Renault: "Greifbarer Fortschritt" durch neuen V10
Zum Saisonfinale in China bringt Renault einen Motor mit 700 Kilometern Laufleistung - Denis Chevrier betrauert das Ende der V10-Ära
(Motorsport-Total.com) - Denis Chevrier ist bei Renault das, was Mario Illien bei Mercedes oder Paolo Martinelli bei Ferrari ist: der schlaue Kopf hinter dem Motorenprogramm. In einem Interview vor dem letzten Grand Prix der Saison 2005 in China nahm der Franzose Stellung zur neuen E-Version des aktuellen Motors, die nur in Shanghai eingesetzt wird, und zum Ende der für Renault so glorreichen V10-Ära in der Formel 1.

© Renault
Chevrier mit dem letzten Renault-V10, der eine Formel-1-Saison bestritten hat
Frage: "Denis, Renault wird in Shanghai die letzte Motorenausbaustufe dieser Saison einführen. Was kannst du uns darüber verraten?"
Denis Chevrier: "Die Strategie in dieser Saison - sei es mit einem neuen Motor oder in der Mitte eines Zyklus von zwei Rennen - war immer, unseren Fahrern den bestmöglichen Kompromiss zwischen Performance und Zuverlässigkeit zur Verfügung zu stellen. Für China sind die Zuverlässigkeitsanforderungen natürlich völlig anders, weil der Motor nur ein Rennwochenende überdauern muss, und die neue Motorenspezifikation ist dementsprechend ausgerichtet."#w1#
Motor wurde nicht speziell für Shanghai entwickelt
Frage: "Das Team hat also einen speziellen Motor für ein Wochenende entwickelt?"
Chevrier: "Nein, das ist nicht der Fall. Es ist kein separater Teil unseres technischen Programms. Die Idee eines Motors für nur ein Rennen setzt ja voraus, dass wir einen eigenen Motor entwickelt hätten, was sicher nicht der Fall ist. Das wäre eine ineffiziente Nutzung der Ressourcen, wenn man bedenkt, dass niemand sicher wissen konnte, ob wir so einen Motor am Saisonende brauchen werden."
Frage: "Wie würdest du die neue E-Spezifikation dann beschreiben?"
Chevrier: "Als es darum ging, eine Entscheidung über die Spezifikation für China zu treffen, hatten wir einige Komponenten, die zwar 700 Kilometer überstehen würden, aber noch nicht 1.400. Dadurch wären sie für andere Rennen nicht bereit gewesen, für China aber schon. Einige dieser Teile zusammen sind ausreichend, um eine Änderung der Spezifikationsbezeichnung auf E zu rechtfertigen. Es wurde aber nicht speziell für dieses Rennen entwickelt, sondern der Motor beinhaltet einfach ein paar Komponenten, die für eine Lebensdauer von 700 Kilometern geeignet sind."
Frage: "Was für Vorteile bringt das mit sich?"
Chevrier: "Unser Gesamtpaket sollte dadurch eine bessere Performance bringen. Das bedeutet nicht nur, dass es essentiell einfach ein leistungsstärkerer Motor ist, sondern wir haben auch mehr Möglichkeiten, wie wir den Motor im Verlauf des Wochenendes einsetzen können. Das wird in der Rundenzeit einen greifbaren Fortschritt bringen."
Frage: "Ist es nicht sinnlos, dieses Jahr noch einmal einen V10 für ein Rennen zu verwenden, wenn nächstes Jahr ohnehin die V8-Motoren für zwei Wochenenden kommen?"
Chevrier: "Das denke ich nicht. Die Architektur der Motoren wird sich für nächstes Jahr ändern, aber sie haben dieselbe DNA. Wir haben einige Teile, die es nicht in den diesjährigen Motor geschafft haben, die aber sicher im V8 Verwendung finden werden. Dieser Motor ist Teil dieses Fortschritts. Es ist von daher überhaupt nicht sinnlos."
Für Renault ist der Abschied vom V10 besonders emotionell
Frage: "Wenn wir schon von der DNA sprechen: Renaults V10-Geschichte geht zurück bis zur Einführung dieses Motorentyps in der Formel 1. Wie wird es sein, einen solchen Motor zum letzten Mal einzusetzen?"
Chevrier: "Ich denke, es wird ein emotioneller Moment sein, wenn wir auf der Startaufstellung stehen, aber auch beim letzten Überqueren der Ziellinie. Das ist das Ende einer Ära! Die Geräuschkulisse eines V8 ist ganz anders, und unsere Routine vom Aufheulen der Motoren und das in der Garage zu hören wird sich auch stark ändern. Bei Renault hören wir nun schon seit 17 Jahren V10-Motoren, daher wird das nächstes Jahr eine ganz neue Erfahrung."
Frage: "Wie viel bedeutet der diesjährige Erfolg für das Motorenteam in Viry?"
Chevrier: "Zunächst einmal sind wir erfreut, dass wir zum ersten Mal mit einem hundertprozentigen Renault den WM-Titel gewonnen haben, was Beleg genug ist für unsere exzellente Zusammenarbeit mit unseren Kollegen in Enstone. Es gibt aber auch einen anderen Grund zur Freude: Der letzte Fahrer, der eine Weltmeisterschaft mit einem V10-Motor gewonnen hat, fuhr einen Renault. Wir waren die Pioniere des V10, haben gegen V8- und V12-Gegner gekämpft. Dann wurde der V10 die Norm - und jetzt neigt sich diese Ära dem Ende zu. Dass wir diese Motorenkonfiguration eingeführt und dass wir die letzte Weltmeisterschaft damit gewonnen haben, das sind schöne Anfangs- beziehungsweise Endpunkte eines eigenen Kapitels in der Formel-1-Geschichte."

