• 25.01.2002 17:10

  • von Fabian Hust

Sauber-Strategie: Professionalismus mit ein wenig Risiko

Das Sauber-Team verrät das Erfolgsgeheimnis der Saison 2001 und gibt Einblicke hinter die Kulissen des privaten Rennstalls

(Motorsport-Total.com) - Das Sauber-Petronas-Team war zweifellos die größte Überraschung der Formel-1-Weltmeisterschaft 2001. Der 4. Rang unter den Konstrukteuren sowie die Plätze 8 und 10 im Fahrer-Klassement für Nick Heidfeld bzw. Kimi Räikkönen übertrafen alle Erwartungen. Dass Sauber von Anfang an wettbewerbstüchtig war, beweisen die Platzierungen von Nick (4.) und Kimi (6.) im Saisoneröffnungsrennen in Melbourne. Die eingeschlagene Pace hielt man bis zum letzten Rennen im Oktober in Suzuka durch. Dafür wurden die Schweizer mit dem besten Gesamtresultat seit dem Beginn der Formel-1-Kampagne im Jahre 1993 belohnt.

Titel-Bild zur News: Heidfeld, Sauber und Massa

Peter Sauber mit seinen Fahrern Nick Heidfeld und Felipe Massa

Der Erfolgsfaktoren waren viele. Der C20 entpuppte sich rasch als gelungenes Auto. Der Wagen war erheblich leichter als der C19 aus dem Vorjahr, so dass man den bis zum Mindestgewicht zuzuladenden Ballast jeweils nach Maßgabe der örtlichen Erfordernisse platzieren konnte. Die Möglichkeit zur Optimierung der Gewichtsverteilung fand ihren Niederschlag vor allem in ausgezeichneten Qualifying-Ergebnissen. Der C20 war auch ein sehr handliches Fahrzeug mit hervorragenden aerodynamischen Eigenschaften. Zusammen mit dem kräftigen und zugleich verlässlichen Petronas-01A-V-10-Motor verfügte das Team über ein starkes Technikpaket.

Natürlich trugen die Fahrer ebenfalls ihren Teil zum Gelingen bei. Besondere Verdienste kommen Nick Heidfeld zu - nicht nur wegen seiner guten Leistungen in den Rennen, sondern auch mit seiner Testarbeit. Er wurde in Australien Vierter, in Brasilien Dritter und in Spanien, Frankreich, England, Ungarn sowie in den USA jeweils Sechster. Kimi Räikkönen gewann bei seinem Formel-1-Debut in Australien einen Punkt, er platzierte sich in Österreich und in Kanada jeweils als Vierter und in England als Fünfter.

"Unserer Philosophie, junge, hungrige Fahrer zu engagieren, die sich gegenseitig zu Höchstleistungen treiben sollten, war durchschlagender Erfolg beschieden", heißt es in einer Pressemitteilung des Teams. "Von Nicks Können waren wir auf Grund früherer Leistungen überzeugt. Weniger leicht einzuschätzen war das Potenzial von Kimi, zumal sich seine Monoposto-Erfahrung auf knapp zwei Dutzend Einsätze in der Formel Renault beschränkte. Die da und dort laut gewordene Skepsis erwies sich aber als unbegründet, und umso größer war unsere Genugtuung über das Gelingen des Experiments."

Das ursprüngliche Saisonziel war der 6. Rang in der Teamwertung gewesen. Mit dem 4. Platz, aber auch mit den 21 WM-Punkten konnte das Team die eigenen Erwartungen deutlich übertreffen. "Mehr konnten wir angesichts unserer personellen und finanziellen Ressourcen gar nicht erreichen", heißt es weiter. "Wir wissen denn auch um die Schwierigkeit der Aufgabe, die Glanzresultate zu bestätigen. Trotzdem haben wir uns für 2002 vorgenommen, unsere Position hinter den drei stärksten Teams zu konsolidieren."

32 Jahre Sauber im Motorsport

Auf den ersten Blick würde im beschaulichen Zürcher Oberländer Städtchen Hinwil kaum jemand den Standort einer hoch entwickelten, mit allen technischen Finessen ausgerüsteten "Formel-1-Fabrik" vermuten. Doch der Schein trügt: Wenige Schritte von der Werkstatt entfernt, in der sich der nunmehr 58-jährige Peter Sauber 1970 als selbständiger Unternehmer etablierte, werden jene High-Tech-Boliden gebaut, die seit 1993 um die Formel-1-Weltmeisterschaft fahren.

Den Elektromonteur Peter Sauber faszinierte damals am Automobilsport in erster Linie die Entwicklung von Spitzentechnologien, die ihre Tauglichkeit auf den Rennstrecken unter Beweis zu stellen hatten. Während drei seiner heutigen Konkurrenten schon damals in der Formel 1 vertreten waren, begann Peter Sauber seine Karriere als Rennwagen-Konstrukteur mit sporttüchtigen Varianten des inzwischen legendären VW Käfer.

Schweizer Meister...

Schon bald tat Peter Sauber den Schritt vom Käfer-Tuning zum Bau von offenen, zweisitzigen Rennsportwagen. Den Anfang machte der noch im Keller des Elternhauses entworfene Sauber C1. Als Typenbezeichnung wählte der Erbauer den ersten Buchstaben des Vornamens seiner Ehefrau Christiane. Heute noch tragen die Sauber-Autos das "C" als Markenzeichen. Inzwischen sind wir beim C21 angelangt, dem Formel-1-Wagen für das Jahr 2002. Nur einen C10 gab es aus rein sprachtechnischen Gründen nicht, dafür zwischendurch einen Sportwagen namens C291.

Anfänglich hatte sich der Konstrukteur noch selber hinter das Lenkrad geklemmt. Wiewohl Peter Saubers Ambitionen vornehmlich im konstruktiven Bereich lagen, gewann er mit dem C1 den Schweizer Meistertitel für Sportwagen. Den Platz im Cockpit überließ Sauber ziemlich rasch anderen Fahrern, und ebenso rasch wuchs sein Renommee als Konstrukteur auch außerhalb der Schweizer Grenzen.

...und Weltmeister

Die ersten Großerfolge der Hinwiler Rennwagenschmiede stellten sich Ende der Achtzigerjahre ein. Mercedes leitete damals mit Sauber die Rückkehr in den Motorsport ein. Glanzlichter der Partnerschaft mit dem Hersteller aus Stuttgart bildeten der Doppelerfolg im 24-Stundenrennen in Le Mans (1989) sowie der zweimalige Gewinn des Marken- und des Fahrer-Titels in der damaligen Sportwagen-WM (1989 und 1990). Zu den Fahrern, die unter Saubers Ägide ein Stück Rennsport-Geschichte schrieben, gehörten 1990 und 1991 drei Nachwuchsleute in einem formidablen Juniorteam: Michael Schumacher, Heinz-Harald Frentzen und Karl Wendlinger.

Den Schritt in die Formel 1 tat Sauber 1993 - wenn auch aufmerksam verfolgt im Schwabenland - allein. Die Verbindung mit Mercedes-Benz lebte im folgenden Jahr nochmals kurz auf, ehe Sauber 1995 für zwei Jahre das offizielle Werksteam von Ford wurde. Zum Gewinn der bis Ende 2001 in 146 Grands Prix errungenen 111 WM-Punkte trugen die Fahrer JJ Lehto, Karl Wendlinger, Heinz-Harald Frentzen, Andrea De Cesaris, Jean-Christophe Boullion, Johnny Herbert, Nicola Larini, Jean Alesi, Pedro Diniz, Mika Salo, Nick Heidfeld und Kimi Räikkönen bei; nur Gianni Morbidelli und Norberto Fontana gelangten nie unter die ersten Sechs.

High-Tech-Institut

Im mehr als 8000 Quadratmeter großen High-Tech-Entwicklungszentrum in Hinwil befassen sich zur Zeit rund 240 Spezialisten fast ausschließlich mit der Formel 1, und 60 weitere Mitarbeiter entwickeln Aktivitäten außerhalb des Rennsports, mit dem Bau von zivilen Auto- und Motorrad-Motoren beispielsweise. Darüber hinaus sind rund 50 Personen bei diversen Zulieferern aus der Region zu nahezu 100% mit der Herstellung von Komponenten für den Rennwagen beschäftigt.

Für Planung und Bau der Wagen verfügt das Team in Hinwil über modernste CAD-Systeme, über die Infrastruktur für die Fabrikation sämtlicher mechanischer Teile sowie über zwei Autoklaven, in denen die meisten Kohlefaser-Komponenten entstehen. Im Sommer 1999 wurde ein 7-Stempel-Fahrwerk-Prüfstand in einem separaten, neu errichteten Gebäude in Betrieb genommen. Der Prüfstand ermöglicht die exakte Simulation des Verhaltens sämtlicher Chassisteile auf einer beliebigen Rennstrecke. Und am 20. Oktober 2001 erfolgte der Spatenstich zu Saubers bisher größtem Unterfangen, dem eigenen Windkanal, der Ende 2003 in Betrieb genommen werden kann.