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  • 11.10.2013 13:36

  • von Dieter Rencken & Roman Wittemeier

Techniker meiden Diskussion um Kundenautos

Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen lebt die Diskussion um Kundenautos in der Formel 1 wieder auf: Techniker lehnen ab

(Motorsport-Total.com) - In der Formel 1 leiden vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen viele Teams unter akutem Mangel an dem nötigen Kleingeld. Für das kommende Jahr steht ein tiefgreifender Regelumbruch ins Haus. Damit verbunden ist die Einführung der neuen V6-Turbomotoren mit größerem Hybridsystem. Allein die Antriebe werden 2014 dreimal so viel kosten wie zuvor - und das, obwohl man in der Formel 1 auf der Suche nach Kosteneinsparungen ist.

Titel-Bild zur News: James Key, Pat Fry

Die hochrangigen Techniker der Formel 1 wollen keine Kundenautos Zoom

"Unser Team hat schon vor Jahren gesagt, dass man sich mit kleineren Veränderungen am aktuellen Triebwerk um den Verbrauch kümmern sollte, anstatt auf eine ganz neue Motorenformel zu setzen. Das hätte man den Fans gut darstellen können. Außerdem hätten wir nicht diese enormen Kosten", erklärt Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn. Die Schweizer Mannschaft wird 2014 über 20 Millionen Euro an Ferrari überweisen müssen. "Die Preise für die neuen Antriebe liegen im erwarteten Bereich. Es ist wohl ein fairer Preis."

"Wir halten es für falsch, nun wieder zu Zeiten zurückzukehren, wo die Kosten für einen Motor in der Formel 1 dermaßen hoch sind - wo wir doch gleichzeitig Wege suchen, wie wir die Kosten senken können", stellt Kaltenborn klar. "Es gibt Faktoren, die wir noch nicht einschätzen können. Wie viele Triebwerke werden wir im kommenden Jahr wirklich brauchen? Wie wird die Zuverlässigkeit sein? Solche Szenarien kann man in Verträgen regeln. Aber was passiert, wenn es noch schlimmer kommt? Das wissen wir nicht. Vielleicht ist es gar kein Problem. Vielleicht laufen die Triebwerke sehr zuverlässig. Aber das weiß noch niemand."

Teile kaufen: ja, ganze Autos: nein

"Die generelle Richtung ist nicht die richtige. Wir wussten das, wir haben das kommen sehen, aber wir haben es nicht verhindert", bringt die Österreicherin ihre Enttäuschung auf den Punkt. Nicht nur Sauber wird leiden, sondern unter anderem auch Williams, Marussia und Caterham. Welche Wege bieten sich also zur Kostensenkung in der Formel 1 an? Das viel diskutierte Resource-Restriction-Agreement (RRA) hat nicht die erhoffte Wirkung gezeigt. Also kommt nun wieder das Thema Kundenautos auf die Tagesordnung.

"Die Formel 1 muss die Spitze des Motorsports bleiben. Wir müssen zusehen, dass wir die technischen Ansprüche mit den finanziellen Voraussetzungen in Einklang bringen. Ein solches Bemühen gibt es", sagt McLaren-Geschäftsführer Jonathan Neale. "Kundenautos wären für Privatteams eine tolle Gelegenheit. Das gesamte Businessmodell würde sich aber dadurch verändern. Bevor wir einen solchen Weg gehen, sollten wir die Machbarkeit der verschiedenen Modelle erst einmal prüfen."

Luca di Montezemolo

Ein Fan von Kundenautos: Ferrari-Boss Luca di Montezemolo Zoom

"Technisch wäre das kein Problem für uns. Aber finanziell könnten da schon eher Hindernisse bestehen", meint der Brite. "Dass kleine Teams oder Neueinsteiger einige Teile von anderen beziehen können, ist sehr wichtig. Vor allem für potenzielle Investoren ist das wichtig, denn ohne dies schafft man es kaum, in kürzester Zeit wettbewerbsfähig zu sein. Es dauert seine Zeit, bis man alle Kompetenzen in einem Team vereint hat. Ohne diese Möglichkeit wäre es für neue Investoren nicht interessant."

Ingenieure suchen den Wettbewerb

"Aus Ingenieurssicht ist das recht einfach zu machen. Aber es geht um mehr. Es geht um die Frage, in welche Richtung sich unser Sport entwickeln sollte", argumentiert Ferrari-Technikchef Pat Fry. Der Brite erhält von zahlreichen namhaften Technikerkollegen Zustimmung. "In der Formel 1 gibt es eine Fahrerwertung und eine Konstrukteurswertung. Allein schon deshalb sollte es den Wettbewerb geben", stellt Red-Bull-Chefingenieur Paul Monaghan klar.

"Wir verkaufen gewisse Teile an andere Teams - im Rahmen dessen, was derzeit erlaubt ist. Damit helfen wir anderen Teams. Ich denke, dies ist der richtige Weg. Wenn man dies unter Zustimmung aller Teams etwas ausweiten könnte, dann wäre das gut", sagt Monaghan. "Ich denke, die Balance stimmt derzeit. Es ist richtig, dass man einige Dinge kaufen darf und andere nicht. Das ermöglicht es unseren Ingenieuren, eigene Teile zu designen, und nicht nur Produkte von anderen übernehmen zu müssen. Komplizierte Teile wie Getriebe und Hydraulikanlagen können wir kaufen, am Rest arbeiten wir selbst", sagt Marussia-Amtskollege Dave Greenwood.

"Mir würde der Betrieb eines gekauften Kundenautos nicht so viel Spaß machen wie der Betrieb eines eigenen", stellt Sauber-Ingenieur Tom McCollough dar, dass man als hochrangiger Techniker besondere Herausforderungen in der Formel 1 sucht. "Es ist schon okay, dass wir die komplizierten Teile kaufen können und die für Performance relevanten Teile selbst bauen müssen. Die Balance passt. Lasst uns Ingenieure an der Performance arbeiten - in den Windkanälen zusammen mit sehr talentierten Leuten."


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"Technisch wären Kundenautos kein Problem, aber es gibt eine emotionale Komponente darin", stimmt Toro-Rosso-Technikchef James Key zu. "Wir sind alle Wettbewerbstypen. Wir wollen die anderen Kerle schlagen. Ein Großteil dessen passiert über den Bau eines eigenen Autos. Toro Rosso ist eigenständig. Das wird oft missverstanden. Wir arbeiten überall dort mit Red Bull zusammen, wo wir es dürfen. Beispielsweise haben wir für das kommende Jahr den gleichen Antrieb gewählt. So etwas ist sinnvoll."