noch spazieren fuhr, büßte auf die Bestzeit lediglich 0,352 Sekunden ein (10.).

"Ich denke, das war der erste Sieg von vielen, die Kimi Räikkönen mit uns noch feiern wird", legte McLaren-Boss Ron Dennis deshalb Zuversicht an den Tag. Erstmals nahm er später auch indirekt den Gewinn des WM-Titels ins Visier: "Das Gesamtpaket war dieses Wochenende sehr gut, aber wir müssen noch mehr Rennen gewinnen, um eine echte Chance auf die Weltmeisterschaft zu haben."

"Ohne den Ausfall von David hätten wir heute sicher einen Doppelsieg gefeiert", spekulierte Mercedes-Sportchef Norbert Haug. "Alles in allem haben wir einen grandiosen Auftakt hingelegt. Mir wäre es recht, wenn jetzt schon alles vorbei wäre. Auf jeden Fall haben wir jetzt eine gute Basis, auf der sich aufbauen lässt. Aber ehrlich gesagt überrascht es mich schon ein wenig, dass wir jetzt schon so gut sind. Ich hätte nicht gedacht, dass wir nach dem zweiten Rennen so dominant sind. Wir haben aber sogar noch Steigerungspotenzial."

Wann der neue MP4-18, der laut Chefdesigner Adrian Newey stark von den konventionellen Formel-1-Modellen abweichen soll, erstmals eingesetzt wird, steht noch nicht fest, Kimi Räikkönen deutete jedoch an, dass es bei einem der ersten Europarennen soweit sein wird. Dann will der junge Finne Ferrari noch stärker unter Druck setzen: "Ich denke, dass wir mit dem neuen Auto einen weiteren Sprung nach vorne machen können."

Die Experten sind sich jedenfalls einig: In der Saison 2003 wird die Weltmeisterschaft zwischen Ferrari und McLaren ausgetragen ? und die "Silberpfeile" haben viel bessere Karten, als man ihnen zunächst zugetraut hatte, auch wenn die beiden Auftaktsiege nicht überbewertet werden dürfen. Über einen speziellen Joker verfügt das anglo-deutsche Team auch mit Reifenpartner Michelin, denn die französischen Pneus stellten bisher einen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber Bridgestone dar.