Pirelli: 19-Zoll-Räder keine ausgemachte Sache

Die Idee von Niederquerschnittsreifen in der Formel 1 ist nicht vom Tisch, insbesondere in Zusammenhang mit einem möglichen Verbot der Reifenwärmer

(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 befindet sich gerade im Wandel, wird umweltfreundlicher, gesellschaftsrelevanter und moderner. Doch so radikal der Schritt ist, der vor der Saison 2014 vor allem im Antriebsbereich gemacht wurde, so sehr fehlen Innovationen auf dem Reifensektor. Die aktuellen 15-Zoll-Räder sind eigentlich längst nicht mehr zeitgemäß, haben mit der Serienproduktion herzlich wenig zu tun. Daher gibt es schon seit Jahren vage Überlegungen, auf Niederquerschnittsreifen mit 19-Zoll-Felgen zu wechseln.

Titel-Bild zur News: Niederquerschnittsreifen in der Formel 1

So (oder so ähnlich) würde ein Formel 1 mit Niederquerschnittsreifen aussehen

Selbstläufer ist das keiner: "Niederquerschnittsreifen einzuführen ist aus technischer und Kostensicht keine triviale Aufgabe, insofern sollten wir uns diese Entscheidung nicht leicht machen", findet Mercedes-Technikchef Paddy Lowe. Pirelli wäre den Schritt am liebsten schon 2014 gegangen, im Zuge der Verhandlungen über den Verbleib der italienischen Marke in der Formel 1 konnte die Idee aber nicht durchgesetzt werden. Stand jetzt könnten Niederquerschnittsreifen frühestens 2015 eingeführt werden. Und selbst das will man nicht übers Knie brechen.

"So etwas entscheiden wir nicht allein, denn eine Änderung des Reifens hat erhebliche Auswirkungen auf das gesamte Fahrzeug", stellt Pirelli-Sportchef Paul Hembery klar. "Als wir vorgeschlagen haben, die hinteren Reifen um zwei Zentimeter zu verbreitern, da war der Aufschrei groß. Wenn wir auf 19-Zoll-Räder wechseln wollen, dann braucht es ein paar Jahre, bis wir das wirklich umsetzen können."

Hembery hat Bedenken wegen der Optik der Reifen

"Wir haben schon mal entsprechende Reifen gefertigt. Das sieht wirklich sehr, sehr seltsam aus. Wir haben uns halt über einen langen Zeitraum an die aktuelle Optik gewöhnt", sagt der Brite. "Man muss mit solchen Dingen vorsichtig sein. Die Fans erwarten von uns eine gewisse Optik. Wir können da nicht mit etwas daherkommen, dass plötzlich aussieht wie ein Alien. Wenn wir eines gelernt haben, dann das: Die Fans reagieren bei gewissen Veränderungen sehr sensibel."

"Man muss sich auch die Frage stellen, ob wir mehr Reifen verkaufen, wenn wir auf 19-Zoll-Felgen gehen. Darüber lässt sich trefflich streiten", erklärt Hembery weiter. "Vielleicht nimmt der Fan das gar nicht wahr. Vielleicht ist es für ihn ganz normal, dass bei Rennreifen das Loch in der Mitte nicht so groß ist, also das Loch für die Felge. Meine Marketingleute scherzen auch immer, dass bei Niederquerschnittsreifen viel zu wenig Platz für unseren Schriftzug bliebe."

Reifenwärmer-Verbot aus Kostengründen angedacht

Sinn machen würde ein Umstieg von 15 auf 18 oder 19 Zoll in Kombination mit einem Verbot der Reifenwärmer - eine weitere Idee, die schon seit Jahren im Raum steht, aber nie umgesetzt wurde. "Das hat als Kosteneinsparungs-Idee begonnen, was vielleicht fragwürdig ist", findet Williams-Technikchef Pat Symonds. "Ja, die Reifenwärmer kosten ein bisschen Geld, und es kostet auch etwas, sie um die Welt zu transportieren. Aber es kostet noch mehr, die Reifen mit einem Formel-1-Auto aufzuwärmen."

Aber ein Verzicht auf Reifenwärmer hätte auch seine Vorteile: "Ich mag die Idee, dass man mit den Reifen anders umgehen muss", sagt Symonds und nennt ein Beispiel: "Ich finde, es wäre gut, wenn ein Auto aus der Box kommt und nicht automatisch die Position halten kann, sondern darum mit kalten Reifen kämpfen muss. Wir sehen das in der GP2 und ich finde, das verbessert das Spektakel."

"Wir sehen das in der GP2 und ich finde, das verbessert das Spektakel." Pat Symonds

Doch je kleiner die Felgen sind, desto mehr Luft muss in den Reifen - und desto stärker verändert sich der Luftdruck zwischen niedrigen und hohen Betriebstemperaturen. Ein weiterer Grund, der für die Einführung von Niederquerschnittsreifen spricht. "Bei den - sind wir mal ehrlich - eher altmodischen Reifen, die wir jetzt verwenden, ist das ein ziemlich signifikanter Unterschied", erklärt Symonds, der von einem maximalen Luftdruck-Unterschied von bis zu neun psi ausgeht. Das entspricht mehr als 0,6 bar.

Pirelli-Reifentest nach dem Grand Prix von Bahrain

"Wir haben den Reifen im Februar ohne Reifenwärmer getestet, hier in Bahrain, und wir waren überrascht, wie schnell er im Betriebsfenster war", meint Lowe dazu. "Wir gingen davon aus, dass es zwei oder drei Runden dauern würde, aber schon die erste gezeitete Runde war in Ordnung. Das war eine angenehme Überraschung, aber es ändert nichts am erwähnten Problem mit dem Luftdruck. Das muss gelöst werden."

Nächste Woche ist Williams eines der Teams, das sich beim Pirelli-Test in Bahrain unter anderem damit auseinandersetzen wird. Einen Pirelli-Alleingang ohne Teams wird es jedenfalls nicht geben: "Wir könnten diesen Schritt tun, würden aber als Partner des Sports niemals einen Alleingang hinlegen und sagen, dass es nun so kommen muss. Wir setzen das um, wenn es gewünscht wird. Wenn es niemand wünscht, dann lassen wir es eben. Das entscheiden letztlich die Teams gemeinsam mit der FIA", so Hembery.


Fotostrecke: Fahrer über Sachir: Wüsten-Challenge