Prost-Fahrertyp durch Reifenreglement wieder gefragt

Ab 2005 müssen Qualifying und Rennen mit einem Reifensatz bestritten werden, was einen behutsamen Fahrstil forcieren wird

(Motorsport-Total.com) - In den frühen 80er-Jahren, als Multi-Stopp-Strategien in der Formel 1 noch nicht so alltäglich waren wie heute, wurden Rennen oft nicht durch blanken Speed entschieden, sondern auch durch ein behutsames Umgehen mit den Reifen. Aufgrund der Änderungen des Reglements könnte dies nächstes Jahr wieder eine größere Rolle spielen.

Titel-Bild zur News: Michelin-Reifen

Durchdrehende Räder werden ab nächstem Jahr nicht mehr gefragt sein

Bekanntlich hat die FIA aus Sicherheits- und Kostengründen angeordnet, dass ab 2005 an der Box nur noch nachgetankt werden darf, während Qualifying und Rennen mit demselben Reifensatz bestritten werden müssen. Zwar wird es erlaubt sein, im Falle einer Panne neue Pneus aufzuziehen, doch taktische Reifenwechsel gehören damit der Vergangenheit an. Von den Fahrern erfordert dies eine veränderte Einstellung zum "schwarzen Gold".#w1#

Heute bestehen die Rennen aus drei bis vier kurzen Sprints

Nach derzeitigem Reglement ist jedes Rennen im Normalfall in drei bis vier Stints unterteilt, die jeweils mit relativ geringer Spritmenge und frischen Reifen in Angriff genommen werden. Sollte ein Fahrer einmal zu hart mit seinen Bridgestones oder Michelins umgegangen sein, kann im schlimmsten Fall der Boxenstopp um ein paar Runden vorgezogen werden und der nächste Sprint kann beginnen. Damit ist es nun vorbei.

"Bei den Reifen fasziniert mich", erklärte Ferrari-Technikchef Ross Brawn vergangenes Wochenende in Brasilien unseren Kollegen von 'Motorsport aktuell', "dass ein Fahrer wieder gezwungen sein wird, mit seinen Pneus haushälterisch umzugehen. Ein Alain Prost war ein Meister darin, die Reifen zu schonen und im entscheidenden Moment Reserven zu haben. Fahrer mit solchen Fähigkeiten sind wieder gefragt."

Ganz so drastisch sieht Sam Michael, Technischer Direktor bei Williams, die Thematik nicht: "Wir fallen nicht in die Prost-Ära zurück, weil die Reifen seither enorme Fortschritte gemacht haben. Zudem wurde früher nicht nachgetankt, also brausten die Piloten mit 180 Liter Sprit los. Aber es ist klar, dass 2005 ein Fahrer Vorteile haben wird, der behutsam mit seinen Reifen umgehen kann. Selbst Piloten, die heute sehr hoch eingeschätzt werden, werden sich anpassen müssen."

Wer könnte vom neuen Reifenreglement profitieren?

Der Australier ist sogar der Meinung, dass die Reifenproblematik künftig die Fahrerwahl beeinflussen wird, denn ein Fahrer, der mit aggressivem Stil auf schnelle Rundenzeiten kommt, könnte nach der neuen Formel auf die Renndistanz gesehen nicht effizient genug sein und im Finish in Probleme geraten. Montoya oder Sato zählen am ehesten zu jenem Kreis, dem eine Umstellung bevorsteht, während Michael Schumacher oder Fisichella mit ihrem sauberen Fahrstil Vorteile haben könnten.

Was heute noch nicht ins Gewicht fällt, dürfte also schon nächstes Jahr gravierende Auswirkungen auf die Gesamtperformance im Rennen haben, unterstrich Michael: "Die heutigen Rennen sind reine Sprintrennen in drei oder vier Segmenten, je nach Boxenstoppstrategie. So wird ein Pilot 2005 nicht mehr fahren können, weil er sonst seine Pneus ruiniert."