Das große 'F1Total.com'-Interview mit Christian Klien
Christian Klien über das geteilte Red-Bull-Cockpit, seinen Werdegang im Motorsport und sein Ziel, eines Tages Weltmeister zu werden
(Motorsport-Total.com) - Mit gerade einmal 22 Jahren ist Christian Klien der jüngste Pilot im aktuellen Formel-1-Feld, obwohl dies manchmal untergeht, weil er schon seit 2004 dabei ist. Vermochte er vergangenes Jahr im Jaguar-Cosworth nur selten über sich hinauszuwachsen, so lieferte er in Australien, Bahrain und Malaysia tadellose Performances ab, die selbst David Coulthard ins Schwitzen kommen ließen.

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Christian Klien zählt zu den positiven Entdeckungen der Saison 2005
Dennoch ist er seit Imola nur noch VIP-Zuschauer: Vitantonio Liuzzi hat sein Cockpit als Stammfahrer zumindest bist zum Rennen am Nürburgring vorläufig übernommen. Im Interview mit 'F1Total.com' spricht Klien über den Frust, am Sonntagnachmittag vor dem Fernseher sitzen zu müssen, die Partyatmosphäre bei Red Bull und seine Anfänge im Motorsport - als Zwölfjähriger bei einem Kartrennen in seinem Heimatort Hohenems im österreichischen Vorarlberg...#w1#
Red Bull feierte am Sonntag bis in die frühen Morgenstunden
Frage: "Christian, bei Red Bull wurde am Sonntag in Imola die ganze Nacht durchgefeiert. Warst du da auch dabei?"
Christian Klien: "Ja, klar. Wir waren in einem Club in Italien, den der Tonio (Vitantonio Liuzzi; Anm. d. Red.) gekannt hat, und da haben wir wirklich bis in die Morgenstunden gefeiert."
Frage: "Von wo aus hast du das Rennen am Sonntag gesehen?"
Klien: "Ich habe es mir beim Team angeschaut. Das war natürlich nicht einfach, weil ich viel lieber selber gefahren wäre. Es ist schon zäh, wenn man den anderen Fahrern dabei zuschauen muss, wie sie das machen, was man selber gerne machen würde. Aber so ist es nun einmal die nächsten Rennen, und dann hoffe ich, dass ich wieder im Auto sein werde."
Frage: "Was sagst du zur Vorstellung des Teams und von Vitantonio Liuzzi im Besonderen?"
Klien: "Als Team waren wir ein bisschen weiter weg als sonst. Im Qualifying wäre sicher mehr drin gewesen. Wenn du dich als 14., 15., 16. qualifizierst, ist es schwierig, noch in die Punkte zu fahren. Das Qualifying war also nicht gut von uns. Ansonsten war die Leistung von Tonio im Rennen okay. Es war sein erstes Rennen, er ist fehlerfrei geblieben und Zehnter geworden. David ist an diesem Wochenende nicht wirklich gut zurechtgekommen und war im Rennen chancenlos, in die Punkte zu fahren."
Klien erwartet Red Bull in Barcelona schon wieder stärker
Frage: "David Coulthard hat schon vor Saisonbeginn befürchtet, dass ihr gegenüber der Konkurrenz zurückfallen könntet. Bestätigt sich diese Befürchtung jetzt?"
Klien: "Ja. Damit haben wir gerechnet, das war uns klar. Wir wussten ja, dass die großen Teams an Performance gewinnen würden, wenn sie so viel testen. Unsere eigene Performance war in Imola sicherlich ein bisschen schlechter als in Bahrain, aber wir haben jetzt dann Tests in Jerez und probieren dort einige neue Teile aus, auch für die Aerodynamik. Damit sollten wir in Barcelona schon wieder ein bisschen näher dran sein."
Frage: "Ist es für die Weiterentwicklung des Teams förderlich, wenn sich zwei Fahrer abwechseln müssen?"
Klien: "Nicht wirklich, nein. Ein Fahrerwechsel bringt immer Unruhe ins Team. Das ist ganz klar. Aber gut, man kann es nicht ändern - so ist es nun einmal bei uns. Wir werden dieses Jahr auch noch mehrere Male wechseln. Für das Team ist das aber nicht so einfach."
Frage: "Rechnest du fix damit, am Nürburgring wieder dabei zu sein?"
Klien: "So ist der Stand im Moment. Wenn nicht, kann ich es auch nicht ändern. Hundertprozentig fix ist gar nichts. Red Bull lässt sich diese Dinge immer ziemlich offen. Ich komme aber hundertprozentig noch einmal zum Einsatz dieses Jahr. Der Plan ist so, dass Tonio und ich uns das Cockpit teilen."
"Die ersten drei Rennen waren sehr stark von mir"
Frage: "Du wirkst dieses Jahr wesentlich konkurrenzfähiger als 2004, auch im direkten Vergleich zum Teamkollegen. Worauf führst du diese Steigerung zurück?"
Klien: "Das Wichtigste ist sicher die Erfahrung. Ich habe jetzt ein Jahr Erfahrung und konnte auch im Winter viel testen. Dabei kann man sich selbst weiterentwickeln und noch enger mit den Ingenieuren und noch besser mit dem Auto zusammenarbeiten. Ich bin dieses Jahr zu den Strecken hingekommen und habe sie schon gekannt, konnte also am Freitag gleich auf einem ganz anderen Niveau anfangen und sofort mit der Setup-Arbeit beginnen. Natürlich ist dadurch auch mein Selbstbewusstsein gewachsen. All diese Punkte in Kombination haben sich jetzt so ausgewirkt. Die ersten drei Rennen waren sehr stark von mir."
Frage: "Hilft da vielleicht auch, dass du mit David Coulthard einen erfahrenen Teamkollegen hast, der dir beim Setup ein wenig unter die Schultern greifen kann?"
Klien: "Nein. Ich meine, man kann sich von David sicher einige Sachen abschauen, denn er hat immense Erfahrung, aber diese Erfahrung bringt er in erster Linie beim Team ein, in Sachen Weiterentwicklung des Autos. Im Setup gehe ich meinen eigenen Weg. Sicher kann man dieses und jenes vergleichen, aber man muss als Fahrer immer versuchen, seinen eigenen Weg zu gehen. In Malaysia und Bahrain war es eigentlich genau umgekehrt. Da hat sich der David bei mir etwas abgeschaut."
Ferrari-Motoren laut Klien ein Fortschritt gegenüber Cosworth
Frage: "Red Bull hat am Wochenende bekannt gegeben, 2006 mit Ferrari-Motoren an den Start zu gehen. Wie hast du darauf reagiert?"
Klien: "Auf jeden Fall mit Freude. Es ist eine gute Möglichkeit für uns, nächstes Jahr mit Ferrari-Motoren zu fahren. Das ist sicher ein Sprung nach vorne. Darüber freut sich natürlich auch das Team."
Frage: "Was fehlt euch deiner Einschätzung nach derzeit an Motorleistung?"
Klien: "Wie viel, das ist schwer zu sagen, aber ganz klar fehlt es uns ein wenig."
Frage: "Siehst du mit der Perspektive der Ferrari-Motoren eine realistische Chance für Red Bull, in den nächsten Jahren zu den besten vier Teams vorzustoßen?"
Klien: "Das ist immer schwer zu sagen, denn dafür braucht man ja auch ein gutes Auto und ein gutes Getriebe, damit man den Motor überhaupt optimal nutzen kann. Ich denke aber, dass das Team stark genug ist, um mit den besten Fünf mitzufighten. Das ist sicher ein Ziel von uns für nächstes Jahr."
Frage: "Red Bull bringt frischen Wind und Partys in die Formel 1, was grundsätzlich ja sehr schön ist. Besteht aber nicht auch die Gefahr, dass da der Grat zwischen Party und Professionalismus einmal zu schmal wird?"
Klien: "Da muss man ganz klar unterscheiden: Wenn wir eine Red-Bull-Party machen, dann ist die ja für die Gäste. Vom Team ist dort gar keiner zu sehen."
Als dritter Fahrer hat Klien auch Zeit für Partys...
Frage: "Außer ihr Fahrer..."
Klien: "Außer der Testfahrer, der nichts zu tun hat (lacht)!"
Frage: "Ist es ein Teil im Leben eines Formel-1-Fahrers, den du genießt, wenn du von so vielen Frauen umschwärmt wirst - nicht zuletzt ja durch die vielen Red-Bull-Aktionen?"
Klien: "Sicher genießt man das als Fahrer, wobei es eigentlich erst seit diesem Jahr so ist, dass Red Bull endlich einmal ein bisschen mehr Spaß in die Formel 1 bringt und damit auch mehr Frauen. Bisher waren ja in der Boxengasse nur wenige Damen zu finden. Red Bull versucht gerade, das ein wenig aufzulockern. Das macht natürlich Spaß, denn man soll die harte Arbeit ja auch mit Spaß verbinden können. Red Bull beherrscht das perfekt und davon profitieren auch wir Fahrer."
Frage: "Hast du mehr Sex, seit du für Red Bull in der Formel 1 fährst?"
Klien: "Ja!"
"Auch Sportler sollen einmal eine 'Gaudi' machen!"
Frage: "Über die Partys von Kimi Räikkönen wurde in letzter Zeit ein Riesenwirbel gemacht. Das läuft bei Red Bull ein bisschen entspannter ab, oder?"
Klien: "Ja, wobei bei uns auch nicht so richtige Trinkexzesse vorkommen. Das muss man schon auseinander halten. Wir haben zwar schon Partys, aber nicht so extrem, wie es bei Kimi Räikkönen war - wobei ich nicht glaube, dass wirklich alles so gewesen ist. Das ist sicher von den Medien ein bisschen hochgeschaukelt worden. Jeder Mensch darf Spaß haben. Auch Sportler sollen einmal eine 'Gaudi' machen. Das gehört einfach dazu."
Frage: "Hast du mit Dietrich Mateschitz schon einmal ein paar Red-Bull-Wodka über den Durst getrunken?"
Klien: "Nein, eigentlich noch nie - aber haufenweise Red Bull!"
Frage: "Es ist also schon so, dass ihr das tatsächlich auch trinkt und die Flaschen nicht einfach so herumstehen?"
Klien: "Nein, das wird schon getrunken."
Schon als Zwölfjähriger "mit einem Bein im Motorsport"
Frage: "Laut deinem Vater hatte deine Familie vor dir überhaupt keinen motorsportlichen Hintergrund. Wie bist du dann erstmals zum Motorsport gekommen?"
Klien: "Das war mit zwölf Jahren. In Hohenems, also in dem Ort, wo ich wohne, ist jedes Jahr ein Kartrennen. Das habe ich mir angeschaut und ich konnte mir so ein Kart ausleihen. Dadurch bin ich zum Kartfahren gekommen, aber nur aus Spaß eigentlich. Es war eine Beschäftigung am Wochenende, eigentlich für die ganze Familie. Wir sind immer Kartrennen gefahren. Dann habe ich auf einmal angefangen, Rennen zu gewinnen - und ab da war ich schon mit einem Bein im Motorsport."
Frage: "Ab welchem Zeitpunkt war dir dann bewusst, dass dich der Weg auch in die Formel 1 führen könnte?"
Klien: "Erst in der Formel 3. Die Formel 1 war davor noch so weit weg, dass es nur ein Traum gewesen ist, einmal dorthin zu kommen. Sicher war es irgendwo immer das Ziel, aber es war so weit weg, dass ich das nie wahrgenommen habe. Dann wurde ich Zweiter in der Formel-3-Euroserie, habe das Marlboro Masters gewonnen. Da sind die ersten Kontakte in die Formel 1 entstanden. Von da an war es der nächste logische Schritt."
"In jeder Rennserie will man irgendwann Weltmeister werden"
Frage: "Das ultimative Ziel eines jeden Rennfahrers ist natürlich der Gewinn der Formel-1-Weltmeisterschaft. Hast du dem etwas hinzuzufügen?"
Klien: "Ganz klar, das stimmt. In jeder Rennserie will man irgendwann Rennen gewinnen, die Meisterschaft gewinnen, Weltmeister werden. Dieses Ziel hat jeder Fahrer, der in der Formel 1 fährt."
Frage: "Hast du dir insgeheim einen Fahrplan zurechtgelegt, zu welchem Zeitpunkt in deiner Karriere du dieses und jenes Ziel erreicht haben möchtest?"
Klien: "Nicht wirklich. Das ist schwierig, wenn man nicht einmal weiß, wann man das nächste Mal zu einem Einsatz kommt. Ich möchte einfach in jedem Rennen, bei dem ich dabei bin, so gut wie möglich fahren - so wie bei den ersten drei Rennen. Nächstes Jahr möchte ich dann mit einem sehr gut vorbereiteten Red-Bull-Team mit Ferrari-Motoren angreifen. Davor möchte ich meine Visitenkarte noch einmal abgeben, damit ich dann schon nächstes Jahr auf das Podest fahren kann."
Frage: "Das heißt, du gehst fix davon aus, auch nächstes Jahr für Red Bull zu fahren?"
Klien: "Es läuft alles in die richtige Richtung. Der Plan ist jedenfalls so. Ich habe einen Jahresvertrag mit Option auch für nächstes Jahr. Das Ziel ist, nächstes Jahr für Red Bull zu fahren. Mir gefällt es hier sehr gut. Ich bin schon das achte Jahr Red-Bull-Sportler. Von daher läuft alles in die richtige Richtung."

