• 02.02.2011 18:56

  • von Mario Fritzsche & Dieter Rencken

Neue Pirelli-Reifen kommen gut an

Fahrer und Teams äußern sich in Valencia überwiegend positiv zu den neuen Pneus aus Italien - Pirelli plant die Saison mit der aktuellen Konstruktion

(Motorsport-Total.com) - Nach dem Reifentest in Abu Dhabi Ende November kommen die Formel-1-Piloten im Zuge der derzeit in Valencia stattfindenden Testfahrten wieder in den Genuss, die Pirelli-Reifen auszuprobieren. Für die Teams steht neben der Gewöhnung an die neuen technischen Regeln vor allem die Anpassung an die seit dem letzten Test veränderten Pirelli-Mischungen an erster Stelle. Aussagekräftige Rückschlüsse auf die Performance im Rennen sind nach einem Testtag in Valencia zwar schwer zu treffen, eine Tendenz gibt es unter den Fahrern aber bereits jetzt.

Titel-Bild zur News:

Der Reifenhersteller Pirelli meldet sich eindrucksvoll in der Formel 1 zurück

Mercedes-Pilot Nico Rosberg gibt zu Protokoll, dass sich die Reifen verglichen mit den Bridgestone-Pneus aus der Vorsaison grundsätzlich ähnlich anfühlen. "Fahrerisch ist der Unterschied nicht allzu groß. Das Handling ist ähnlich." Nach Aussage Rosbergs ist das Fahrverhalten auf den neuen Gummis im Moment noch von starkem Untersteuern gekennzeichnet. "Das ist aber ganz normal. Man muss bedenken, dass wir bezogen auf das Setup quasi bei Null anfangen."

Je mehr Abrieb, desto besser die Show

Zu den japanischen Bridgestone-Reifen gab es aus all den Jahren viele Erfahrungswerte. "Für die Pirelli-Pneus fehlt uns diese Erfahrung auf sämtlichen Strecken, das macht es natürlich schwieriger", erklärt Rosberg, der sich zum Verhalten der Reifen im Rennen derzeit noch nicht zu einer definitiven Aussage hinreißen lassen will: "Wie sich die Reifen auf eine komplette Distanz gesehen verhalten werden, müssen wir abwarten." Grundsätzlich gilt: Je mehr die Pneus abbauen, desto interessanter die Rennen, da dem fahrerischen Talent dann mehr Bedeutung zukommt.

Demzufolge sind die Piloten daran interessiert, einen Reifen zu fahren, der im Verlauf seiner Lebensdauer konsequent abbaut und nicht zu hart ist. Rubens Barrichello aus dem Williams-Team findet nach dem ersten Testtag in Valencia vor allem an der weichen Mischung Gefallen: "Dieser Reifen scheint ganz in Ordnung zu sein."

"Was die Mediumvariante betrifft, so ist mein Eindruck, dass diese im Moment noch zu hart ist - speziell für die Strecke in Valencia." Sam Michael, Technikchef in Diensten von Williams, ergänzt: "Die Reifen machen grundsätzlich keinen schlechten Eindruck auf mich. Sie lösen sich nicht auf und es gibt kein massives Graining."

"Die Reifen machen keinen schlechten Eindruck. Sie lösen sich nicht auf und es gibt kein massives Graining." Williams-Technikchef Sam Michael

Fernando Alonso hingegen tut sich mit einer verlässlichen Bewertung der neuen Pneus bisher noch schwer: "Im Moment sind sie nicht sehr konstant. Zudem ist das Kontingent bei den Tests stark beschränkt. Man hat pro Tag nur drei Reifensätze zur Verfügung, was es schwierig macht, aussagekräftige Veränderungen am Setup vorzunehmen."

Repräsentatives Bild erst in Bahrain

Paul Hembrey, Motorsportleiter bei Pirelli, bereitet das allerdings wenig Kopfzerbrechen. "Aus Sicht des Reifenherstellers wird sich vermutlich erst in Bahrain ein repräsentatives Bild ergeben", so Hembrey, der bei den Testfahrten in Spanien noch die Gewöhnung der Piloten an die neuen technischen Regeln im Vordergrund stehen sieht. "Die Teams wollen hier in Europa ihre Arbeit erledigen. Aber sie zeigen natürlich großes Interesse an unseren Pneus und wollen herausfinden, wie die Reifen mit ihren Fahrzeugen harmonieren."

¿pbvin|512|3302|pirelli|0|1pb¿Ein weiterer Aspekt, der in diesem Zusammenhang eine Rolle spielt, ist die Tatsache, dass es in Valencia derzeit noch recht kühl ist. "Die niedrigen Temperaturen sind recht schwierig für die Reifenmischungen", erklärt Hembrey. "Im Verlauf der Saison werden wir nämlich kaum zehn Grad Asphalttemperatur haben, sondern meistens mindestens 20 Grad oder dergleichen."

Was die Weiterentwicklung der Gummimischungen angeht, führt Hembrey an, dass diese seit Abu Dhabi noch einmal vorangetrieben wurde. "Wir nahmen kleinere Modifizierungen am Vorderreifen vor. Bei den Hinterreifen mussten wir etwas mehr Arbeit investieren, um den Abrieb zu verbessern."

Fahrer von Pirelli-Entwicklung begeistert

Sauber-Pilot Kamui Kobayashi zeigt sich in Valencia angesichts der raschen Entwicklung seit dem vorangegangenen Test angetan: "Ich war sehr überrascht, wie stark die Reifen seit dem Abu-Dhabi-Test verändert wurden. Der Abrieb ist nun deutlich höher, was uns im Rennen zu Gute kommen sollte."

Marussia-Virgin-Neuling Jerome D'Ambrosio, der im Zuge seiner Testfahrertätigkeit im vergangenen Jahr auch die Bridgestone-Reifen kennengelernt hat, geht sogar noch weiter: "Ganz ehrlich: Es muss eine sehr schwierige Aufgabe sein, einen derartigen Reifen in einer so kurzen Zeitspanne zu entwerfen."

"Ich habe im Vorfeld viele Gerüchte gehört und nicht damit gerechnet, dass die Pirelli-Pneus derart gut sein würden", so der Belgier. "Natürlich sind sie ein bisschen anders als die Bridgestone-Reifen, aber das ist vollkommen normal, schließlich ist der Herstellungsprozess ein anderer." D'Ambrosio attestiert den Pirelli-Walzen schon jetzt eine bemerkenswerte Konstanz, die sich seiner Ansicht nach mit etwas mehr Gummiabrieb auf der Strecke sogar noch verbessern sollte. "Insgesamt bin ich von den Reifen wirklich positiv überrascht", zeigt sich der Marussia-Virgin-Fahrer beeindruckt.

"Ich habe nicht damit gerechnet, dass die Pirelli-Reifen derart gut sein würden." Jerome D'Ambrosio

Comeback nach 19 Jahren Pause

Pirelli ist erstmals seit 1991 wieder im Grand-Prix-Sport aktiv. Für den Technischen Direktor bei Toro Rosso, Giorgio Ascanelli, ein wie er es nennt "aufregender" Umstand. "Wenn man sich die Veränderungen innerhalb der Formel 1 in den vergangenen 20 Jahren vor Augen führt, dann bedeutet das Comeback von Pirelli in diesem Jahr ein aufregenderes Szenario als damals. Bezogen auf das Verhalten der einzelnen Mischungen könnte es auf den aktuellen Strecken einige Überraschungen geben", freut sich der Italiener bereits jetzt auf die bevorstehenden Herausforderungen nicht nur für die Reifentechniker.

An der Konstruktion der Pneus sind nach Aussage des Pirelli-Motorsportleiters Hembrey bis zum Auftakt in Bahrain allerdings keine Veränderungen zu erwarten. "Mit den jetzigen Produkten möchten wir auf jeden Fall auch in die Saison starten. Es müsste jetzt schon etwas sehr Großes passieren, dass da noch Handlungsbedarf bestünde", so Hembrey. "Sollten wir jedoch während der Saison verschiedene Anpassungen vornehmen müssen, dann werden wir das tun. Das werden wir mit den Teams und der FIA abstimmen."

Pirelli kehrt nach 19 Jahren Abwesenheit als Alleinausrüster in die Formel 1 zurück Zoom

Regenreifen sollten keine Probleme bereiten

Was bleibt, ist die Frage nach der Performance der von Pirelli zur Verfügung gestellten Regenreifen. Diese werden der Wettervorhersage zufolge in Valencia nicht zum Einsatz kommen können. Inwieweit im Rahmen der kommenden Testfahrten in Jerez und Barcelona mit Regen zu rechnen sein wird, bleibt abzuwarten. Gut möglich also, dass die Fahrer ihre ersten Erfahrungen mit den profilierten Pirelli-Pneus während eines Rennwochenendes sammeln müssen.

Rubens Barrichello sieht diesbezüglich allerdings keinen Grund zu Beunruhigung: "Soweit ich es bisher anhand der Aussagen aus Abu Dhabi mitbekommen habe, gibt es da keine Probleme." Pedro de la Rosa, der offizielle Testfahrer des italienischen Reifenherstellers spulte im Dezember bereits unzählige Runden auf der künstlich bewässerten Strecke im arabischen Emirat ab.

Die Bedenken des Spaniers bezogen sich anschließend lediglich auf mögliche Flutlichtrennen im Regen, da die Sichtverhältnisse unter diesen Bedingungen extrem schwierig gewesen seien. Was die Reifen betrifft, zeigte sich de la Rosa im Anschluss allerdings zufrieden, was auch Barrichello nicht verborgen geblieben ist. "Die Jungs von Pirelli haben bereits im Regen getestet. Wenn sie Anlass zur Sorge sehen, sollten wir uns damit näher beschäftigen, anderenfalls sehe ich da kein Problem", so der Brasilianer.

Die Regenreifen wurden in Abu Dhabi bereits erprobt und für gut befunden Zoom