• 19.06.2004 11:23

Dennis: "Zukunft nicht ausschließlich in unserer Hand"

Der McLaren-Boss spricht im Interview gewohnt detailliert über alle politischen Themen, die für die Formel 1 relevant sind

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Ron, was sind in der Debatte um die Formel-1-Reform die eher strittigen Bereiche und fürchtest du, dass manche Dinge mit Gewalt durchgedrückt werden können? Womit stimmst du nicht überein?"
Ron Dennis: "Wir hatten in Monaco ein konstruktives Meeting, bei dem die Änderungsvorschläge diskutiert wurden. Es ging dabei nicht nur um die Kosten, sondern wir sind auch sehr bedacht darauf, das Spektakel zu verbessern. Auch andere Themen - die Anzahl der Rennen, kommerzielle und technische Bereiche - wurden diskutiert. Die Inhalte dieses und zukünftiger Meetings sollte aber nicht an die Öffentlichkeit getragen werden. Ich bin immer wieder verwundert, wenn ich zu einer Pressekonferenz der FIA komme und von einem FIA-Vertreter ganz heikle Fragen gefragt werde. Wir wünschen uns harmonische Diskussionen, die zu einem Satz neuer Regeln und zu einem neuen kommerziellen Arrangement führen sollen. Daher verstehe ich nicht, warum so streitsüchtige Fragen formuliert werden. Zum Beispiel kam schon oft das Thema zur Sprache, welche Regeln bis 2006 geändert werden sollen. Es wird 2006 gar keine Regeländerungen geben, wenn sie nicht von allen Unterzeichnern des Concorde Agreements einstimmig abgesegnet werden, also von den Teams, dem Halter der kommerziellen Rechte und der Sporthoheit. Das ist eine simple Tatsache und ich denke, wir Teams sind in Harmonie. Wir wollen die Dinge besser machen, wir wollen ein aufregenderes Spektakel gestalten und die Kosten senken, aber das erreicht man nie über ein öffentliches Forum."#w1#

Titel-Bild zur News: Ron Dennis

Ron Dennis bei der gestrigen Pressekonferenz in Indianapolis

Frage: "Als die neuen Regelvorschläge veröffentlich wurden, hieß es, das sei das Ende der 'GPWC'. Kannst du dazu etwas verraten? Gibt es die 'GPWC' noch?"
Dennis: "Ich verstehe nicht, warum diese Frage an mich gerichtet wird. Ich habe davon keine bessere Kenntnis als irgendein anderer Teamchef. Soweit ich weiß, geht es damit voran und die Organisation scheint sich zu verändern, aber unter demselben Namen. Natürlich ist es für die Teams am besten, wenn man Wahlmöglichkeiten hat, und vielleicht ergibt sich eines Tages die Situation, dass man sich für eine Rennserie entscheiden kann. Ich halte es für höchst unwahrscheinlich, dass sich der gesunde Menschenverstand nicht durchsetzt und es nicht eine Einheit geben wird, aber es gibt immer einen Gefahrenfaktor, weil bis Ende 2007 keine endgültigen Entscheidungen getroffen werden müssen. Wenn nicht alle Unterzeichner des Concorde Agreements einstimmig sind, fahren wir mit den aktuellen Regeln bis Ende der Saison 2007 weiter. Alles, was passiert, muss einstimmig beschlossen werden. Ich bezweifle, dass das in der Formel 1 je der Fall sein wird."

Frage: "Was soll sich deiner Meinung nach ändern?"
Dennis: "Ich denke, es gibt die gemeinsame Ansicht, dass mehr Bemühungen in die operativen Bereiche der Serie gesteckt werden müssen, dass eine alternative Vermarktung angestrebt werden soll und dass eventuell eine dritte Partei geholt werden soll, um einige der Themen zu behandeln. Im Moment verändert sich das ständig."

Frage: "Wenn wir schon von den Kosten reden, wie viel hat es gebracht, dass die beiden Nordamerika-Rennen direkt hintereinander ausgetragen werden?"
Dennis: "Zunächst einmal möchte ich sagen, dass hintereinander ausgeführte Grands Prix minimalen Einfluss auf die Kosten haben. Natürlich ist die Zeit, in der unsere Leute von zuhause weg sind, kürzer, daher sind auch einige der Fixkosten - zum Beispiel Hotels, die Reisekosten und so weiter - geringer, aber das macht nur einen geringen Prozentsatz der Gesamtkosten aus. Wo di Kosten sogar steigen, ist der Bereich, dass man mehr Leute mitnehmen muss, um mit der vielen Arbeit zurechtzukommen und man muss auch mehr Equipment und Ersatzteile an die Strecke bringen, weil man ja dazwischen nicht zurück in die Fabrik fliegen kann. Von der Ersparnis her ist es also schwer einzuschätzen, aber ich glaube nicht, dass es etwas bringt. Der negativste Faktor ist die extreme Belastung für die Mitarbeiter. Das betrifft vielleicht weniger Leute wie mich, aber sehr wohl diejenigen, die direkt an den Autos arbeiten und sie vorbereiten müssen oder in einer anderen Funktion direkt an der Operation der Rennwochenenden beteiligt sind. Der Druck kommt nicht unbedingt von der physischen Seite, sondern eher hinsichtlich der familiären Belastung, wenn das Personal rund um die Welt reist und dann auch noch hintereinander ausgetragene Rennen durchstehen muss. Gleichzeitig soll es aber eine Weltmeisterschaft sein und die Teams sind sich einig, dass wir in Kanada und in den USA unbedingt fahren müssen. Dadurch entsteht sich die Möglichkeit, amerikanisches Investment für unseren Sport zu generieren und wir wollen die Rennen nicht vom Kalender verschwinden sehen. Dennoch spüren wir alle die Belastungen dieser Saison mit 18 Rennen."

Alles hängt vom kommerziellen Arrangement ab

Frage: "Voraussetzung für ein neues Regelwerk ist wohl ein kommerzielles Arrangement. Nach meinem Verständnis hat Ferrari diesbezüglich schon einen Deal in der Tasche. Wie sieht das bei euch aus? Liegt vielleicht auch ein Angebot auf dem Tisch?"
Dennis: "Darauf kann ich nicht einfach mit ja oder nein antworten, sondern man muss dafür zu der Wurzel der Angelegenheit gehen. Tatsache ist, dass wir im Moment durch einen Vertrag kontrolliert werden, der Ende 2007 ausläuft und den wir alle freiwillig unterschrieben haben. Der Druck, dass ein neues kommerzielles Arrangement ausgearbeitet werden muss, entsteht nicht dadurch, dass sich die Teams mehr Geld, einen größeren Anteil vom Kuchen, wünschen. Das ist nicht der Punkt. Der Druck kommt daher, dass die drei Banken, die damals Anteile durch den Kirch-Konkurs und davor durch den Konkurs von EM.TV übernommen haben, signifikante Schulden übernommen haben und der Wert ihrer Anteile sinkt bis Ende 2007 immer weiter. Zwei Banken waren großzügig genug, den Wert ihrer Anteile niederzuschreiben. Eine Bank, die indirekt von einer Regierung gelenkt wird, weigert sich diesbezüglich. Daher besteht seitens der drei Banken und des übrigen Teilhabers ein großes Interesse daran, dass wir schon bald einen Deal vorgelegt bekommen, der für uns attraktiv genug ist, dass wir ein neues Abkommen unterzeichnen oder das bestehende verlängern. Daher kommt der Druck, dass wir ein langfristiges kommerzielles Arrangement für die Zukunft brauchen. Dann ist da noch das unvermeidliche Thema. Wir bekommen nur 23 Prozent der Einnahmen und wollen einen größeren Anteil. Es gibt alle möglichen Dinge, die wir in eine Schüssel zusammenschmeißen können, aber Tatsache ist, dass die Zukunft nicht ausschließlich in unseren Händen liegt. Wir sind an einen Vertrag gebunden und jeder Versuch, daraus auszubrechen, würde ziemlich intensive Verhandlungen von einigen Leuten erfordern. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Banken realisieren, wie instabil ihre Position ist, aber bis das der Fall ist, wird sich niemand vom Fleck bewegen. Das ist meine Ansicht."

Frage: "Damit ist die Frage nicht beantwortet..."
Dennis: "Ich habe eine ungefähre Ahnung, welche kommerziellen Optionen den einzelnen Teams im Moment offen stehen, und bin ziemlich sicher, dass die Jungs hinter mir nicht so viel wissen, wie sie wissen sollten, aber das gehört zum Verhandlungsprozess dazu: Halte so viele Leute wie möglich im Dunkeln, teile auf und herrsche. Gehöre ich zu dieser Strategie dazu? Definitiv nicht."

Frage: "Tony George hat den Wunsch geäußert, einen zweiten US-Grand-Prix zu veranstalten, vielleicht an der Westküste, denn er glaubt, dass das dieser Veranstaltung helfen würde. Was sagst du dazu?"
Dennis: "Ich denke, wir alle würden das unterstützen, vorausgesetzt der Kalender wird dadurch nicht noch weiter aufgebläht. Ein Rennen an der Westküste wäre für die kommerziellen Interessen aller Teams sehr wertvoll und vielleicht sogar für die gesamte Formel 1."

Dennis ist ein Befürworter der Sommerpause

Frage: "Die dreiwöchige Sommerpause mit dem Testverbot ist noch relativ neu in der Formel 1. Warum wird darauf heute so großer Wert gelegt, während es das vor zehn Jahren noch gar nicht gegeben hat?"
Dennis: "Als ich 1966 mit dem Motorsport begonnen habe, hatten wir acht Rennen pro Jahr und die Abstände dazwischen waren riesig. Eddie Jordan verwendet dafür oft das Wort human. Da kann ich ihn nur unterstützen, denn diese Sommerpause erlaubt es den Beteiligten, inmitten einer unglaublich auslaugenden Rennsaison eine Pause einzulegen und vielleicht kurz Urlaub zu machen. Es geht nur darum, das ist nicht kompliziert. Was die Wintertests angeht, das teilweise Testverbot in den Wintermonaten wurde rein aus Kostengründen eingeführt. Auch wird den Teams einmal eine Periode eröffnet, in der sie durchatmen können, denn wenn das Testen erlaubt ist und es eine Möglichkeit gibt, sich zu verbessern, dann wird diese sicher von allen Teams wahrgenommen. Wenn einem diese Möglichkeit genommen wird, kann man sich anderen Dingen widmen und eben den Angestellten einmal Urlaub einräumen."

Frage: "Was hältst du davon, den Boxenfunk dem Fernsehen zugänglich zu machen?"
Dennis: "Ich tendiere da nicht in eine besondere Richtung. Wenn es die Show verbessern würde, wäre ich nicht dagegen."

Frage: "Die Teamchefs haben sich auf das neue Qualifying-Format ab Silverstone geeinigt. Welche Maßnahmen wurden getroffen, damit die letzten fünf Minuten der Session nicht ein totales Durcheinander werden, wenn alle auf der Strecke sind, und wie wollt ihr verhindern, dass jemand, der in der zweiten Session am schnellsten war, vielleicht gar nicht auf Pole steht?"
Dennis: "Zuerst einmal wird es immer so dargestellt, als seien die Teams alleine für alles verantwortlich. Dieser Fall ist ein gutes Beispiel dafür. Wir alle wollen dazu beitragen, das Qualifying attraktiver zu gestalten, denn die letzte Änderung war sicher kein Schritt vorwärts im Vergleich zu dem, was es früher gegeben hat. Alle hatten als Ausgangspunkt das Beste, was es bisher gegeben hat, und das war nun einmal das Qualifying, als alle gleichzeitig draußen waren und zwölf Runden zur Verfügung hatten. Dem haben alle zugestimmt, aber dann kam der Punkt auf, dass wieder alle lange zuwarten würden und es zu Beginn eine 20-minütige Pause geben würde, in der nichts passiert. Das haben wir angepackt, indem wir die Session aufgeteilt haben, und dann ging die Politik los, weil einige Teams versucht haben, ihren Einfluss auf das Reglement geltend zu machen. Herausgekommen ist auf jeden Fall ein anderes Format. Ob es besser ist oder nicht, wird die Zeit zeigen. Wenn es nicht klappt, sind sicher alle bereit, es wieder zu ändern, aber wir sollten erst einmal bis Jahresende dabei bleiben oder so weitermachen, wie wir im Moment fahren."

Frage: "Warum hat man nicht einen Teil des Qualifyings auf den Freitag verlegt, den man so aufwerten könnte?"
Dennis: "Dazu möchte ich sagen, dass wirklich nicht die Teams immer als Alleinverantwortliche gesehen sollten. Wir stehen konstant unter Druck, haben teilweise aber nur sehr geringen Einfluss auf das, was um uns passiert."

Frage: "Wie siehst du die in Kanada aufgetretene Problematik, dass 114.000 Fans nach dem Rennen nach Hause gehen, Millionen ihre Fernseher abschalten, dann aber das Resultat nachträglich verändert wird?"
Dennis: "Zum Glück passiert das nicht allzu oft. Das gehört einfach zum Grand-Prix-Sport dazu und ich selbst war auch schon oft wegen Kleinigkeiten betroffen, da die Mechaniker etwas übersehen haben. Das berühmteste Beispiel ist, als mein Technischer Direktor sich vor dem Auto hingestellt und der Welt erklärt hat, dass es nicht den technischen Regularien entspricht, was mich damals einen Konstrukteurstitel gekostet hat. Das ist Motorsport. Das kommt aber nicht regelmäßig vor. Die Teams brechen die Regeln normalerweise nicht absichtlich, aber wenn es einmal dazu kommt, muss es eben Konsequenzen geben und es ist unglücklich, dass die Punkte aberkannt werden müssen, aber es ist nun einmal so. Unangenehm ist es für die Zuschauer, die das erst nach einer gewissen Zeit erfahren. Es gibt andere Sportarten, in denen dauert das viel länger, Die Leichtathletik ist ein gutes Beispiel, denn Dopingfälle können sich über Monate hinziehen. Das ist nicht speziell in der Formel 1 so, aber wir sind trotzdem bemüht, solche Fälle so selten wie möglich zu haben."