Fernandes und der sechste Sinn
Lotus verzichtet genau wie HRT und Marussia-Virgin zu Saisonbeginn auf KERS - Bahar und die Lotus-Gruppe waren Teamchef Fernandes von Beginn an suspekt
(Motorsport-Total.com) - Als einziges Team im Formel-1-Feld geht Lotus verglichen mit dem vergangenen Jahr in der Saison 2011 sowohl mit einem neuen Motorenhersteller als auch neuen Getriebepartner an den Start. Vor diesem Hintergrund wollte Teamchef Tony Fernandes der Mannschaft die zusätzliche Belastung des Ersteinsatzes von KERS ersparen.

© xpb.cc
Mike Gascoyne und Tony Fernandes - sprechen sie über Dany Bahar?
"Ich bin keiner, der die Firma überstrapaziert bis sie kollabiert", so Fernandes gegenüber 'Autosport'. Nach Meinung des Teamchefs wäre der Einsatz des Hybridsystems KERS von Saisonbeginn an des Guten zu viel gewesen. "Wir haben ein komplett neues Fahrzeug aus 8.000 Einzelteilen aufgebaut. Ich war von Anfang an der Ansicht, dass wir ein aggressives, einfallsreiches Auto brauchen, aber kein KERS", stellt der Malaysier klar.
Option einer nachträglichen Aufrüstung besteht
Gleichzeitig räumt er jedoch ein, dass er sich vorstellen könne, im weiteren Verlauf der Saison darüber nachzudenken. Zunächst einmal gilt es allerdings, die richtigen Strukturen rund um die neuen Partnerschaften auf Motorenseite (Renault) sowie auf dem Getriebesektor (Red Bull) aufzubauen. "Das ist kein Einjahres- oder Dreijahresplan, sondern etwas, auf dem wir langfristig aufbauen wollen", gibt Fernandes zu Protokoll und fügt an: "Wenn wir zu einem späteren Zeitpunkt in der Lage sind, KERS einzusetzen, werden wir es tun."
Der Getriebewechsel gab laut Auskunft des Teamchefs letzten Endes den Ausschlag, auch den Motorenpartner zu wechseln: "Es ist nicht so, dass wir mit Cosworth unzufrieden gewesen wären, aber wir wollten auf dem Gebiet des Getriebes und des Hydrauliksystems einen neuen Weg einschlagen." Der ursprüngliche Plan sah demnach vor, das komplette Paket von Renault zu beziehen.
Sechster Sinn in Bezug auf die Lotus-Gruppe
Laut Fernandes war die Chance mehr als gegeben, mit der Truppe aus Enstone nicht nur einen Motoren- sondern auch Getriebedeal abzuschließen. "Doch dann betraten plötzlich Dany Bahar und die Lotus-Gruppe das Feld", erinnert sich der Lotus-Teamchef. Technikdirektor Mike Gascoyne hatte sich bereits mit dem Gedanken eines Renault-Getriebes im neuen Wagen angefreundet, als er sich auf Drängen Fernandes' eines Nachts plötzlich anders entschied. "Mike hat mich angerufen und gesagt: 'Du hast Recht, lass uns zu Red Bull gehen.'" Kurz zuvor hatte es in Monza ein Treffen zwischen Fernandes und Christian Horner gegeben.
Rückblickend betrachtet, sieht der Lotus-Teamchef die Entwicklung der Dinge gar als "eine Form eines sechsten Sinnes" an, wie er es nennt. "Ich wusste nicht, was Bahar und Lopez im Schilde führten, aber ich spürte, dass irgendetwas nicht stimmt. Also ging ich zu Christian Horner, sagte ihm, dass ich ihm vertraue und das war's." Hinzukommt, dass Bahar zuvor für Red Bull arbeitete, dessen Zusammenarbeit mit dem Team jedoch fragwürdig endete - für Fernandes ein zusätzlicher Pluspunkt, dass Dietrich Mateschitz nun ausgerechnet mit dem Team Lotus gemeinsame Sache macht.
Das in diesem Jahr im Heck des Lotus-Renault seinen Dienst verrichtende Getriebe stammt aus dem Red Bull RB5 der Saison 2009. Trotz des Alters sei es auch aus technischer Sicht verglichen mit der letztjährigen Lotus-Lösung die bessere Wahl gewesen, da die Schalteinheit des Jahres 2010 auf den Doppeldiffusor zugeschnitten war und zudem einiges mehr an Gewicht auf die Wage gebracht hat.

