Marussia: Mit Fünf-Jahres-Plan ins Mittelfeld

Geschäftsführer Andy Webb erklärt das Vorhaben von Andrei Cheglakov, spricht über alternative Erlösmodelle und fordert mehr Interaktion mit den Fans

(Motorsport-Total.com) - Wer steckt eigentlich hinter dem aktuell kleinsten Formel-1-Team? Der 47-jährige Russe Andrei Cheglakov ist der Hauptdrahtzieher hinter den Machenschaften beim Marussia-Team. Er soll nicht weniger als 93 Prozent an Anteilen mit seiner Firma Marussia Motors am Team halten. Die Mannschaft ist 2010 als Virgin Racing in die Formel 1 eingestiegen und hat ihren Namen 2011 in Marussia Virgin Racing geändert, da Cheglakov eingestiegen ist. Mittlerweile ist der Milliardär Richard Branson nicht mehr an Bord, das Team trägt nun den Namen Marussia F1 Team.

Titel-Bild zur News: Andy Webb, Jules Bianchi

Andy Webb im Gespräch mit Jules Bianchi in Monte Carlo Zoom

Marussia Motors war eine Firma in die Cheglakov gemeinsam mit dem russischen Fernsehmoderator Nikolai Fomenko und dem Philosophen Efim Ostrovsky investiert hatte. Im vergangenen Monat wurde Marussia Motors geschlossen. Das Formel-1-Team wird laut 'Financial Times' von der Firma Marussia Communications geführt.

Laut Informationen des 'Guardian' soll das Team 2011 ein Budget um die 70 Million Dollar (rund 50 Millionen Euro) eingesetzt haben. Sollte das Team in diesem Jahr den neunten oder zehnten Platz in der Konstrukteurs-Meisterschaft belegen - was dank des neunten Rangs von Jules Bianchi beim Monaco-Grand-Prix in dieser Saison wahrscheinlich ist - würde man auch ein höheres Preisgeld vom Formel-1-Management beziehen.

Das Erfolgsmodell des Andrei Cheglakov

Doch trotz dieser in Aussicht stehenden Summen kann man noch lange nicht mit den Top-Teams mithalten. Marussia-Geschäftsführer Andy Webb erklärt, dass das Erfolgsmodell von Cheglakov sein Glaube an kleine Unternehmungen mit großem Gewinn ist. Webb unterstreicht, dass es möglich sei, ein Formel-1-Team mit relativ geringem Budget zum Laufen zu bringen. Auch die Anzahl der Mitarbeiter ist klein - im Hauptsitz in Banbury arbeiten rund 200 Teammitglieder.

Webb erklärt gegenüber der 'Financial Times' Cheglakovs Plan, warum dieser in die Formel 1 einstieg: "Nachdem Andrei einer der Co-Investoren bei Marussia Motors wurde, wollte er die Marke auf den internationalen Markt bringen. Und der ideale Weg dafür dem Name weltweite Anerkennung zu geben, war ein Formel-1-Team an den Start zu bringen. Als Serienunternehmer sieht er nun Potenzial für weitere Gelegenheiten."

"Die Saison 2014 ist jetzt schon die teuerste in der Geschichte des Motorsports." Andy Webb

"Zualler erst möchte er demonstrieren, dass es möglich ist in der Formel 1 mit einem relativ kleinen Budget anzutreten - etwas, wovon viele, die in dem Sport involviert sind, glauben, dass es so laufen sollte." Hierbei spricht Webb die Kostenobergrenze an, die von den Teams nach wie vor nicht beschlossen wurde. Er beklagt auch die hohen Kosten für die laufende Saison: "Jedoch hat sich die Saison 2014 jetzt schon als die teuerste in der Geschichte des Motorsports abgezeichnet, weil komplett neue Motoren und Antriebseinheiten mit der großen Regeländerung von den 2,4-Liter-V8-Motoren zu den 1,6-Liter-V6-Motoren mit den Energierückgewinnungs-Systemen entwickelt werden mussten."

Es geht um die Vielfalt...

Webb stellt sich daraufhin die Frage: "Warum halten die Leute, die den Sport managen, die Preise absichtlich hoch?" Er führt an, dass die Top-Teams, wie Red Bull, Mercedes oder Ferrari, sowieso schon mehr Preisgeld bekämen: "Für die Top-3-Teams, die zwischen 80 und 100 Millionen Dollar (zwischen rund 58 und 72 Millionen Euro; Anm. d. Red.) an Preisgeld bekommen und Produkte, wie zum Beispiel Red-Bull-Getränke, Ferrari-Verkaufsartikel oder Mercedes-Autos haben, die eine Absatzsteigerung aufgrund der Formel 1 erfahren, macht es Sinn, weiter involviert zu sein."


Fotos: Marussia, Großer Preis von Österreich


Ein andere Aspekt, warum man in die Formel 1 einsteigt, sei die Technologie: "Auch ein wichtiger Punkt ist die Renntechnologie, die später in die Straßenautos einließt." Doch der eigentliche Grund, warum es auch schwächere Teams in der Königsklasse geben muss, ist nach Ansicht von Webb der Vielfalt geschuldet: "Fans wollen Abwechslung im Rennsport und das bedeutet die weitere Teilnahme von privaten Teams wie Marussia, weil sie die Vielfalt, die den Sport ausmacht, erhalten. Ohne sie würde es ein reiner Geld-Wettkampf zwischen den großen Herstellern sein."

Bei Marussia gebe es einen langfristigen Plan für die Zukunft des Teams, so Webb gegenüber der 'Financial Times': "Andrei hat dafür einen Fünfjahresplan, um ein nachhaltiges Mittelfeld-Formel-1-Team auf einem Budget aufzustellen, das niedriger ist als von allen derzeitigen Konkurrenten, und das in einem profitablen Motorsport-Unternehmen gipfeln soll." Davon ist man bisher aber noch weit entfernt. Laut Informationen des 'Guardian' machte das Team 2011 einen Verlust von 49 Millionen Dollar (umgerechnet rund 35 Millionen Euro). Webb meint, dass das Team nun "praktisch schuldenfrei" sei.

Mehr Interaktion durch Beteiligungen und Computerspiele

Außerdem stellt er klar, dass Cheglakovs Unternehmung in der Formel 1 sehr ernst zu nehmen ist: "Marussia ist sicherlich kein Spielzeug für Andrei. Er ist ein Mann, der sich darauf spezialisiert hat, Dinge in großem Umfang zu machen, und wenn er sieht, dass jedes Formel-1-Rennen ein globales Fernsehpublikum bis zu 600 Millionen Menschen erreicht, will er einen Weg finden, wie er diese Zahlen zu Geld machen kann."

"Marussia ist sicherlich kein Spielzeug für Andrei." Andy Webb

Das aktuelle Wirtschaftsmodell der Formel-1-Teams erachtet der Russe jedoch als nicht optimal. Denn er glaubt, dass es sich langfristig nicht halten wird, erklärt Webb: "Andrei glaubt auch, dass das derzeitige Sponsorenmodell, das verwendet wird, wo Marken den Teams Geld bezahlen oder Deals aushandeln, wo im Gegenzug der Name auf dem Auto steht, nur geringe Zukunft in der derzeitigen globalen Wirtschaft haben wird."

Andrei Cheglakov, Jules Bianchi

Jules Bianchi und Andrei Cheglakov feierten in Monaco die ersten Punkte Zoom

Cheglakov, der in Russland mit der Dandy-Spielekonsole bekannt wurde, möchte die Formel-1-Fans mehr einbinden. Laut 'Financial Times' arbeitet der Russe derzeit an einem Formel-1-Computerspiel. Um mehr Interaktionen mit den Fans herzustellen, kam außerdem die Idee auf, dass jeder Fan einen kleinen Anteil an den Fahrern besitzen könne, somit würde jeder als Teilhaber auftreten können, was ebenfalls eine engere Verbundenheit zu den Fans schaffen würde: "Formel 1 ist im Wesentlichen ein exklusiver Sport - aber alle wollen das Gefühl haben mehr involviert zu sein, und nicht einfach Fernzusehen."