• 27.02.2008 17:14

  • von Roman Wittemeier

Kamps: "Timo hätte gern jetzt schon ein Weltmeisterauto"

Hans-Bernd Kamps im 'Motorsport-Total.com'-Exklusivinterview über die Erwartungen an seinen Schützling Timo Glock und dessen Weg in die Formel 1

(Motorsport-Total.com) - Timo Glock steht vor seiner ersten vollen Saison in der Formel 1. Mit dem Toyota-Team möchte der 25-Jährige endlich das schaffen, was seinem Vorgänger Ralf Schumacher jahrelang verwehrt blieb: der Schritt in Richtung Formel-1-Spitze. Im exklusiven 'Motorsport-Total.com'-Interview schildert Glock-Manager Hans-Bernd Kamps den steinigen Weg in die Königsklasse und die Erwartungen an den Toyota-Piloten.

Titel-Bild zur News: Timo Glock

Hans-Bernd Kamps und Timo Glock sind seit sieben Jahren ein Team

Frage: "Hans-Bernd Kamps, Sie arbeiten seit vielen Jahren mit Timo Glock zusammen. Jetzt endlich hat er es in die Formel 1 geschafft, allerdings auf einem außergewöhnlichen Weg. Während viele Nachwuchsfahrer schnurstracks über die Formel 3 und GP2 in die Königsklasse kommen, machte Timo unter anderem den Umweg über die ChampCar-Serie in den USA. Wie viel Durchhaltevermögen haben Sie auf diesem Weg gebraucht?"
Hans-Bernd Kamps: "Ich gehe jetzt nicht auf alle Ups and Downs ein, aber ich nenne einige Schlüsselmomente. Also der erste Schlüsselmoment war 2004. Wir waren in der Formel 1 und das war zu früh. Da waren wir beide noch grün hinter den Ohren, sowohl das Management als auch der Fahrer selbst. 2004 sage ich immer, da habe ich mehr gelernt als der Fahrer. Ich wusste aber eines, nämlich dass man hart dafür arbeiten muss und dass man das verstehen muss, was da läuft. Wir haben 2004 die Formel 1 einigermaßen verstanden, anscheinend auch besser als andere, und das ist immer wichtig. Aber uns war dann klar, dass wir etwas anderes machen mussten."

Frage: "Wenn Sie doch die Formel 1 schon halbwegs verstanden hatten, woran mangelte es denn zu diesem Zeitpunkt noch?"
Kamps: "Also wir haben gemerkt, dass Timo mehr technisches Verständnis, auch technisches Englisch braucht, und er brauchte Rennen, wo er gewinnen kann und wo er fighten kann, und da kam uns die ChampCar-Serie in den USA ganz recht. Dort hat er gelernt, Fahrzeuge zu entwickeln. Er konnte das vorher auch, aber er wusste noch nicht, wie er es umsetzt und wie er sich durchsetzt. Da hat er auch technisches Englisch gelernt und er hat gelernt, mit den Paul Tracys dieser Welt umzugehen."

"In den USA hat er gelernt, mit den Paul Tracys dieser Welt umzugehen." Hans-Bernd Kamps

Harte Schule ChampCar

Frage: "Was bedeutet das?"
Kamps: "Das hat uns in dem Jahr ganz stolz gemacht, dass an einer Stelle Mitte der Saison Paul Tracy zu ihn kam, ihm die Hand reichte und gesagt hat: 'Welcome!' Vorher ist er ihm mal ins Auto gefahren und da hat der noch gesagt: 'Was will der eigentlich hier?' Doch dann hat Timo sich einfach mit Leistung und Willenskraft Respekt verschafft - mit gewissen Fahrsituationen, wo es dann ein wenig heikel wurde, aber auch mit fahrerischer Qualität. Somit war er dann bei den amerikanischen Fahrern willkommen, und das ist schon was."

Frage: "Wenn er sich so schnell in den USA etabliert hat, warum dann der schnelle Weg zurück nach Europa?"
Kamps: "Man wollte ihn auch dort behalten, aber wir haben uns für die Rückkehr nach Europa entschieden, um den Formel-1-Weg weiter zu gehen. Dann kam GP2, aber leider Gottes mit einem falschen Team. Das war eine Fehlentscheidung, die wir gemeinsam getroffen hatten, aber wir haben dann auch gemeinsam Mitte der Saison den Mut gefasst, das Team zu wechseln, was tatsächlich eines der schwierigsten Dinge überhaupt war, sowohl von den vertraglichen Dingen als auch von den finanziellen Sachen, die damit zusammenhingen. Beide Seiten haben sich fair verhalten und den Weg frei gemacht."

Teamwechsel als Schlüssel zum Erfolg

Frage: "Aber dann kam der entscheidende, wie auch mutige Schritt zu iSport. Was hat dort den Unterschied ausgemacht?"
Kamps: "Das Schöne war, dass wir zu einem Team kamen, das extrem an Timo geglaubt hat. Und iSport-Teamchef Paul Jackson hat mit Timo etwas aufgebaut, was beiden Seiten geholfen hat, nämlich ein extrem akribisches Arbeiten am Rennsetup der Fahrzeuge, auch immer mit Blick auf die Renndistanz. Und davon kam dann auch die Dominanz. Timo ist ein Racer. Parallel dazu hat er noch sein Qualifying verbessert, indem er auch viel mit dem Go-Kart trainiert hat und dabei mit seinem ehemaligen Go-Kart-Schrauber da einen Topjob gemacht hat."

"Timo ist ein Racer." Hans-Bernd Kamps

Frage: "Die GP2-Mühen wurden dann ja nach harten Rennen mit auch einigen Rückschlägen immer mehr durch Erfolge belohnt. Wann ist dann der Kontakt zu Toyota entstanden?"
Kamps: "Mitte vergangenen Jahres kam die Aufmerksamkeit von Toyota auf Timo, das war etwa im Mai oder Juni. Da gab es dann die ersten Gespräche, parallel dazu liefen auch noch andere sehr interessante Gespräche, oder genauer gesagt interessierte Gespräche. Ich bin sehr froh darüber, sagen zu können: Die Kontakte sind zu uns gekommen. Also andere sind auf das Produkt aufmerksam geworden, und ich glaube, dann kann man besser agieren. Wir konnten einfach schauen, wo wir am besten platziert sind. Die Wahl fiel ganz früh auf Toyota. John Howett hat auch am meisten an Timo geglaubt und der hat sich sehr intensiv in seinem Unternehmen dafür eingesetzt."

Keine Zeit zum Feiern

Frage: "Als der Moment gekommen war und der Vertrag endgültig unter Dach und Fach war, was haben Timo und Sie gemacht?"
Kamps: "Wir haben festgelegt, dass wir mal in eine ganz normale Bahnhofskneipe gehen und ein paar Bier trinken (lacht; Anm. d. Red.). Wir haben das bis heute nicht durchziehen können, weil der Fahrplan ist schon hart. Timo hat in diesem Jahr extrem viel auf dem Programm gehabt, er hat ganz viele Tage getestet und es gab viele Dinge drumherum. Auch die Geschichte mit der Vertragsauflösung bei BMW und die Vertragsgestaltung bei Toyota hat schon ein bisschen mehr Zeit gekostet. Deswegen haben wir dann eine Weihnachtsfeier daraus gemacht. Wir haben einfach hier mit den Leuten von tolimit, mit Freunden und dem Team iSport dann eine wunderbare Party gefeiert und haben uns da belohnt. Letztendlich war der Moment, als wir endgültig drin waren, eine wirkliche Bestätigung."

Timo Glock

Am Ziel der Träume: Timo Glock hat seinen Toyota-Vertrag in der Tasche Zoom

Frage: "Sie haben gerade die viele Arbeit und das Testen angesprochen. Welchen Eindruck haben Sie denn jetzt von Timo und seinem Team mit Blick auf den Saisonstart?"
Kamps: "Ich bin der geduldige Stratege, der in die Zukunft schaut, und insofern haben wir ein Dreijahresprojekt mit Toyota aufgestellt, und dieses Projekt halte ich nach wie vor für realistisch und für gut. Man darf jetzt im ersten Jahr nicht damit rechnen, dass Berge versetzt werden, aber was schon bewegt worden ist, ist dass das Team mit Timo und auch Timo mit dem Team extrem produktiv zusammenarbeitet. Die lernen beide dazu und es gibt eine gewisse Vernetzung, die wichtig ist. Toyota hat eine riesige Infrastruktur und ist nicht umsonst der größte Automobilhersteller der Welt - die haben Potenziale, die kennt kaum einer. Diese Potenziale gilt es einfach zusammenzusetzen, und dabei ist Timo ein Rädchen im Getriebe. Dieses Rädchen ist im Moment ein sehr bedeutendes, und in der Zukunft kann sich dieses Rädchen immer darauf konzentrieren, in den Rennen und in den Trainings einen guten Job zu machen. Im Moment ist es aber ganz entscheidend, in der Entwicklung mitzuarbeiten."

Konstante Entwicklung in der Formel 1

Frage: "Sie haben von dem Dreijahresplan bei Toyota gesprochen. Hat man in der Formel 1, die so extrem in der Öffentlichkeit und bei Misserfolg entsprechend in der Kritik steht, wirklich drei Jahre Zeit, so etwas zu verwirklichen?"
Kamps: "Klar. Es hängt einfach davon ab, ob man zeigt, dass der Weg wirklich beschritten wird. Also nehmen wir mal den Weg, den Timo genommen hat. Wenn man sagt, hat man sieben Jahre Zeit, jemanden in der Formel 1 zu installieren? Wenn man sich die Zeit nimmt, dann ja. Da muss aber jeder mitspielen und da müssen Sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit der richtigen Darstellung sein. Wenn Toyota dieses Jahr beweist, dass sie mit den Fahrern zusammen das richtige Pakte auf die Beine gestellt haben und die Zukunftsperspektiven erreicht werden, also man einfach eine Steigerung sieht, dann ist das völlig okay."

Aus alten Zeiten: Timo Glocks Formel BMW aus dem Jahr 2000 Zoom

Frage: "Was wird denn in Timos erstem Jahr drin sein?"
Kamps: "Die letzten Barcelona-Tests jetzt sind schon noch entscheidend, weil anderen musst du ja auch in die Karten gucken. Ich weiß nicht, wie gut die Konkurrenten wirklich sind, aber ich weiß, welche Steigerungspotenziale Toyota jetzt schon genutzt und aktiviert hat und welche da noch drin sind. Also Toyota hat über das Jahr gesehen extremes Entwicklungspotenzial. Über das Jahr gesehen glaube ich, dass was die Potenziale und Entwicklungen anbelangt, Toyota zu den Besten gehören wird. Man darf nicht vergessen: Timo, Toyota, neues Auto, neue Mitarbeiter im Hintergrund - das läuft erst seit Anfang Januar, das sind noch nicht einmal zwei Monate. Timo ist ein Ungeduldiger und ich weiß, dass er eigentlich jetzt schon gern das Weltmeisterauto hätte, aber Timo ist auch jemand, den man immer wieder auf die Basis bringen kann, indem man sagt: harte Arbeit, nicht auf zwei Monate beschränkt, sondern auf drei Jahre."

Neue Aufgaben für den Schützling

Frage: "Nun beerbt Timo einen deutschen Piloten bei Toyota, nämlich Ralf Schumacher. Ist das eher ein Problem oder eine dankbare Situation?"
Kamps: "Ach, was heißt das schon, wenn jemand den Job eines anderen übernimmt? Er ist zwar jetzt halt zufällig auch Deutscher. Ich glaube, viel entscheidender ist, dass es in der Zusammenarbeit passt, dass zu der Zeit die Arbeitsmentalität da ist, die auch gewünscht wird. Also wenn Ralf Schumacher als klar guter Fahrer dargestellt wird, ist das unumstritten. Aber wie seine Arbeitsweise ist, kann ich nicht beurteilen, weil ich nicht dabei war. Es wäre vermessen zu sagen: 'Er kann nicht, weil...' Oder: 'Es hat nicht funktioniert, weil...' Vielleicht war das Team auch falsch aufgestellt, um diese Arbeitsweise aufzunehmen. Ich weiß nur so viel, dass momentan die Arbeitsweise von Timo und Toyota nach den Aussagen von Toyota in dieser Situation besser zusammenpasst."

"Die Arbeitsweisen von Timo und Toyota passen besser zusammen." Hans-Bernd Kamps

Frage: "Wie äußert sich Timo selbst denn zurzeit? Fühlt er sich rundum wohl in dem Job, den er jetzt macht?"
Kamps: "Von der Arbeitsweise und den Menschen, mit denen er zu tun hat, fühlt er sich wohl. Rundum wohl fühlt er sich erst, wenn er Rennen gewinnt oder auf dem Podium ist, und das ist auch normal für einen Rennfahrer. Das bedeutet, er wird so lange an seinem Wohlbefinden arbeiten, bis das Auto und das Team und er als Team siegfähig sind.

Frage: "Meinen Sie, dass es in der Karriere von Timo einen Punkt geben könnte, an dem Sie auch als Manager mit Ihrem Unternehmen sagen: Jetzt wir haben alles erreicht!"
Kamps: "Nö, nö, das wird es nie geben. Was haben wir denn erreicht? Wir haben jetzt erreicht, dass wir in einem Topteam in der Formel 1 fahren. Wenn man sich keine Ziele setzt und an interessanten Dingen arbeitet, dann macht es keinen Spaß. Da auf einem Bänkchen zu sitzen und zurückzuschauen auf das, was man alles Tolles gemacht hat, das ist nicht unsere Mentalität. Unsere Mentalität ist nach vorne gucken, neu entwickeln, erfinden, ein bisschen herumspinnen, über den Tellerrand schauen und einfach etwas anders zu sein als andere."

Glocks Weg als Vorbild

Frage: "Jetzt haben Sie einen Mann wie Timo Glock in die Formel 1 gebracht. Gibt es viele Anfragen von Nachwuchsfahrern, die kommen und sagen: Hey, so einen Weg möchte ich mit euch auch beschreiten!"
Kamps: "Ja, die Nachfragen sind teilweise auch ernst zu nehmen, andere sind nicht ernsthaft genug. Timo und sein Vater haben drei Anläufe gemacht, bis sie Gehör gefunden haben. Das soll nicht arrogant klingen, dass ich nicht mit denen reden wollte. Ich bin kein Manager, sondern ich bin ein Unternehmer, der sensationell gute Mitarbeiter um sich herum schart und mit denen etwas erreicht hat. Und wir haben uns dann irgendwann gesagt, wir wollen uns da mal heranwagen, eine Person zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu installieren. Nebenbei gesagt ist die Familie Glock auch sehr sympathisch rübergekommen - es sind Menschen. Und wir sind menschenorientiert, insofern passte das alles zusammen: Die Situation hat gepasst, der Moment hat gepasst, die Ausrichtung hat gepasst, wir haben zusammengepasst und deswegen haben wir das Thema angenommen. Das sind Dinge, wo viele Komponenten zusammenkommen müssen."

"Familie Glock ist sehr sympathisch rübergekommen." Hans-Bernd Kamps

Frage: "Eine letzte Frage: Nehmen wir mal an, wir sitzen uns in drei Jahren wieder genauso gegenüber. Was würden Sie mir gern für Highlights aus Timos vergangenen drei Jahren erzählen und berichten?"
Kamps: "Erstens: Wenn es einfach gewesen wäre, hätte es jeder gekonnt. Zweitens: Wir haben das erreicht, was wir auf dem Papier stehen und ausgesagt hatten. Drittens: Wir sind nicht von jenen, von denen wir überzeugt waren, enttäuscht worden, weil die Menschen, die an uns geglaubt haben, sind immer noch da - und es funktioniert immer noch genauso."