• 28.05.2025 12:00

  • von Roberto Chinchero, Übersetzung: Norman Fischer

Hinter den Kulissen mit Isack Hadjar: Der Rookie, der beeindrucken möchte

Isack Hadjar hat die Formel-1-Welt mit seinen ersten Rennen beeindruckt: Wir haben ihm beim Grand Prix in Imola begleitet

(Motorsport-Total.com) - Isack Hadjar ist eine der großen Überraschungen der Formel-1-Saison 2025. Viele im Fahrerlager nennen den jungen Franzosen den beeindruckendsten Rookie, selbst im Vergleich zu Mercedes-Fahrer Andrea Kimi Antonelli. Wir haben Hadjar am Imola-Wochenende begleitet, um herauszufinden, wie er wirklich tickt.

Titel-Bild zur News: Isack Hadjar (Racing Bulls)

Isack Hadjar gehört zu den Aufsteigern der Formel-1-Saison 2025 Zoom

Er kam leise, ohne großes Aufsehen - ließ anderen Rookies das Rampenlicht. Isack Hadjar wurde Vollzeit-Formel-1-Fahrer, ohne je einen Juniorentitel gewonnen zu haben - ein Fakt, den er auf seine eigene Art kommentiert: mit wenigen, gezielten Worten.

"Für einen jungen Fahrer ist das Wichtigste, zu beeindrucken. Du kannst einen Titel gewinnen, aber wenn du niemanden beeindruckst, wirst du dein Ziel kaum erreichen."

Und Hadjar hat beeindruckt - genug, um sich mit 20 Jahren einen Platz in der Formel 1 zu verdienen und schnell all jenen ein Zeichen zu geben, die an ihn geglaubt haben: Isack war die Investition wert.

Die Begegnung mit Helmut Marko, die alles veränderte

Monaco-Grand-Prix, 2021. Hadjar feierte einen Überraschungssieg im Rahmenrennen der Formula Regional, nachdem er zuvor die Pole geholt hatte. Nach dem Rennen kehrte er mit seinem damaligen Manager in eine kleine Wohnung zurück, die sie fürs Wochenende gemietet hatten.

"Wir waren gerade angekommen, als mein Trainer sagte, er habe einen Anruf bekommen: 'Helmut Marko will dich treffen.' Ich lag im Halbschlaf und sagte ihm, er soll mich in Ruhe lassen - ich dachte, er macht Witze. Aber er hat nicht locker gelassen, und dann hab ich gemerkt, dass es ernst ist. Ich fragte: 'Okay, wann?' Und er sagte: 'Jetzt!'"

Sie rannten zu Fuß zu Markos Hotel - kein Taxi weit und breit. "Wir kamen völlig durchgeschwitzt an. Helmut stand in der Lobby. Wir setzten uns, alles war ganz unkompliziert. Er sah mich an und sagte: 'Ich schicke dir einen Vertrag. Das war's.' Es fühlte sich seltsam an, aber später hab ich verstanden - so läuft das eben."

Von Faenza auf die große Bühne

Hadjar lebt inzwischen in Faenza - in der Nähe des Racing-Bulls-Teams, das ihn vergangenen Winter aufnahm. "Ich mag es lieber als Milton Keynes, aber ehrlich gesagt bin ich kaum zuhause. Ich bin nach Melbourne geflogen und erst kurz vor Imola zurückgekommen. Man reist von Rennen zu Rennen, und wenn mal ein paar freie Tage sind, verbringe ich sie meistens am Simulator in Milton Keynes."

Wenn er zuhört, ist Hadjar voll konzentriert. Wenn er spricht, schweift sein Blick oft ab - bis er beim letzten Satz wieder voll fokussiert ist.

Vor seinem ersten Europa-Rennwochenende als Formel-1-Fahrer zeigt er keine Spur von Nervosität. Seine Wohnung in Faenza liegt nur 15 Kilometer von der Strecke entfernt. Er packt seinen Rucksack sorgfältig, kontrolliert alles doppelt - ein Zeichen für die Präzision und Disziplin, die sich auch in seiner Leidenschaft für Judo widerspiegeln.

Sobald alles bereit ist, ist er derjenige, der die anderen antreibt: "Gehen wir?"

Eine Geschichte von Hingabe und Herkunft

An seiner Seite: seine Eltern. Vater Yassine ist Quantenphysiker, Mutter Randa Personalleiterin eines öffentlichen Unternehmens und unterstützt ihn auch beruflich. "Meine Familie stammt ursprünglich aus Algerien. Meine Eltern kamen mit 19 allein nach Frankreich und haben sich alles durch harte Arbeit aufgebaut."

Yassine ist in seinem Fach sehr angesehen - Formeln auf der Rückseite von Isacks Helm sind eine Hommage an ihn.

"Als ich fünf war, setzte er mich in ein Leihkart - ich fand es furchtbar. Zwei Jahre später meldete er mich zu einem Kurs außerhalb von Paris an - eine Einheit alle zwei Wochen sonntags. Irgendwann sagte der Trainer zu meinem Vater: 'Ihr Sohn ist gut. Sie sollten ihm ein Kart kaufen und ihn Rennen fahren lassen.'"

Für Isack galten klare Regeln: "Wenn du etwas machen willst, dann mit voller Hingabe. Aber es war auch klar: Wenn ich nicht gut bin, wird das nicht weiter unterstützt."

Anfangs war es Vater Yassine, der mit ihm zu den Kartstrecken fuhr. "Er hasst Mechanik, aber er wurde nur für mich zum Mechaniker. Wochenenden an der Strecke, lange Autofahrten - er hat seine gesamte Freizeit für mich geopfert. Als ich dann Erfolge hatte, wurde es ernster - und meine Mutter stieg ein."

Randa nutzte ihr berufliches Netzwerk, um das Budget aufzutreiben, das Hadjar den Aufstieg in den Formelsport ermöglichte.

Eine steile Karriere, fest auf dem Boden

Heute ist es Randa, die ihn ins Fahrerlager von Imola begleitet - immer einen Schritt hinter ihm. Es ist Donnerstag, Medientag. Doch Hadjars Woche begann viel früher: Simulatorarbeit am Dienstag, Teambesprechung mit Liam Lawson in Faenza am Mittwoch.

Zwischen Interviews schaut er auf sein Handy - aber nicht wegen Social Media, sondern für Fußballclips, MMA-Highlights oder Qualifyings von Nachwuchsserien. Er ist PSG-Fan, enger Freund von Fabio Quartararo und sportbegeistert. Seit er Formel-1-Fahrer ist, gehen einige seiner Träume in Erfüllung - doch er bleibt bodenständig.

"Das ist genau das, wovon ich immer geträumt habe. Der einzige Unterschied ist: In Träumen gibt es keine langweiligen Dinge - wie das viele Reisen."


Fotostrecke: Die aussichtsreichsten Junioren der Formel-1-Teams 2025

"Als ich jünger war, sagte mein Vater immer: Genieß die Tage, an denen dir langweilig ist. Ich dachte nur: Was redet er da? Ich will Rennen fahren, Fußball spielen, mit Freunden abhängen. Aber jetzt verstehe ich es - ich vermisse diese ruhigen Tage zuhause. Der Zeitplan ist gnadenlos. Letzte Woche war ich krank - ich war völlig fertig."

"Aber wenn ich im Auto sitze, vor allem im Qualifying - Q1, Q2, Q3 - liebe ich es. Du weißt, jede Zehntel zählt - das sind unglaubliche Momente."

"Ich wünschte, ich könnte zwei Leben führen - eins mit den Menschen, die ich mag, und eins, in dem ich nur Rennen fahre. Aber ich weiß, das geht nicht."

Der Rookie, der Wiederholungen hasst

Freitag ist medienmäßig recht ruhig. Doch am Samstag geht es früh zur Paddock-Club-Tour. Hadjar verlässt den Hospitality-Bereich, wie immer begleitet von seinem Medienbetreuer Andrea Saveri, und läuft mit Kopfhörern durch den Paddock.

"Ich höre meistens französischen Rap - kommt auf die Stimmung an."

Auf den ersten Blick wirkt Hadjar rastlos, doch wer ihn länger beobachtet, merkt schnell: Seine ständigen Bewegungen sind Teil eines Systems zur Selbstregulierung - seine Methode, sich zu fokussieren, sei es fürs Fahren oder für Technikbesprechungen.

"Ich weiß, wie wichtig der technische Teil ist", sagt er auf dem Weg zur Box fürs Qualifying. "Am Anfang war das nicht leicht, aber inzwischen mag ich diesen Teil. Ich habe verstanden, wie viel man auch außerhalb des Autos bewirken kann. Ich weiß, dass ich da noch viel lernen kann."


Nach Red-Bull-Tausch: H. Marko spricht Klartext!

Wenn Helmut Marko spricht, wird Klartext geredet! So auch in diesem exklusiven Interview über den brutalen Fahrertausch bei Red Bull Racing. Weitere Formel-1-Videos

"Ich versuche, mit dem Kopf zu fahren. Mein Vater ist Quantenphysiker, hat sein Leben lang gelernt - ich hoffe, ich habe ein bisschen was davon geerbt. Und ich habe gelernt: Wenn ich auf der Strecke bin, bin ich nicht nur derjenige, der das Auto pusht - ich bin der wichtigste Sensor für meine Ingenieure."

Nur mit einer Sache hat Hadjar Mühe: Wiederholung. "Ich hasse das! Wenn du mich zwingst, dasselbe 200-mal zu machen, drehe ich durch. Ich mag neue Herausforderungen."

Und davon wird es noch viele geben - aber Hadjar baut sich das Fundament für eine lange Karriere.

Nach dem Qualifying in Imola kann er seine Enttäuschung über Platz neun nicht verbergen - selbst elterlicher Zuspruch hilft nicht. "Ich hätte Fünfter sein können ..."

Kein Anruf, keine Bestätigung - nur Instinkt

Noch vor wenigen Monaten war Hadjar gar kein Formel-1-Fahrer. Jetzt geht alles schnell. "Hab ich daran geglaubt? Immer! Sonst hätte ich nicht weitergemacht. Ich habe immer geglaubt - auch in den schlimmsten Momenten."

Und ein kurioses Detail: Hadjar hat nie eine offizielle Mitteilung bekommen, dass er 2025 Formel-1 fahren würde.

"Ich habe nie einen Anruf bekommen mit den Worten: Du bist nächstes Jahr Formel-1-Fahrer. Sagen wir einfach: Helmut mag es nicht, gute Nachrichten zu überbringen", lacht er.

"Niemand hat je gesagt: 'Guten Morgen, Isack, du fährst nächstes Jahr Formel 1.' Nichts dergleichen. Aber man hat's natürlich irgendwie gemerkt. Erst nach dem letzten Saisonrennen, als ich eine Simulator-Session in Milton Keynes hatte, sagte man mir: 'Morgen gehst du nach Faenza.'"


Fotostrecke: Red-Bull-Junioren in der Formel 1

"Ich fragte: Warum? Und sie sagten: 'Keine Sorge, bis morgen.' Heute finde ich es lustig - aber damals war ich ziemlich angespannt."

Auch wenn das Rennen in Imola nicht nach Plan lief - durch ein unglücklich getimtes Safety-Car fiel er von Platz sechs auf neun zurück -, wächst Hadjars Ansehen im Fahrerlager weiter.

"Was ich über die Nachwuchsserien gesagt habe, gilt immer noch: Du hast nicht immer ein siegfähiges Auto, aber es gibt immer eine Möglichkeit, etwas Gutes zu zeigen, etwas Beeindruckendes. Darauf habe ich immer gebaut."

"Aber ich weiß auch: Irgendwann zählt nur noch eins - gewinnen. Und zwar viel."