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Interview mit TMG-Präsident John Howett
Der Präsident des Toyota-Teams über seinen Werdegang und die Philosophie hinter dem Formel-1-Projekt des japanischen Konzerns
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Wie bist du nach deinem Abschluss am Loughborough College of Technology zu Toyota gekommen?"
John Howett: "Ich habe eine Anzeige gesehen. Zu dem Zeitpunkt habe ich in London in einer großen Händlergruppe gearbeitet, aber ich wollte in die Produktion wechseln. Die Industrie war damals in England nicht gerade auf der Höhe, also habe ich mich auf das Inserat hin bei Toyota Großbritannien beworben. Zuerst dachte ich, das würde nur ein vorübergehender Job sein, aber jetzt bin ich auch 25 Jahre später noch ein Toyota-Mann!"

© Toyota
TMG-Präsident John Howett ist seit letztem Jahr Chef in Köln-Marsdorf
Frage: "Dein Arbeitsverhältnis mit Ove Andersson reicht lange zurück, nicht wahr?"
Howett: "Das kann man sicher so sagen. 1977 haben wir in England einen Toyota Celica für Hannu Mikkola eingesetzt. Toyota Großbritannien hat damals die Britische Rallyemeisterschaft bestritten und das Ziel war, eventuell die RAC-Rallye zu gewinnen. Wir hatten nur zwei Leute für das Auto, nur bei großen Rennen waren wir zu viert. Seither haben sich die Dinge sehr verändert. Ich habe mich 1977 um das Auto gekümmert und wurde vom Toyota Team Europe unterstützt, das damals seinen Sitz noch in Brüssel hatte. Sie haben mir dann einen Job angeboten, also bin ich nach Belgien gezogen, ehe wir 1979 nach Köln übersiedelt sind. Danach bin ich wieder zu Toyota Großbritannien zurückgekehrt, diesmal in den Verkauf, und dann ging ich zu Toyota Motor Europe. Ich war auch dort im Verkauf tätig, aber mein Schwerpunkt lag eher im Marketing. Ich hatte mit der Yaris-Präsentation zu tun und dann mit dem Verkauf und Marketing von Lexus in Europa, ehe ich überhaupt den gesamten Verkauf leiten durfte. Letztes Jahr kam ich dann als Präsident von Toyota Motorsport nach Köln zum Formel-1-Programm."
Howett arbeitet in der Fabrik, Andersson ist Chef vor Ort
Frage: "Kann man sagen, dass deine Aufgabe die Arbeit in der Fabrik ist, während sich Ove Andersson auf das Geschehen auf der Rennstrecke konzentriert?"
Howett: "Ja, das ist korrekt. Dadurch, dass ich mich auf das Tagesgeschäft in der Fabrik konzentriere, hat Ove mehr Zeit für die rennsportliche Seite an der Strecke. Gleichzeitig ist das, was wir in der Fabrik anstellen, aber entscheidend für die Leistungen auf der Rennstrecke, also komme ich schon zu einigen Rennen, damit ich mir ein Bild davon machen kann, was wir in Sachen Entwicklung oder Qualitätskontrolle in Köln verbessern müssen."
Frage: "In anderen Worten verfolgst du die Toyota-Philosophie 'Genchi Gembutsu', die so viel bedeutet wie an die Quelle zu gehen und dort zu lernen, richtig?"
Howett: "Absolut. Ich verbringe viel Zeit damit, in der Fabrik in Köln herumzugehen, weil ich der Meinung bin, dass Planung und Kommunikation gerade in dem Umfeld, wo alles ? Motor, Chassis und ein Team von 550 Leuten ? entwickelt und gebaut wird, am wichtigsten ist. Die Pläne zwischen allen Arbeitsgruppen unserer 550 Leute zu kommunizieren, ist eine sehr schwierige Aufgabe. Die ganze Gruppe muss verstehen, wo die Prioritäten liegen und worauf sie sich konzentrieren sollten."
Beste Philosophie, alles unter einem Dach zu bauen?
Frage: "Ist es die beste Philosophie, das gesamte Auto unter einem Dach zu bauen?"
Howett: "Ohne Zweifel ist es der beste Weg, das gesamte Auto und das gesamte Team unter einem Dach entstehen zu lassen. Dadurch können wir schneller reagieren und gemeinsam einen Teamgeist aufbauen. Allerdings dauert das eine Weile, denn wir haben Leute mit verschiedenem Hintergrund bei uns. Langsam merkt man, dass sich alles auf ein Ziel bündelt und dass alle daran arbeiten, um dieses Ziel zu erreichen. Bei jeder Aktivität hat meine eine Gruppe, die an einer Sache arbeitet, und eine andere Gruppe, die an einer anderen Sache arbeitet. Das alles isoliert zu betrachten, ist keine große Schwierigkeit, aber wir müssen das Ganze sehen. Totale Kommunikation ist lebenswichtig. Das ist womöglich nicht großartig anders als bei anderen Organisationen. Alle großen Firmen sitzen im selben Boot, aber der Vorteil von Toyota ist die Leidenschaft, die die Leute in dieses Projekt investieren. Die Motivation am Leben zu erhalten, ist nicht so schwierig, aber wir müssen uns auch die Leidenschaft bewahren."
Frage: "Wie ist dein Eindruck von dem, was bisher erreicht wurde?"
Howett: "Ich bin ungemein beeindruckt davon, was in so kurzer Zeit erreicht werden konnte. Das ist erst unser zweites Jahr und wir haben schon viel gelernt. Wir machen noch immer Fortschritte und unser aktuelles Auto ist eine gute Basis für zukünftige Weiterentwicklungen. Wenn wir es hinbekommen, ist der TF103 ein sehr konkurrenzfähiger Rennwagen, aber uns fehlt noch die Erfahrung, um die Performance bei allen Bedingungen zu optimieren."
Toyota-Team noch nicht so erfahren wie die Konkurrenz
Frage: "Ist es schwierig, mit dem neuen Reglement den Job an der Rennstrecke ideal hinzubekommen?"
Howett: "Die Regeln stellen sicher eine Extra-Herausforderung für uns dar und es ist nicht einfach, weil wir noch kein Team sind, das seit fünf oder zehn Jahren zusammen ist, weshalb eine Trainingsstunde am Freitag vor dem Qualifying ein bisschen wenig zu sein scheint. Der Samstag ist entspannter, auch wenn das vielleicht nicht das richtige Wort ist. Wenn wir die Pace nicht haben, herrscht im Team Stress und Druck vor. Ich sehe aber viele positive Dinge. Wir reagieren langsam immer schneller und arbeiten immer effektiver, weshalb wir das Auto in kürzerer Zeit schnell machen können."
Frage: "Wie beurteilst du die bisherigen Rennen?"
Howett: "In Australien und Malaysia hatten wir eine gute Pace und in Brasilien war Olivier sogar Schnellster im Warm-Up, aber im Regen hatten wir dann Probleme, das Setup ideal hinzubekommen. Das hängt mit der Erfahrung zusammen. Imola war eine schwierige Herausforderung, weil man dort über die Randsteine fahren muss, aber ich denke, wir sind auch in dem Bereich viel besser als noch vor einem Jahr. An den ersten beiden Tagen in Imola hat das Team einen großartigen Job gemacht und die Pace halbwegs hingekriegt, aber das Rennen war dann eher enttäuschend. Spanien war eine ganz andere Geschichte. Wir haben immer wieder den Speed aufblitzen lassen. Cristiano war Vierter am Freitag, Olivier holte sich den Sechsten Startplatz und im Rennen wurde dann Cristiano Sechster und er holte damit Punkte. Die waren eine schöne Belohnung für das gesamte Team, aber ohne uns auf unseren Lorbeeren ausruhen zu wollen, erwarten wir im Verlauf der Saison noch weitere gute Resultate."
"Ich genieße es mehr, wenn ich mittendrin bin"
Frage: "Warst du schon immer Formel-1-Fan?"
Howett: "Ja, aber ich genieße es mehr, wenn ich mittendrin bin. Es ist auch als Zuschauer interessant, aber wirklich faszinieren wird es, wenn du dabei bist und dort arbeiten kannst. Das geht bis in meine Rallye-Tage zurück. Ich habe früher auch bei Ralt gearbeitet, die Formel-3-Renner einfach an Abenden und Wochenenden zusammengeschraubt."
Frage: "Wie schätzt du den Erfolg des Formel-1-Programms für das Marketing ein?"
Howett: "Im Moment ist es noch zu früh, um dazu etwas zu sagen, aber die Zukunft wird zeigen, ob sich am Markenbewusstsein oder an der Markensympathie etwas geändert hat oder ob sich das Image von Toyota verändert. Es gibt auch viele nicht greifbare Vorzüge dieses Projekts und je besser wir abschneiden, desto besser ist es für den gesamten Konzern. Man muss sich auch die interne Motivation anschauen und von meinem letzten Jahr bei TMME kann ich sagen, dass viele Mitarbeiter stolz sind auf das Formel-1-Team. Die Händler sind sehr erfreut darüber und die Kunden natürlich auch."
Frage: "Glaubst du, dass ihr gewinnen müsst? Oder reicht es, nur in der Formel 1 zu sein?"
Howett: "Ich glaube, wir müssen gewinnen. Toyota konzentriert sich immer auf eine Aufgabe und gibt nicht auf, bevor sie nicht erfolgreich gemeistert werden konnte. Ich glaube daran, dass wir gewinnen werden, aber die Frage ist eher, wann es uns gelingt. Man muss ehrlich sein und sagen, dass unsere Vorgehensweise anders ist als die anderer Teams. Wir kaufen nicht einfach eine Motorenfirma und kleben unsere Sticker auf die Triebwerke, wir gehen nicht zu einem Top-Team für ein bisschen Werbung und bemühen uns um eine für uns positive Namensgebung des Teams. Wir gehen den schwierigen und richtigen Weg und bauen alles aus dem Nichts auf. Das ist typisch für Toyota. Hoffentlich werden die Leute verstehen, worum es Toyota als Firma geht, denn dann werden sie erkennen, dass wir großartige Autos bauen. Das ist der Geist von Toyota."

