Das große Interview mit Adrian Sutil

Adrian Sutil unplugged: über seine starken Leistungen bei Spyker, Fernweh nach Japan, seine neue Popularität und die Freundschaft zu Lewis Hamilton

(Motorsport-Total.com) - Adrian Sutil kann nach den ersten vier Rennen seiner Formel-1-Karriere mit seinen Leistungen zufrieden sein: Zwar hat er - wie realistisch betrachtet nicht anders zu erwarten war - noch keine Punkte auf dem Konto, doch seinen weit erfahreneren Teamkollegen bei Spyker, Christijan Albers, hatte er bisher sicher im Griff. Außerdem sah er schon dreimal die Zielflagge.

Titel-Bild zur News: Adrian Sutil

Träumt vom ersten WM-Punkt in den Straßen von Monaco: Adrian Sutil

Damit hat der 24-Jährige Ex-Konzertpianist bisher alle Vorgaben erfüllt - und doch steht er zumindest medial im Schatten seiner drei deutschen Landsleute, ganz zu schweigen von seinem ehemaligen Formel-3-Teamkollegen Lewis Hamilton. Sutil ist sich aber sicher: "Meine Zeit wird kommen!" Irgendwie nimmt man dem sympathischen Wahlschweizer solche Kampfansagen auch ab, wirken sie nicht wie bei vielen seiner Kollegen wie inhaltlose Worthülsen.#w1#

Klare Dominanz im Duell gegen Christijan Albers

Mit 'Motorsport-Total.com' sprach er heute unter anderem über seinen Einstand in die Königsklasse des Motorsports, die schwierige Situation, mit unterlegenem Material fighten zu müssen, Wehmut beim Gedanken an seine erfolgreiche Japan-Zeit im Vorjahr, seine ehrgeizigen Ziele für die Zukunft und seine Freundschaft zu Shooting-Star Lewis Hamilton.

"Dass ich ihn gleich so im Griff habe, hätte ich natürlich nicht gedacht." Adrian Sutil

Frage: "Adrian, wir haben vier Rennen hinter uns. Fangen wir mit dem Positiven an: Du warst in vier Qualifyings dreimal schneller als dein Teamkollege, hattest ihn auch zum Teil in den Freien Trainings recht klar im Griff. Hast du damit vor der Saison in dieser Deutlichkeit gerechnet? Das ist für einen Rookie ja doch eher überraschend..."
Adrian Sutil: "Naja, gerechnet natürlich nicht. Ich habe nach den Wintertests gewusst, dass ich nahe dran bin, aber dass ich ihn gleich so im Griff habe, hätte ich natürlich nicht gedacht."

Frage: "Du hattest in Barcelona auch erstmals ein störungsfreies Rennen. Wie schwierig ist es denn, ein sauberes Rennen zu fahren, angesichts dessen, dass du ja materialbedingt meistens von weit hinten kommst und am Start immer ins Getümmel gerätst?"
Sutil: "Der Start ist schon ziemlich schwer, besonders da hinten, denn man muss so aufpassen, was da passiert. Manchmal bremsen die so plötzlich und du rechnest damit nicht. Man muss extrem wachsam sein - und darf auch gar nicht so probieren, zu pushen und zu versuchen, Positionen gutzumachen. Man muss das wirklich vorsichtig angehen, sonst ist ganz schnell die Nase vorne ab und man hat wieder einen Boxenstopp mehr, den man absolvieren muss. Wie gesagt: Extrem schwierig, da durchzukommen."

Frage: "Takuma Sato wurde früher von seinem Renningenieur über das TV-Bild angewiesen, in welches Loch er stechen soll und so weiter. Läuft das bei euch auch so ab oder vertraust du komplett deinem Instinkt?"
Sutil: "Wir machen das erstmal ohne Renningenieur, so bin ich es auch gewohnt - und das geht eigentlich ganz gut. Natürlich, vielleicht ist es hilfreich, wenn der Ingenieur dir da ein paar Stellen sagt, wo du reinstechen kannst, aber es ist schwer für die, etwas zu sehen, denn besonders wenn du in der vorletzten Startreihe losfährst, sind die Kameras meistens sowieso nicht drauf gerichtet. Dann ist es auch schwer zu sagen, wo man reinfahren soll und wo nicht."

Überrunden aus der Sicht eines Nachzüglers

Frage: "Wenn du am Ende des Feldes fährst, wirst du unweigerlich auch oft überrundet, was dich vermutlich ziemlich aus dem Rhythmus bringt im Rennen, nehme ich an..."
Sutil: "Ja, das bringt einen sehr aus dem Rhythmus, aber wenn man alles richtig macht, keine Fehler macht und auch die Taktik richtig legt, dann überrunden die dich einmal - und das sind eben so neun Fahrer ungefähr. Das ist okay. Aber machst du schon in der ersten Runde einen Fehler, verlierst du ein bisschen Zeit, dann überrunden die dich doppelt so viel - und dann verlierst du auch doppelt so viel Zeit. Deshalb musst du schauen, dass alles immer rund läuft, weil sonst kommt das Feld zweimal an dir vorbeigeflogen und du verlierst doppelt so viel."

"Ich erwarte mir da jetzt nicht ganz so viel." Adrian Sutil

Frage: "Was kann man in den nächsten Wochen an Verbesserungen erwarten? Es gibt für Monaco ein paar neue Teile, die für High-Downforce ausgerichtet sind. Was habt ihr sonst noch in der Pipeline?"
Sutil: "Für Monaco ein ganz kleines Update. Wir haben mehr aerodynamische Teile, Anpressdruck einfach. Mehr Grip sollten die liefern. Das müssen wir sehen, denn wir haben die noch nicht getestet, deswegen erwarte ich mir da jetzt nicht ganz so viel. Wir haben gesehen, in Malaysia haben wir ein ziemlich großes Update gekriegt, aber um es zum Arbeiten zu bringen, hat es ziemlich lange gedauert."

"Wir haben noch andere Fortschritte gemacht jetzt in Le Castellet. Das war ein sehr erfolgreicher Test eigentlich. Was beim Anbremsen des Autos extrem geholfen hat: Wir hatten nicht mehr so viele Probleme mit stehenden Rädern, Bremsplatten und so was. Man konnte viel mehr pushen am Eingang der Kurve. Das ist glaube ich hier in Monaco sehr hilfreich, wo es ja nur Bremsen und Beschleunigen gibt. Ich denke, da haben wir einen großen Schritt gemacht, in dieser Sache."

Frage: "Ist die Stabilität beim Bremsen euer größter Schwachpunkt oder ist das Auto eh ganz gut fahrbar, aber einfach zu langsam? Wo liegt der Kern des Problems?"
Sutil: "Das große Problem war ehrlich gesagt schon das Abbremsen. Das war sehr, sehr schwer. Wir mussten früher als alle anderen bremsen, weil es eben so einfach war, ein Rad stehen zu haben, sich zu verbremsen. Man konnte einfach nicht ans Limit gehen auf der Bremse. Nach dem Test in Paul Ricard haben wir das endlich hingekriegt. Das ist einfach jetzt kein Problem mehr."

F8-VII hat zu wenig Topspeed

"Sonst ist das Auto okay, muss man sagen. Wir haben sehr viel Drag, das heißt, wir sind einfach nicht schnell genug auf der Geraden - zu viel Luftwiderstand. Aber in den Kurven haben wir normalerweise eine gute Balance. Ich bin eigentlich zufrieden. Es ist nicht so ein Kampf, mit dem Auto zu fahren - es macht richtig Spaß und kurz vor dem Qualifying ist meine Balance eigentlich immer ziemlich gut. Damit bin ich sehr zufrieden."

Adrian Sutil

Erfolgsverwöhnt: In Japan holte sich Adrian Sutil den Formel-3-Titel Zoom

Frage: "Das klingt so, als wärt ihr noch nicht am Ende der Fahnenstange für dieses Jahr..."
Sutil: "Nein. Ich denke, da geht es schon weiter. Es ist ja nicht alles nur in der Aerodynamik, es sind überall so Kleinigkeiten. Wenn man das verändert, dann wirkt sich das eben groß auf irgendeine andere Sache aus und es fängt dann an zu arbeiten. Besonders auch die Reifen - das ist ein großes Thema, denn wenn das Auto so schlecht liegt, dann beansprucht man die Reifen doppelt so hart und die Reifen gehen dann auch doppelt so schnell kaputt. In der Rundenzeit auf eine lange Distanz verliert man dann halt auch wieder extrem viel Zeit. Das ist alles ein Kreis, der geht immer weiter. Alles hängt mit einer Kleinigkeit zusammen - und dann wird das Problem immer größer."

Frage: "Wir haben vor einem Jahr miteinander telefoniert, als du in Japan warst. Damals hast du dich noch nicht hundertprozentig wohl gefühlt drüben. Gibt es im Nachhinein vielleicht sogar etwas, was dir fehlt an der Japan-Zeit?"
Sutil: "Ja, ich blicke da schon manchmal zurück und würde manchmal gerne für eine Woche zurück nach Japan, weil es mir vom Land her gefallen hat. Als wir telefoniert haben, bin ich ja gerade neu gewesen dort und habe mich noch nicht so zurechtgefunden, aber Mitte des Jahres wurde es immer schöner - und am Ende wollte ich gar nicht mehr zurück. Es war einfach so schön von all den Sachen her. Ich habe mich wohl gefühlt dort, Freunde gefunden. Es war ein Erlebnis! Ich habe gute Erinnerungen und freue mich auch immer, wenn ich in Japan irgendwo einen Zwischenstopp machen kann. Auf den Japan-Grand-Prix freue ich mich besonders."

Sutil will für den großen Tag bereit sein

Frage: "Rein optisch machst du einen extrem fitten und durchtrainierten Eindruck. Wie viel trainierst du eigentlich beziehungsweise wie sehr hat sich der Trainingsaufwand verändert, seit du in der Formel 1 fährst?"
Sutil: "Das hat sich schon sehr geändert, auf jeden Fall. Ich habe jetzt meinen Trainer bekommen, der ein guter Freund geworden ist. Es macht mir sehr viel Spaß, mit ihm zu trainieren. Trainieren tun wir schon so vier Stunden am Tag. Wir machen auch am Wochenende vor Ort etwas - gestern sind wir zum Beispiel noch Radfahren gegangen mit Rennrädern. Das war wunderschön. Wir nutzen einfach die Zeit, um in der Natur zu sein."

"Ich will absolut alles dafür tun, vorbereitet zu sein, denn wer weiß, wann die Situation kommt?" Adrian Sutil

"Ich mache gerne Sport - und im Moment habe ich auch meine Ziele. Ich will absolut alles dafür tun, vorbereitet zu sein, denn wer weiß, wann die Situation kommt? Wenn ich in ein besseres Auto komme, dann möchte ich gleich im ersten Rennen zeigen, was ich kann. Auch jetzt bei Spyker muss ich natürlich schauen, dass ich irgendwie noch besser bin als die anderen. Deswegen ist das ganz wichtig, dafür nehme ich mir auch ganz viel Zeit."

Frage: "Mit der Formel 1 geht natürlich ein gesteigerter Bekanntheitsgrad einher. Wie oft wirst du denn angesprochen, speziell in München, und hat es schon mal eine Situation gegeben, dass du einen Tisch in einem Restaurant bekommen hast, den du sonst nicht bekommen hättest?"
Sutil: "Im Moment geht es noch. Natürlich kennen dich die Leute allmählich, auch wenn du auf der Straße läufst, aber das ist alles noch so locker. Du bist ja jetzt noch nicht über Jahre bekannt, sondern die sehen dich und denken: 'Ah, das ist der Neue, interessant.' Dann gibst du vielleicht ein Autogramm oder so was, aber das ist wirklich noch ganz in Ordnung. Ich fühle mich da noch nicht so eingeengt, dass es schon nervig ist, sondern es ist alles im Rahmen und es ist okay - wirklich schön gerade!"

Frage: "Hast du vor, länger in München zu bleiben, oder zieht es dich geistig schon nach Monaco oder in die Schweiz?"
Sutil: "Ich bin schon in der Schweiz! Ich bin natürlich auch manchmal in München, meine Familie wohnt noch dort, aber jetzt gerade habe ich eine schöne Bleibe in der Schweiz gefunden. Da werde ich in den nächsten Wochen auch wieder runterziehen."

Hamilton ist Sutils einziger Fahrerfreund

Frage: "Dein ehemaliger Teamkollege in der Formel 3, Lewis Hamilton, von dem du sagst, dass er nichts hat, was du nicht auch hast, führt die Weltmeisterschaft an. Tut dir das insgeheim vielleicht ein bisschen weh oder empfindest du es aus deiner subjektiven Sicht als ungerecht, dass er materialbedingt um Siege kämpfen kann, während du ganz hinten rumfahren musst?"
Sutil: "Ungerecht? Nein! So ist es halt, so ist das Leben. Der Eine hat es ein bisschen besser, der Andere muss ein bisschen mehr kämpfen darum. Aber wie gesagt: Es gibt nichts, was ich nicht erreichen kann, wenn ich hart genug arbeite und alles dafür tue. Deswegen sage ich immer: Meine Zeit wird kommen und ich gebe nicht auf. Mit einem schnellen Auto, da bin ich mir sicher, kann ich auch schnell fahren und eine Superleistung abliefern."

"Lewis hebt sich schon ab von manch anderen Fahrern." Adrian Sutil

Frage: "Du bist mit Lewis Hamilton recht gut befreundet. Hast du sonst auch Freunde im Fahrerlager oder unter den Fahrerkollegen?"
Sutil: "Im Fahrerlager ist es eigentlich nur Lewis. Den kenne ich schon länger. Er hebt sich schon ab von manch anderen Fahrern, die ich jetzt persönlich kennen gelernt habe. Da waren ein paar Nette dabei, aber ich habe auch nicht großes Interesse, da Kontakt zu halten. Lewis ist da besonders, unsere Freundschaft ist auch weiterhin gut erhalten. Andere bis jetzt noch nicht."

Frage: "Vor einem Jahr hast du gesagt, es wäre das Schönste für dich, für Toyota Formel 1 zu fahren. Man hört, dass Ralf Schumacher dort nicht mehr allzu fest im Sattel sitzt. Ich frage mal rein spekulativ: Schielst du mit einem Auge nach Köln oder hört sich dein Management generell schon für nächstes Jahr um?"
Sutil: "Nein. Mit Toyota gab es noch gar keinen Kontakt eigentlich. Natürlich schaut man sich um, wo was geht, aber man muss schauen, was für meine Zukunft das Richtige ist. Wir müssen in ein konkurrenzfähiges Auto in Zukunft - und auch mein Vertrag hier bei Spyker ist längerfristig. Deswegen rechne ich damit, dass ich nächstes Jahr noch hier fahren werde. Und wer weiß, ich rechne auch damit, dass Spyker erfolgreich wird in Zukunft."

Frage: "Letzte Frage: Du träumst vermutlich von einem Punkt in Monaco. Jetzt nagle ich dich auf eine Wette fest: Wenn du in Monaco einen Punkt holst, bist du zu unserer Weihnachtsfeier eingeladen und spielst ein Stück auf dem Klavier!"
Sutil: "Okay, das können wir gerne machen, klar!"