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Kleine Teams: Großer Widerstand gegen Kundenauto-Lösung

Wie die Teamchefs von Red Bull, Mercedes, Lotus, Force India und Sauber zu einer Kundenauto-Lösung stehen und welche Alternativen zur Kostensenkung sie haben

(Motorsport-Total.com) - Für die kleinen Teams sind sie ein Schreckgespenst, das sich nicht verscheuchen lässt. Für die großen Teams wären sie eine Gelegenheit, um die kleinen Teams endgültig in die Abhängigkeit zu treiben. Und Formel-1-Boss Bernie Ecclestone steht ihnen sehr positiv gegenüber. Die Rede ist von Kundenautos, die immer wieder als Möglichkeit genannt werden, um die enormen Kosten in der Formel 1 endlich in den Griff zu bekommen.

Titel-Bild zur News: Christian Horner, Vijay Mallya

Verhärtete Fronten: Mallya und Horner haben zu Kundenautos konträre Ansichten Zoom

Red Bull würde diese Regelung besonders entgegenkommen, denn mit Toro Rosso hat man bereits ein B-Team in der Formel 1 - seit 2009 darf man aber nicht mehr auf die Dienste von Red Bull Technology zurückgreifen, sondern muss sein eigenes Auto bauen. Große Investitionen in den Standort Faenza waren die Folge.

Kundenautos für Horner der "effektivste Weg"

"Wenn man sich die Kosten in der Formel 1 ansieht und dass man 500 Mitarbeiter benötigt, um überhaupt konkurrenzfähig zu sein, dann geht das in Wahrheit zu weit", überrascht Red-Bull-Teamchef Christian Horner, dessen Team oft vorgeworfen, Kostensenkungen in der Formel 1 zu blockieren.

"Wenn man die Angelegenheit rein aus der Kostenperspektive betrachtet, dann könnte man jede Menge Kosten sparen, indem man ein komplettes Auto oder einen Jahreswagen verkauft", zeigt er sich gegenüber Kundenautos nicht abgeneigt. "Das wäre zweifellos der effektivste Weg."

Brawn: Mehr standardisierte Teile richtiger Weg

Ihm ist aber bewusst, dass ein derartiges Reglement das Ende für die Formel 1 als Konstrukteurs-WM bedeuten würde: "Ob es der richtige Weg wäre, ist eine andere Frage, aber das ist etwas, dem wir als Sport offen gegenüber stehen sollten."

Mercedes-Teamchef Ross Brawn hält diesen Weg nicht für den richtigen. "Wir sind eher daran interessiert, die Basiskosten der Autos für alle Teams zu reduzieren", schlägt der Brite vor. "Und vielleicht sollten wir Wege finden, Teile freizugeben, die sich nicht auf die Performance auswirken." Er spielt auf Teile wie das Pedalsystem und die Lenksäule an. "Ich denke, in diesem Bereich könnten wir uns weiterentwickeln, ohne die DNA des Sports zu sehr zu beschädigen."

Mallya hält Kundenauto-Idee für Farce

Ein extremer Gegner von Kundenautos ist Force-India-Teamchef Vijay Mallya. Die indische Truppe mit Sitz in Silverstone hat in den vergangenen Jahren viel Geld dafür ausgegeben, um von McLaren in einer technischen Partnerschaft Know-how zu gewinnen und die Arbeitsprozesse effektiver zu machen. Mit Erfolg, wie der starke Saisonstart des finanzschwachen Teams bewiesen hat.

"Wir sind komplett dagegen, wenn es auch nur um das Konzept der Kundenautos geht", bestätigt Mallya. Er würde die Einführung der Kundenautos aus Gründen der Kostenreduzierung für eine Farce handeln, schließlich hätte man seiner Meinung nach längst Maßnahmen setzen können, damit die Kosten nicht aus dem Ruder laufen. "Aber in der Zeit, als die FOTA (Formula One Teams Association, Anm. d. Red.) noch funktioniert hat, haben sich einige große Teams dagegen gewehrt, die Kosten zu senken, was dafür sorgte, dass das gesamte Ressourcen-Restriktions-Abkommen gescheitert ist", spielt er vor allem auf Red Bull an. "Eine radikale Kundenauto-Lösung wäre absurd."

"Eine radikale Kundenauto-Lösung wäre absurd." Vijay Mallya

Er glaubt, dass eine derartige Regelung vor allem auf Kosten der kleinen Rennställe ginge, da diese ihre Einrichtungen dann nicht mehr benutzen könnten: "Was passiert mit den kleinen Teams, die Fabriken haben, die hunderte Mitarbeiter beschäftigen und in Wahrheit Firmen sind? Das kann man doch nicht alles wegwerfen, ein ein Jahr altes Auto von einem etablierten Team kaufen und dann Rennen fahren. Das beeinträchtigt die gesamte DNA der Formel 1 seit dem Tag, als alles begann."

Sauber: Kundenautos könnten Ende der Formel 1 besiegeln

Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn, deren Team mit ähnlichen finanziellen Problemen zu kämpfen, stimmt Mallya zu: "Unser Kerngeschäft im Motorsport seit über 40 Jahren ist es, Rennautos für unterschiedliche Serien zu bauen, also sind wir komplett gegen dieses Konzept, denn wir würden damit unser eigenes Geschäft ruinieren."

"Wir sind komplett gegen Kundenautos, denn wir würden damit unser eigenes Geschäft ruinieren." Monisha Kaltenborn

Sie würde sich eher eine Budget-Obergrenze wünschen, wie sie einst von Ex-FIA-Boss Max Mosley geplant war. Zudem wünscht sie sich etwas mehr Sensibilität bei Reglemententscheidungen: "Man sollte nicht in Geräte investieren müssen, wenn man genau weiß, dass diese in der kommenden Saison ohnehin verboten werden."

Boullier fordert sensiblere Lösung als Kundenautos

Ein Kundenauto-Reglement bezeichnet Kaltenborn als "gefährlich", denn sie befürchtet eine Kettenreaktion, die die Formel 1 zerstören könnte: "Wenn man vier Teams hat, die so viel Geld ausgeben können, aber manche nicht gewinnen und am Ende nur ein paar Punkte einfahren, dann könnten sie den Sport verlassen, denn alle fahren mit um zu gewinnen."

Lotus-Teamchef Eric Boullier, dessen Rennstall zwar zur Riege der großen Teams zählt aber trotzdem mit finanziellen Problemen kämpft, fordert wohlüberlegte Entscheidung, was das Thema Kostensenkung angeht. Die Kundenautos fallen seiner Meinung nach nicht darunter. "Wir müssen uns auf Maßnahmen einigen, also eine Budgetdeckelung oder etwas anderes, das auf dem Ressourcen-Restriktions-Abkommen basiert, denn am Ende kann man nicht einfach die Kosten senken, indem man den Windkanal oder irgendetwas anderes in der Fabrik abschaltet."

"Am Ende kann man nicht einfach die Kosten senken, indem man den Windkanal abschaltet." Eric Boullier

"Wir müssen einen Weg finden, ohne uns zu sehr in den Teams einzumischen. Eine andere Möglichkeit wäre, den Teams die Wahl zu lassen, was sie tun wollen, um Kosten zu senken, aber irgendwelche Regeln müssen her."