• 26.04.2002 21:20

  • von Fabian Hust

Michelin und der Kampf um eine gute Balance

Die Probleme von Williams/McLaren könnten ein Anzeichen dafür sein, dass die Reifen äußerst sensibel auf Veränderungen reagieren

(Motorsport-Total.com) - Die Mienen im Lager von Michelin waren nach dem Freien Training am Freitag wieder einmal länger als man sich das gewünscht hatte: "Ich glaube, Michelin hat hier ein wenig das Nachsehen. Die mitgebrachten Mischungen scheinen hier nicht perfekt zu funktionieren", so Renault-Teamchef Flavio Briatore. Scheinbar befürchtet man im Michelin-Lager schon jetzt, dass man gegenüber Bridgestone an diesem Wochenende Nachteile haben wird, auch wenn Michelin am Freitag meistens nie so stark war wie am Samstag und erst recht nicht im Vergleich zum Rennen.

Titel-Bild zur News: David Coulthard

Mal Untersteuern, mal Übersteuern: McLaren kämpft mit Problemen

Verwunderlich ist, dass in diesem Jahr BMW-Williams mehr mit Balanceproblemen zu kämpfen hat als im letzten Jahr. Möglicherweise sind die Reifen von Michelin wesentlich schwieriger zum Arbeiten zu bewegen als die Pneus der japanische Konkurrenz. Temperaturschwankungen von wenigen Grad scheinen die Michelin mit dramatischen Haftungsschwankungen zu quittieren. Nur wenn es sehr heiß ist, scheint Michelin über einen konstanten Reifen zu verfügen, bei geringeren Temperaturen scheint es schwierig zu sein, den optimalen Grip aus dem Reifen zu holen. Ein Problem, das bei den Bridgestone-Reifen weniger stark ausgeprägt zu sein scheint.

Während die Bridgestone-Teams in Barcelona auf Anhieb gute Zeiten fahren konnten, kämpften die Michelin-Teams massiv mit Problemen. Auch McLaren-Mercedes und BMW-Williams, die beide hunderte von Runden mit ihren Autos in Barcelona getestet hatten. "Es ist schon verrückt, du testest viele Tage hier, dann kommst du für ein Rennen her und dann ist alles so anders", so Juan-Pablo Montoya. Ich hoffe, dass wir morgen konkurrenzfähiger sind, heute war die Balance schrecklich. Ich meine, Platz 15 und 17 ? du meine Güte!"

Sowohl bei den Weiß-Blauen als auch bei den Silbernen beschwerte man sich über massive Balanceprobleme verbunden mit der Schwierigkeit, das Setup des Autos hinzubekommen: "In der einen Runde hatte ich Untersteuern, in der anderen dann schon wieder Übersteuern", so Montoya. Zwei oder drei Grad Asphalttemperatur mehr oder weniger scheinen die Michelin-Reifen außer Tritt zu bringen. "Damit müssen wir wohl für den Rest des Wochenendes leben. Bridgestone hatte hier letztes Jahr einen großen Vorteil, die Lücke haben wir nur ein wenig geschlossen. Es ist frustrierend, wir haben hier heute viel gearbeitet, aber nie die richtige Richtung gefunden."

Selbst das BMW-Williams-Team, das die Michelin-Reifen schon von letzter Saison gut kennt, hat Probleme, das Auto auf sie abzustimmen. Wenn die Reifen sich nicht gleichmäßig erwärmen, sich unterschiedlich stark abnutzen, dann wirft das ein Auto innerhalb von wenigen Metern aus der Balance. Vielleicht aber auch entwickelt Michelin im Kampf gegen Bridgestone die Reifen im Moment in einem solch hohen Tempo, dass sich die Charakteristik so stark verändert, dass gerade gelernte Erfahrungswerte schon wieder reif für den Papierkorb sind.

Das trifft besonders das McLaren-Mercedes-Team hart, das als "Michelin-Neuling" noch mehr Probleme mit den Reifen hat: "Dieses Jahr wird schwierig werden. In manchen Rennen wird Michelin vorne sein, dann wieder hinten. In Barcelona glauben wir, dass sie im Nachteil sein werden", so Adrian Newey, der Technische Direktor von McLaren.

Der Brite gibt zu, dass dem Team der Wechsel von Bridgestone zu McLaren derzeit große Kopfschmerzen bereitet: "Das ist immer so, wenn man einen Reifenpartner wechselt. Die Reifen sind sehr unterschiedlich und wir versuchen herauszufinden, wie wir das Auto anpassen können, um es auf die Charakteristik der Michelin-Reifen abstimmen zu können."

McLaren kämpft in Barcelona zudem gegen eine Eigenheit der Strecke an, wie David Coulthard erläutert: "Auf dieser Strecke bauen die Reifen nach der ersten gezeiteten Runde immer deutlich ab. Davon abgesehen, ist es mir nicht gelungen, eine konstante Balance zu erarbeiten. Gemeinsam mit den Ingenieuren werden wir jetzt daran gehen, dieses Problem zu lösen." Da sich die Eigenschaft der Reifen so schnell verändert, findet man kaum ein optimales Setup.

Dass Michelin keinen schlechten Reifen nach Barcelona gebracht hat, zeigt die drittschnellste Zeit von Jenson Button, der nur rund drei Zehntelsekunden Rückstand hatte. Man muss allerdings dieses Potenzial auch nutzen können und das Setup auf die Reifen anpassen. "Das Auto war heute sehr schwierig zu fahren", klagte selbst Button über Balance-Probleme mit seinem Renault. Positiv für die Michelin-Teams: Die Wetterbedingungen sollten sich an diesem Wochenende nicht mehr dramatisch ändern.