• 19.02.2004 09:50

  • von Florian Haasper

Lotterer: "Will wieder an die Tür zur Formel 1 klopfen"

André Lotterer im Exklusiv-Interview über seine Zeit in Japan und warum er das Kapitel Formel 1 noch nicht abgehakt hat

(Motorsport-Total.com) - Mit 22 Jahren ist André Lotterer noch immer ein sehr junger Rennfahrer. Dennoch hat der ehemalige Jaguar-Testpilot schon viel in seiner Karriere erlebt. Lotterer wurde 1995 Kart-Weltmeister, holte sich 1999 den Titel in der Formel BMW ADAC Meisterschaft, testete für das Jaguar-Team und trat in der amerikanischen CART-Serie an. Auf sein wohl größtes Abenteuer ließ er sich im vergangenen Jahr ein, als der Deutsche in die japanische Formel Nippon wechselte.

Titel-Bild zur News: André Lotterer

André Lotterer hat das Thema Formel 1 noch nicht abgehakt

Im Interview mit 'F1Total.com' berichtet das Nachwuchstalent von seinen Erfahrungen im Land der aufgehenden Sonne. Lotterer macht außerdem klar, dass er den Traum, als Stammpilot in die Formel 1 zurückzukehren, noch nicht aufgegeben hat.#w1#

Frage: "André, im vergangenen Jahr hast du den Schritt in die Formel Nippon nach Japan gewagt und warst am Saisonende Fünfter. Bist du mit dem ersten Jahr dort zufrieden?"
André Lotterer: "Ich bin recht zufrieden. Das Niveau in dieser Serie ist sehr hoch. Die Fahrer bleiben zum Teil lange Jahre in Japan und haben große Erfahrung. Die Formel Nippon ist die absolute Top-Serie dort. Ich konnte vor dem Saisonstart nur zwei Mal testen und bin dann beim ersten Rennen gleich Zweiter geworden. Dann lief es auch ganz gut weiter. Leider habe ich bei den letzten beiden Rennen nicht gepunktet, sonst wäre sogar Platz drei in der Meisterschaft drin gewesen. Ich habe aber viel gelernt."

Frage: "Es steht also fest, dass du eine zweite Saison in Japan absolvieren wirst?"
Lotterer: "Ja, zu 99 Prozent ist das sicher."

"Die Formel Nippon ist gar nicht so weit von der Formel 1 entfernt"

Frage: "Was unterscheidet die Formel Nippon von den europäischen Rennserien?"
Lotterer: "Der Hauptunterschied ist, dass die Teams eigene Sponsoren haben und sich die Fahrer nach Talent aussuchen. In Europa hat man ja keine Chance auf ein Cockpit, wenn man keine Finanzmittel mitbringt. In Japan läuft das anders. Ein weiterer Vorteil ist, dass Bridgestone sehr gute Reifen für die Serie liefert. Die Autos sind daher exzellent fahrbar. Die Motoren haben über 500 PS. So weit ist die Formel Nippon also gar nicht von der Formel 1 entfernt, was die Performance angeht."

Frage: "Wie schwierig war es, sich als Westeuropäer in Japan zurechtzufinden?"
Lotterer: "Es ist schon nicht einfach, gerade wenn man es so macht wie ich. Ich bin über das Jahr nur selten zurück nach Hause geflogen, war also lange Zeit ununterbrochen in Japan. Die Kommunikation ist das größte Problem. Die Menschen dort sprechen nur wenig Englisch, somit ist es schwierig, sich zu verständigen. Ich bin aber schon seit meiner Jugend ein Weltenbummler. So habe ich mich schnell zurechtgefunden."

'Japanisch ist unheimlich kompliziert"

Frage: "Du sprichst ja bereits vier Sprachen fließend. Hast du auch Japanisch gelernt?"
Lotterer: "Vielleicht zwanzig oder dreißig Wörter. Mit ganzen Sätzen wird es aber schon schwierig. Um diese Sprache zu begreifen, muss man sie in der Schule lernen. Sie ist unheimlich kompliziert."

Frage: "Zeigt sich die spezielle Mentalität der Japaner auch auf der Rennstrecke?"
Lotterer: "Ja, der Motorsport in Japan ist einfach toll. Mir macht es großen Spaß, dort zu fahren. Es geht sehr fair zu. Im Zeittraining wird zur Seite gefahren, wenn ein schnellerer Fahrer kommt. In Europa wird darauf weniger geachtet. Es gibt auch nicht so viele Unfälle, die durch Kollisionen ausgelöst werden. Es herrscht einfach eine tolle Atmosphäre."

"Ich will wieder an die Türe zur Formel 1 klopfen"

Frage: "Für Fahrer wie Ralf Schumacher, Ralph Firman und viele andere war die Formel Nippon das Sprungbrett in die Formel 1. Hoffst du auch darauf?"
Lotterer: "Wer dort Champion wird, hat sicher gute Chancen, sich für die Formel 1 zu empfehlen. Allerdings geht das ja auch alles nicht mehr so einfach wie früher. Dennoch will ich zumindest wieder an die Tür zur Formel 1 klopfen. Ich kenne nun die Strecken und die Bedingungen in der Formel Nippon besser und will den Titel holen."

"Bei Jaguar weht ein ganz anderer Wind"

Frage: "Du warst 2002 offizieller Testfahrer bei Jaguar. Haben je Gespräche über ein mögliches Engagement bei den 'Raubkatzen' in dieser Saison stattgefunden?"
Lotterer: "Das erledigt natürlich mein Management, aber ich glaube nicht, dass es ein Thema war. Bei Jaguar hat sich einiges geändert, dort weht ein ganz anderer Wind. Ich denke, mein Name ist dort bei der Vergabe der Cockpits 2004 leider nicht gefallen."

Frage: "Du giltst als eines der größten Motorsport-Talente in Deutschland. Momentan werden Fahrer wie Timo Glock aber stärker in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Wurmt dich das?"
Lotterer: "Nein, es wurmt mich nicht. Mein persönliches Ziel ist die Formel 1, daran hat sich nichts geändert. Es war von Anfang an mein Traum, dort zu fahren. Wenn es ein anderer Fahrer schafft, dann wünsche ich ihm Glück. Ich weiß wie schwierig es ist, den Fuß in der Tür zu behalten. Natürlich kribbelt es schon und ich sage mir 'Eigentlich könntest du dort auch fahren'. Ich konzentriere mich aber hauptsächlich auf mich und meine Leistung, um dieses Ziel zu erreichen."

"Heute ist alles anders"

Frage: "Geld spielt in der Formel 1 eine immer größere Rolle. Wie bewertest du die Entwicklung, dass immer mehr der finanzielle Hintergrund eines Fahrers den Ausschlag gibt und nicht so sehr das Talent?"
Lotterer: "Es ist nicht schön. Aber daran kann man leider auch nicht viel ändern. Es ist einfach schade, dass viele große Talente aus diesem Grund auf der Strecke bleiben. Vielleicht hätten es Stars von heute nicht so weit geschafft, wenn es früher auch schon so abgelaufen wäre. Heute ist alles anders. Ich habe die Hoffnung, dass sich das vielleicht irgendwann auch wieder ändert."

Frage: "2002 hast du in Mexico City dein erstes ChampCar-Rennen bestritten und bist sogar gleich in die Punkte gefahren. Reizt es dich, dort noch einmal anzutreten?"
Lotterer: "Auf jeden Fall. Beim Rennen in Mexico City wollte ich für ein längerfristiges Engagement empfehlen. Aber die Situation war damals einfach zu unsicher. Es war nicht klar, wie es mit der CART-Serie weitergehen würde und die Unterstützung von großen Unternehmen hat gefehlt. Im Laufe der Verhandlungen hat es dann irgendwann keinen Sinn mehr gemacht. Dann eröffnete sich die Chance in Japan ? und ich habe sie ergriffen. Wenn sich CART jedoch erholt, dann wäre es sicher wieder eine heiße Sache für mich."