Hülkenberg: "Habe mehr erwartet"

Nur zwei Punkte hat Nico Hülkenberg in der ersten Saisonhälfte eingefahren - Im Interview analysiert der Rookie seine Situation

(Motorsport-Total.com) - Mit vielen Vorschußlorbeeren ist Nico Hülkenberg in die Formel 1 eingestiegen. In elf Rennen hat der Williams-Pilot aber nur zwei Punkte geholt. Bisher konnte der Deutsche seinen routinierten Teamkollegen Rubens Barrichello nicht regelmäßig schlagen. Im Interview analysiert Hülkenberg seine Situation.

Titel-Bild zur News: Nico Hülkenberg

Williams-Pilot Nico Hülkenberg ist mit seiner Saison nicht komplett zufrieden

Frage: "Im vergangenen Jahr hast Du auf dem Hungaroring in der GP2-Serie gewonnen. Was kannst Du davon in die Formel 1 mitnehmen?"
Nico Hülkenberg: "Natürlich ist es schön mit positiven Erinnerungen an eine Strecke zu kommen. Ich mag Ungarn und diesen Kurs. Hoffentlich haben wir ein starkes Wochenende."#w1#

Frage: "Passt die Streckencharakteristik zu Deinem Williams?"
Hülkenberg: "Das Team stellt das Auto hier immer mit maximalem Abtrieb ein, denn es gibt hier nur mittelschnelle und langsame Kurven und nur zwei schnelle. Es gibt nur eine Gerade, also versucht jedes Team soviel Abtrieb zu finden, wie nur möglich. Anpressdruck ist der Schlüssel zu einer guten Rundenzeit. In Valencia, wo wir gut waren, gab es viele langsame Kurven. Aber auch in Silverstone bei hoher Geschwindigkeit waren wir dabei. Wir haben das Auto definitiv verbessert."

"Wir können wie in Hockenheim ins Q3 kommen. Wir müssen diese Ausgangsposition dann auch in ein gutes Rennresultat umsetzen. Wir brauchen einen guten Start und müssen alles auf die Reihe bringen. Wäre uns in Hockenheim ein guter Start gelungen, wären wir vor den beiden Mercedes geblieben. Wir hatten das Tempo für Punkte, aber leider war alles nach den ersten Metern verloren."

Frage: "Was gab es zuletzt für Probleme beim Start?"
Hülkenberg: "Das ist technisch bedingt. Es liegt beim Zusammenspiel zwischen der Kupplung, dem Motor und der Getriebeübersetzung. Man muss vor Jahresbeginn mehrere Getriebeübersetzungen homologieren. Leider haben wir nicht den perfekten ersten Gang für den Start. Es gibt eine kurze und eine lange Version, die beide nicht ideal sind. Wir bräuchten etwas dazwischen. Manchmal geht es gut, dann wieder nicht. In Hockenheim war das Grip-Niveau meinem Gefühl nach sehr hoch. Deshalb hatten wir dort Probleme."

Frage: "Hat Dir das Team erklärt, warum sie dich in Hockenheim so lange draußen gelassen haben?"
Hülkenberg: "Es gab eine Phase, als ich über Funk gemeldet habe, dass die Reifen tot sind. Aber meine Runden haben sich wieder stabilisiert. Zu diesem Zeitpunkt war mein Tempo im Vergleich zur Konkurrenz gut. Dann hatte ich aber wieder ein paar schwache Runden und habe gehofft, dass sich die weichen Reifen wieder erfangen. Leider passierte das nicht und wir haben ein paar Runden zu spät gewechselt."


Fotos: Großer Preis von Ungarn, Pre-Events


Frage: "Trotzdem war die Reifensituation in Hockenheim nicht so schlimm, wie erwartet. Es war doch klar besser als in Montréal?"
Hülkenberg: "Kanada ist einfach eine einzigartige Strecke. Dort gibt es keinen Grip, weshalb die Reifen körnten. In Hockenheim und auf anderen Strecken werden viele Rennen ausgetragen, deswegen gibt es mehr Grip. Es gab also keine großen Probleme."

Frage: "Wie weit ist Williams mit dem angeblasenen Diffusor?"
Hülkenberg: "Wir verwenden ihn seit Silverstone. Es ist immer noch dasselbe System. Ich glaube nicht, dass es da noch mehr Entwicklung geben wird. Wir hatten keine Probleme und sind mit der Leistung zufrieden."

Nico Hülkenberg

Nico Hülkenberg verpasste bei seinem Heimrennen die Punkterängge Zoom

Frage: "Es waren viele Zuschauer in Hockenheim. Kannst Du eine besondere Geschichte über deine Fans erzählen?"
Hülkenberg: "Wenn du in der Früh das Hotel verlässt, oder am Abend zurückkommst, warten immer viele Fans auf einen. Sie wollen Autogramme und Fotos machen. Vor der Rennstrecke blockieren manche dein Auto und feuern dich an. Ich habe Fans mit meinen T-Shirts gesehen. Es war sehr schön, das zum ersten Mal zu erleben. Es ist toll, dass die deutschen Fans diesen Sport so enthusiastisch verfolgen."

Frage: "Es wurde viel über die Stallorder bei Ferrari gesprochen. Viele Fans sehen die Formel 1 nicht als Teamsport, sondern als Fahrermeisterschaft. Wie siehst Du das in deiner ersten Saison?"
Hülkenberg: "Man muss verstehen warum Ferrari das getan hat. Ich denke ich würde in der gleichen Situation auch so handeln. Es macht Sinn. Sie haben immer noch die Chance Weltmeister zu werden. Fernando Alonso hat viele Punkte mehr, weshalb sie auf ihn setzen müssen. Teamorder ist aber verboten, was die Situation schwierig macht. Wahrscheinlich ist es das Beste, wenn man das Verbot aufhebt und es den Teams überlässt, was sie tun wollen."

Frage: "Also ist die Formel 1 ein Teamsport?"
Hülkenberg: "Ja ist es, aber Fahrer haben große Egos. Man kann über das Thema ewig diskutieren und wird keine magische Lösung finden."

Saison nicht optimal gelaufen

Frage: "Wie schätzt Du die erste Saisonhälfte deines Debüt-Jahres ein?"
Hülkenberg: "Ich fühle mich während eines Wochenendes jetzt viel komfortabler als im ersten Rennen. Ich bin konstanter geworden. Zwei Punkte sind zwar nicht viel, aber ich bin im Qualifying konstant. Ich denke ich habe gute Fortschritte gemacht."

Frage: "Bist du im allgemeinen zufrieden?"
Hülkenberg: "Nicht wirklich. Wir haben sicher mehr vom Auto erwartet. Es ist trotzdem gut zu sehen, dass wir vom hinteren Mittelfeld wieder weiter nach vorne gekommen sind und um Punkte kämpfen können. Ich habe gehofft nach elf Rennen mehr als zwei Punkte zu haben. Man hat natürlich immer seine Hoffnungen und Wünsche, aber man muss das dann auch realistisch betrachten. Natürlich gab es Möglichkeiten, um noch mehr Zähler zu holen. So ist das Leben. Ich habe auch Fehler gemacht, aber das gehört einfach zum Lernprozess. "

Frage: "Du bist eigentlich immer so schnell wie Dein Teamkollege Rubens Barrichello. Im Qualifying ist er Dir aber immer einen Schritt voraus. Hat sich das gebessert?"
Hülkenberg: "Es hat sich geändert. Er ist sehr gut und kann immer das Optimum aus dem Auto herausholen. Durch seine lange Erfahrung ist er sehr konstant. Ich denke, dass ich mich im Qualifying verbessert habe und die Lücke schließen konnte."

Frage: "Bist Du mit deinem durchschnittlichen Abstand zu Rubens zufrieden?"
Hülkenberg: "Es wird besser. Zu Beginn des Jahres war ich zu weit weg. Ich denke ich habe meine Leistung klar gesteigert. Aber von meiner Seite wird da noch einiges kommen."

Frage: "Wo liegt beim Fahrstil der Hauptunterschied zwischen Rubens und Dir?"
Hülkenberg: "Eigentlich sind unsere Stile sehr ähnlich. Das hilft natürlich. Wenn ich Probleme mit meiner Abstimmung habe, kann ich seine übernehmen. Trotzdem ist die Abstimmung etwas sehr persönliches. Ich kann von Rubens aber lernen, wie er mit den Ingenieuren arbeitet. Wir vergleichen auch die Daten untereinander."

"Es ist trotzdem gut zu sehen, dass wir vom hinteren Mittelfeld wieder weiter nach vorne gekommen sind und um Punkte kämpfen können." Nico Hülkenberg

Frage: "Es gibt aber auch Stimmen, die sagen, dass Vitaly Petrov der beste Rookie ist. Was meinst Du dazu?"
Hülkenberg: "Dem kann ich nicht zustimmen. Ich würde sogar sagen: Kamui Kobayashi. Ich denke er macht einen guten Job. Prinzipiell schaue ich mir die Abstände an und Vitaly liegt oft weit hinter Robert Kubica zurück. Unser Auto ist jetzt besser, weshalb wir uns nun mit ihnen messen können."

Frage: "Behindert Dich das Testverbot?"
Hülkenberg: "Ja. Ich hatte vor meinem Debüt nicht viele Testtage. So ist es aber für alle. Wenn es eine Möglichkeit gäbe, dann würde ich gerne Testfahrten bestreiten."

Frage: "Beim Saisonstart 2011 solltest Du aber perfekt vorbereitet sein?"
Hülkenberg: "Ja definitiv. Dann habe ich schon 19 Rennen absolviert. Diese Erfahrung hilft, wenn man ein zweites Mal auf die Strecken kommt. Man startet da gleich auf einem anderen Level."

Frage: "Hast Du schon an die Pirelli-Reifen für das nächste Jahr nachgedacht?"
Hülkenberg: "Das ist für jeden ein großes Fragezeichen. Ich denke niemand weiß was passieren wird. Ich kann nur warten bis wir sie bekommen. Die Reifen werden im Vergleich zu Bridgestone ganz anders sein. Ich werde mich einfach darauf einstellen müssen."

Frage: "Was planst Du für die Sommerpause?"
Hülkenberg: "Ich muss trainieren, denn gegen Saisonende gibt es Rennen, die körperlich anstrengend sind. Aber ich werde auch für eine Woche oder zehn Tage Urlaub in der Türkei machen."