• 07.11.2001 12:49

  • von Marcus Kollmann

Insider: Renault 2002 mit perfektem Motor

Ein langjähriger Begleiter des Benetton-Teams spricht über die Strategie von Renault, die Probleme mit dem RS21 und B201

(Motorsport-Total.com) - Der japanische Motorsport-Journalist Tetsuo Tugawa, der selbst 18 Jahre in diversen Teams arbeitete und vor seinem Berufswechsel vier Jahre für das Benetton-Team arbeitete, hat sich in seinem Resümee über die Saison 2001 der Strategie hinter Renaults gewagtem Motorenkonzept und den anfänglichen Problemen des mit 111 Grad Zylinderwinkel als radikalen und revolutionär beschriebenen Motorkonzepts gewidmet.

Titel-Bild zur News: Giancarlo Fisichella (Benetton-Renault)

Fisichella konnte mit dem verbesserten B201 in Belgien aufs Podium fahren

Während das Benetton-Renault-Team auf Grund der zu Saisonbeginn mangelhaften Standfestigkeit des Motors und der enttäuschenden Leistungsfähigkeit eine Menge Spott und Hohn einstecken musste, verteidigte Tugawa den neu eingeschlagenen Weg des französischen Autoherstellers, um schnellstmöglich in der Königsklasse wieder vorne mitmischen zu können.

Kritik an Renaults radikalem Motorenkonzept unberechtigt
"Einige Leute haben nach den anfänglichen Problemen Renault vorgeschlagen, dass man doch besser mit einem modifizierten Supertech-Motor fahren hätte sollen, anstatt den offensichtlich noch unfertigen RS21 einzusetzen. Aber um mit Saisonbeginn 2002 konkurrenzfähig zu sein, wenn Renault sich als Werksteam dem Wettkampf stellen wird, wählte man eine andere Taktik", erklärte der 42 Jahre alte Japaner.

"Renault hat die Saison 2001 als Lehrjahr genutzt, um die Schwachstellen aufzuspüren und um im kommenden Jahr einen perfekten Motor ins Rennen schicken zu können. In der Formel 1 haben viele Teams die Trial-and-Error-Methode benutzt, um ein gutes Auto zu entwickeln", verteidigte der Japaner, der die Entwicklungen des Benetton Rennstalls seit über einem Jahrzehnt verfolgt, den dieses Jahr gegangenen Weg.

Um aber auf ganzer Linie erfolgreich zu sein, bedarf es nicht nur eines leistungsfähigen, standfesten Motors, eines guten Chassis und schneller Fahrer, sondern eines insgesamt perfekt organisierten und aufeinander abgestimmten Teams. Ferrari lebt den anderen Rennställen seit Jahren erfolgreich vor, wie man durch eine gute Struktur und Organisation eine harmonische Zusammenarbeit auf dem menschlichen Sektor in Vorsprung von Hundertstel- und Zehntelsekunden auf der Rennstrecke umsetzt.

Um Renault zukünftig zu einer ernsthaften Gefahr der jetzigen Top-Teams zu machen, holte sich der Autohersteller in Form von Flavio Briatore und Mike Gascoyne in der Formel 1 erfahrene Entscheidungsträger in die eigenen Reihen und gab diesen in dieser Saison eine Menge Freiheiten und Ressourcen an die Hand.

Zählte der B201 zu Saisonbeginn wegen seines anfälligen Motors und seiner allgemeinen Performance zu den schlechtesten Autos im Feld, so wandelte sich zu Saisonmitte langsam das Bild und zum Ende des Jahres gelangen dem Team aus Enstone einige Achtungserfolge.

Verbesserungen in allen Bereichen steigerten die Konkurrenzfähigkeit
Laut der Meinung von Tugawa bediente sich der Benetton-Rennstall einer in der Formel 1 weit verbreiteten Methode, um die eigene Konkurrenzfähigkeit zu steigern. So studierte man intensiv die Stärken des in seiner Kombination aus Chassis und Motor her besten Autos, inwiefern man dort umgesetzte Ideen auf den B201 anwenden konnte. Als Resultat folgten zahlreiche Upgrades des Aerodynamikpaketes in Form neu geformter Flügel und einer verbesserten Luftkühlung des Motors. Offensichtlich orientierte man sich größtenteils am Ferrari F2001, was die zum Ende des Jahres zum Einsatz gekommenen Frontflügel zeigten.

"Das größte Problem des RS21, mit dem angenommenen Zylinderwinkel von 111 Grad, war die Zuverlässigkeit. Während diese in der ersten Saisonhälfte am schlechtesten war, so konnte man beim Belgien-Grand-Prix einen großen Fortschritt wahrnehmen. Durch die geänderten Flügel, zusätzliche Mini-Flügel und einer besseren Kühlung, wurde nicht nur die Aerodynamik besser, sondern auch der Motor standfester. Zum Ende hin konnte das Benetton-Team die gleichen Drehzahlen einsetzen wie die konkurrenzfähigen Teams."

"Die Motorenschäden, welche durch Überhitzungsprobleme hervorgerufen wurden, bekam man durch Modifikationen und den Einsatz verbesserter Schmierstoffe und Kühlungen in den Griff. Daraus resultierte dann die zuletzt demonstrierte Leistungsfähigkeit", verriet Tetsuo Tugawa weiter.

Der Japaner ist überzeugt, dass Renault ganz bewusst eine schlechte Saison, in welcher man am Ende mit 10 WM-Punkten immerhin den siebten Rang der Konstrukteurweltmeisterschaft erreichte, in Kauf nahm, um sich in seinem ersten Jahr als Werksteam bereits stark präsentieren zu können.

"Renault hat sich für einen schwierigeren Weg entschieden, indem man nicht mehr nur den Motor liefern wollte, sondern Benetton übernahm und sich so auch der Entwicklung des Chassis verschrieb. Ford und Toyota sind den gleichen Weg gegangen. Ich denke derzeit verläuft alles nach Plan", schloss der Japaner seine Beurteilung in Erwartung eines von Melbourne 2002 an starken Renault-Teams ab.