18-Zoll-Räder schon 2014? Pirelli fordert Testmöglichkeit

2014 könnte die Formel 1 auf Niederquerschnittsreifen wechseln, doch Pirelli fordert ein geeignetes Testauto, denn die Radaufhängung würde sich grundlegend ändern

(Motorsport-Total.com) - Seit Jahren wird in der Formel 1 über die Einführung von Niederquerschnittreifen diskutiert. Dies hätte Sinn, denn 18-Zoll-Räder würden im Gegensatz zu den aktuellen 13-Zoll-Rädern deutlich mehr Synergien zu Serienfahrzeugen bieten. Bereits vor dem Einstieg von Pirelli als Einheitsreifen-Lieferant in der Formel 1 war ein Wechsel auf Pneus, bei der die Verhältniszahl Reifenhöhe kleiner als 80 Prozent zur Reifenbreite ist, ein Thema - nun wird das Thema wieder aktuell, da ab 2014 ein völlig neues Reglement geplant ist.

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Seit Jahren wird über die Einführung von 18-Zoll-Rädern (Montage) nachgedacht

Doch diese Änderung würde einige komplizierte Nebeneffekte mit sich bringen. Die aktuellen Radaufhängungen wären für die neue Reifenformel absolut ungeeignet, was wiederum die Aussicht auf Tests schwierig machen würde. Daher drängt die Zeit, will man wirklich 2014 auf eine neue Reifenformel setzen, denn ein Testbolide müsste spätestens in einem Jahr an die ungewohnten Anforderungen angepasst sein.

"Sechs Monate" würden als Testzeit ausreichen, meint Pirellis Motorsportchef Paul Hembery. Das Problem sei aber, ein passendes Auto für die Tests zu bekommen. Denn ohne Versuchsfahrten würde ein derartiges Unterfangen zur Zitterpartie werden.

Warum Pirelli Bedenken hat

"Das wäre sehr ambitioniert", bestätigt der Brite und erläutert den Grund. "Die Aufhängung müsste auf jeden Fall anderen Anforderungen standhalten. Und ohne Testmöglichkeit ... " Grundsätzlich spricht sich Pirelli für Niederquerschnittsreifen aus, doch auch der Entwicklungschef der Italiener, Maurizio Boiocchi meldet Bedenken an.

"Vielleicht sollten wir nicht auf 18 Zoll wechseln, das ginge zu stark in das Niederquerschnitts-Segment", findet Boiocchi. "Wenn man sich anschaut, was passiert, wenn die Autos auf den Randsteinen in den Kurven springen, dann könnte uns das Schwierigkeiten bereiten. Zudem muss auch der Ingenieur, der die Aufhängung designt, diese stärker bauen, denn derzeit wird ein Teil der Arbeit von der Seitenwand des Reifens und von der Luftmenge im Reifen verrichtet."

"Vielleicht sollten wir nicht auf 18 Zoll wechseln." Maurizio Boiocchi

Würde man also die Felge zu stark vergrößern, dann müsste die Radaufhängung zusätzliche Arbeit vom Reifen übernehmen. "Ich bin daher nicht sicher, ob wir so tief in das Niederquerschnitts-Segment gehen sollten", sagt der Entwicklungschef.

18-Zoll-Räder würden Autos stark verändern

Interessanterweise werden 18-Zoll-Räder aber in anderen Motorsportklassen durchaus verwendet. Vor allem im Sportwagenbereich ist diese Art von Reifen durchaus verbreitet. Doch würde man dies in der Königsklasse des Motorsports tun, dann müssten die Team "viel schwerere und viel größere Komponenten bei der Aufhängung einsetzen - und das könnte Schwierigkeiten mit sich bringen, wodurch sich die Aerodynamik dramatisch ändern würde", befürchtet Boiocchi.

Zudem bringt der geringe Bodenabstand eines Formel-1-Boliden zusätzliche Herausforderungen mit sich: "Beim Bewegungsausmaß der Aufhängung geht es um Millimeter - es liegt beinahe bei Null. Das ist das größte Problem. Ich weiß nicht, ob sie in Anbetracht all der anderen Regeln, die im Gespräch sind - wie zum Beispiel Verbrauchseffizienz - , darauf vorbereitet sind." Boiocchi hält es daher für klüger, eine Felgengröße zwischen 13 und 18 Zoll zu wählen.

Interessanterweise würde sich die neue Reifenformel auch auf die Bremsen auswirken. "Plötzlich hätte man so viel Platz, um größere Bremsen zu verwenden - die Bremswege der Autos wären dann unglaublich, was sie eigentlich jetzt schon sind." Das könnte sich negativ auf die Überholmanöver auswirken, denn diese finden in der Regel beim Anbremsen der Kurven statt. Doch hier könnte man mit anderen Materialien für Abhilfe sorgen: Boiocchi verweist auf den Zweiradsport: "Bei den Superbikes ist man gezwungen, Stahlbremsen zu verwenden."

Überfahren der Randsteine als größtes Problem

Und dann wäre da noch das Problem mit dem Testauto. Pirelli verfügt nur über einen Toyota-Boliden aus dem Jahr 2009 und über einen Renault aus dem Jahr 2010 - beide Autos wären für Versuchsfahrten mit den neuen Pneus ungeeignet. "Die aktuellen Autos wurden für 13-Zoll-Reifen designt", erklärt der Italiener das Problem. "Wir müssten also etwas erfinden, damit wir eine Vorstellung gewinnen."

Simulationen könnten gewisse Bereiche abdecken, aber gerade das Radaufhängungsproblem beim Überfahren der Randsteine zwingt Pirelli, den Weg auf die Rennstrecke zu suchen. "Man darf das Überfahren der Randsteine nicht unterschätzen", warnt Hembery. "In Zeitlupenaufnahmen sieht man sehr gut, dass die Autos die Randsteine wirklich rammen. Randsteine können den Reifen aus der Verankerung lösen, daher hängt es wirklich davon ab, wie die Aufhängung die Schläge absorbiert, da alles steifer wird - es wird davon abhängen, wie der Reifen unter diesen Umständen auf der Felge hält."

"Es hängt wirklich davon ab, wie die Aufhängung die Schläge absorbiert." Paul Hembery

Pirellis Motorsportchef schlägt vor, gemeinsam mit den Teams an einem Testauto zu arbeiten: "Wir könnten ein altes Auto nehmen und dann eine Lösung finden, die uns zumindest einen Eindruck bietet, wo es hingehen würde - dann könnten wir es hinkriegen." Doch auch er wünscht sich einen gewissenhaften Umgang mit der enormen Herausforderung: "Es wäre sehr ambitioniert, im Februar 2014, wo es brandneue Autos und komplett neue Regeln geben wird, ohne Tests mit 18-Zoll-Reifen anzufangen."

Hembery fordert professionelle Umsetzung

Er fürchtet sich vor einem Image-Verlust durch mögliche Probleme und bittet um eine möglichst professionelle Umsetzung: "Ich sage den Verantwortlichen und habe dies auch bereits gesagt, dass es für mich in Ordnung ist, wenn wir den Schritt machen, aber wir sollten ihn planen und die Sache ordentlich machen - mit einem richtigen Arbeitsplan, der uns bei der Umsetzung hilft."

Er fragt sich: "Wo liegt sonst der Vorteil? Wenn es Probleme gibt, dann haben wir alle potenziellen Vorteile zerstört und vielleicht sogar das Spektakel. Um welchen Preis? Nur weil wir sagen, wir hätten gerne 18-Zoll-Reifen in der Formel 1? Das ist eine große Entscheidung." Dazu kommt, dass nicht nur der Sport, sondern vor allem sein Unternehmen darunter leiden würde: "Unser Name steht auf der Seitenwand des Reifens."