• 15.03.2007 15:26

  • von Inga Stracke

Das große Debütanteninterview mit Adrian Sutil

Der Spyker-Pilot vor seinem ersten Formel-1-Rennwochenende über Ansprüche, Zukunftschancen, Vergangenheit, Holland und Musik

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Was erwartest du dir von dieser Saison?"
Adrian Sutil: "Man kann nicht erwarten, dass es nun einen großen Schritt nach vorne geht. Aber natürlich ist das Auto besser geworden, wir haben einen großen Schritt gemacht, aber ich denke, der wirklich große Fortschritt kommt erst gegen Mitte des Jahres, wenn dann unser B-Auto kommt. Dann sollte es auch große Sprünge geben. Man sieht schon Unterschiede. Ich denke, wir sind das einzige Team, das im Vergleich zum Vorjahr die Zeiten verbessern konnte. In Valencia konnten wir die Vorjahreszeit, damals noch mit weichen Reifen, unterbieten. Alle anderen Teams haben durch die harten Reifen verloren, aber wir sind gleich geblieben."

Titel-Bild zur News: Adrian Sutil

Adrian Sutil fühlt sich für sein Formel-1-Debüt gut vorbereitet

Frage: "Was genau ist besser am Auto?"
Sutil: "Im letzten Jahr hatten wir Untersteuern, das ist nun nicht mehr so das Problem. Wir haben in der Hinsicht eine gute Balance. Es sind schon noch Feinheiten da, die wir verbessern müssen. Aber im Großen und Ganzen sind wir überall ein bisschen besser und auch der Motor ist besser, Ferrari hat einen echt tollen Motor geliefert."#w1#

Frage: "Wie ist es, mit Ferrari zu arbeiten?"
Sutil: "Gut. Es sind sehr nette Leute. Ich mag die Südländer auch ganz gern. Italiener sind meistens ganz locker. Es ist eine gute Truppe, auf jeden Fall. Ferrari ist ja auch ein ganz besonderes Team, das diese Geschichte mit sich trägt."

Die Vorfreude überwiegt

Frage: "Mit welchem Gefühl gehst du das erste Rennen an? Kannst du gut schlafen?"
Sutil: "Nach einem so harten Tag kann ich gut schlafen, da falle ich ins Bett und da geht gar nix mehr. Da bin ich platt. Es ist ein bisschen Aufregung und Anspannung da, aber nicht so, dass mich das beeinträchtigen würde. Es ist eine positive Anspannung, ich freue mich. Ich hoffe, dass einfach alles gut geht, bin mir aber auch meiner Sache sicher."

Frage: "Denkst du, du kannst auch diese Nacht gut schlafen?"
Sutil: "Diese Nacht? Perfekt! Die letzte Nacht war sehr kurz, es war auch gestern ein harter Tag. Das Training wurde noch durchgezogen, ich habe einen harten Trainer."

Frage: "Es soll morgen regnen, kommt dir das entgegen?"
Sutil: "Ich hab keine Probleme im Regen, es war eigentlich immer meine Spezialität. Im Regen war ich sehr, sehr schnell. Das sollte auch hier in der Formel 1 nicht anders sein. Ich lass es auf mich zukommen."

Frage: "Hat man da eher die Chance, ein Zeichen zu setzen als im Trocknen?"
Sutil: "Ja, manchmal schon. Ich denke, besonders mit Autos, die nicht ganz so stark sind, kann man auffallen. Wobei man sagen muss, dass es mit den ganzen elektronischen Fahrhilfen schwer ist, auch noch einen Unterschied auszumachen. Man kann jetzt nicht mehr mit einem extrem sensiblen Gasfuß die Extrazehntel rausholen. Den richtigen Vorteil kann man nicht mehr so rausholen."

Frage: "Konntet ihr in der Vorbereitung auch Rennsimulationen fahren?"
Sutil: "Ja, wir sind zwei gefahren - in Barcelona und Valencia - und hatten dabei keine Probleme. Es ist ein sehr zuverlässiges Auto, so gesehen sollten wir da schon gut gerüstet sein."

Guter Gemeinschaftssinn bei Spyker

Frage: "Da du dir ja nicht als Ziel setzen kannst, Weltmeister zu werden, ist es sicherlich eines deiner Ziele, deinen Teamkollegen zu schlagen."
Sutil: "Ja, das hat jeder Fahrer als Ziel und es ist natürlich auch mein Ziel, genauso wie Christijan (Albers) mich schlagen möchte. Man kann damit auffallen, wenn man den Teamkollegen im Griff hat, und hat so auch Chancen aufzusteigen. Somit ist es ganz klar das Ziel. Aber es ist auch ein Ziel, sich einfach gut einzuleben und das Team vorwärts zu bringen. Technisch muss man in der Formel 1 sehr gut sein, und da ist es auch wichtig, viel zu lernen und sich in jedem Bereich vorzubereiten, auch für eventuell größere Teams, in denen es dann irgendwann um die Weltmeisterschaft gehen kann."

Frage: "Geht ihr euch bei dieser natürlichen Rivalität auch privat aus dem Weg?"
Sutil: "Die einen Fahrer mehr die anderen weniger. Es kommt auf den Typ an. Bei uns im Team ist es normal, würde ich sagen. Wir haben bis jetzt noch kein freundschaftliches Verhältnis, kennen uns noch nicht so gut und so lange, aber es kann ja noch werden. Zumindest beim Zusammenarbeiten sind wir schon ganz gut. So ist das auch in Ordnung. So große Freundschaften zu haben geht auch einfach nicht. Besonders in einem Team ist es immer schwer."

Frage: "Bezüglich der Freundschaften: Ist es dir bewusst, dass dich das wahnsinnig beanspruchen kann, dass du kaum noch Zeit für Freunde und Familie haben wirst? Ist dir das bewusst?"
Sutil: "Das ist mir schon bewusst, natürlich. Das war letztes Jahr auch schon der Fall. Als ich nach Japan gegangen bin, war ich plötzlich ganz woanders und meine Freunde waren halt in Deutschland. Somit muss ich mich da ganz alleine zurechtfinden, aber das habe ich schon hinbekommen. Ich meine, ich genieße hier ein tolles Leben in der Formel 1; darf hier Rennen fahren, wie das nur 22 auf der Welt dürfen. Da kann ich wirklich auf die eine oder andere Sache gut verzichten."

Frage: "Jeder Fahrer kann auf die Frage 'Wem hast du das zu verdanken?' zumindest eine oder zwei Personen nennen. Wem hast du zu verdanken, dass du jetzt hier sein kannst?"
Sutil: "Manfred Zimmermann. Das ist mein Manager, mein Freund, mein Förderer - zweiter Vater. Er hat mir die Chance gegeben und an mich geglaubt, und das tut er auch immer noch. Er bringt sich ein wie kein anderer. Was er für mich getan hat, ist wirklich schon auf dem Niveau eines Vaters."

Frage: "Und wer einen Vater und einen Ersatzvater hat, der hat auch eine Mutter. Die sehen es ja manchmal nicht gerne, dass der Sohn einen so gefährlichen Sport betreibt. Freut sich deine Mutter ausschließlich oder gibt es auch mal Sorgen?"
Sutil: "Sie freut sich schon sehr. Ganz am Anfang meiner Rennkarriere hat sie immer gesagt: 'Vorsichtig, vorsichtig.' Da hat sie ihre Sorgen gehabt. Mit der Zeit ist sie da schon locker geworden und es freut sie sehr, dass ich das geschafft habe. Sie ist da voll hinter mir."

Sutil trifft auf alte Bekannte

Frage: "Gibt es etwas in dieser Saison, auf das du dich richtig freust?"
Sutil: "Dieses Wochenende ist zum Beispiel so ein Moment, da freu ich mich unglaublich drauf. Erster Grand Prix, mein Debüt. Schon jetzt merke ich ja, wie es hier ist. So eine Aufmerksamkeit wurde mir einfach noch nie zuteil. Das ist schon toll, da kann man sich schon drüber freuen. Sonst gibt es dann halt die Highlights im Jahr: Monaco, wo jeder Rennfahrer natürlich von träumt. Da freu ich mich unglaublich. Aber dann gibt es auch noch ein paar andere Grands Prix, wo ich eine gewisse Nähe zu habe. Wie Japan zum Beispiel, weil ich ja dort gefahren bin."

Frage: "Du trägst nicht nur ein Kreuz, sondern gleich zwei. Sind das Glücksbringer und hast du sie selbst gekauft?"
Sutil: "Selbst gekauft ja, leider schenkt mir keiner was. Man kriegt nichts geschenkt im Leben. Ich würde es als Schmuck bezeichnen. Cooler Schmuck."

Frage: "Welche von den 21 Fahrern, die hier gegen dich fahren, hast du schon einmal getroffen?"
Sutil: "Besonders die Jungen natürlich. Den Robert Kubica kenn ich aus der Formel 3, Nico Rosberg, Lewis Hamilton kenne ich sehr gut, dann noch ein paar Testfahrer. Es sind schon ein paar. Das sind so die Fahrer, die ich bislang kenne."

Frage: "2005 bist du gegen Hamilton in der Formel 3 gefahren, konntest du ihn schlagen?"
Sutil: "Es war schwer, ihn in dieser Saison zu schlagen. Zwei Mal habe ich ihn im Rennen besiegt. Im Qualifying kann es sein, dass es sogar einige Male mehr waren. Aber es war ein hartes Jahr. Aber es freut mich, mit ihm hier mein Debüt zu geben, er ist ein toller Typ. Er ist ein guter Freund und ich freue mich, ihn hier wiederzusehen."

Frage: "Hast du mit ihm heute schon gesprochen?"
Sutil: "Nein, ich habe ihn nur gesehen, wie er vorbeigelaufen ist mit 20 Kameras um ihn. Da kann ich nicht auch dahin rennen. Es ist immer schwer, dann auch noch an der Rennstrecke einen Kontakt zu halten. Man kann sich abends irgendwo treffen, aber auf der Rennstrecke geht das einfach nicht."

Frage: "Hatte er damals in der Formel 3 auch schon eine exponierte Position im Team, weil er von McLaren gefördert wurde?"
Sutil: "Das, was er erreicht hat, hat er verdient, weil er schnell und stark ist. Aber natürlich hat er durch McLaren auch einen super Partner gehabt. Das kann man nicht verleugnen. Er hat im Team immer die beste Position gehabt. Es kann immer gut sein, dass er dann auch immer mal die besseren Sachen bekommen hat - man weiß es nicht. Ich gehe davon nicht so aus, aber man muss damit rechnen. Er hat auf jeden Fall schon im Kartsport auch immer das Beste gehabt, hat aber auch das Beste daraus gemacht."

Frage: "Wo ist dir Rosberg begegnet?"
Sutil: "Auch in der Formel 3. 2004 bin ich mit ihm zusammen gefahren. Da bin ich bei Herrn Kolles (heutiger Spyker-Teamchef; Anm. d. Red.) im Team gefahren, und das Team war nicht so gut, das muss man sagen. Aber auch Nico war in der Saison nicht so stark. Kubica hab ich auch 2004 in der Formel 3 getroffen, aber auch er hatte kein Top-Team zum Gewinnen."

Sutil: "Ich bin bereit!"

Frage: "Du bist ja ein relativer Späteinsteiger. Wann hast du die Aggressivität in dir entdeckt?"
Sutil: "Es hat mir schon immer gefallen, etwas relativ Spannendes zu machen, Action brauchte ich immer. Deswegen habe ich auch irgendwann gesagt, dass das Klavierspielen nicht genau das ist, was ich suche, weil mir da irgendwie die Action gefehlt hat. Motorsport ist natürlich das Passende für mich, da habe ich alles. Ich habe Perfektion, die ich ausleben kann, totale Action, Adrenalin, Speed - alles ist da. Stuntman ist ja auch heute noch einer meiner Traumberufe. Es gefällt mir einfach, etwas Verrücktes zu machen."

Frage: "Hast du das Gefühl, dass die anderen Fahrer, wie Hamilton oder Alonso, die eine lange Kartschule durchlaufen haben, einen Vorteil haben?"
Sutil: "Nein, das glaube ich nicht mehr. Vor zwei, drei Jahren war es sicher noch so, dass ich in vielen Bereichen noch nicht da war, wo ich sein sollte, aber besonders das letzte Jahr hat mich extrem weit nach vorne gebracht. Ich hab mein Selbstbewusstsein und das kann mir keiner ausreden. Ich weiß, was ich kann, und ich bin wirklich in jeder Hinsicht extrem gut und konstant geworden. Daher sage ich auch, dass ich für diesen großen Schritt und das erste Rennen bereit bin."

Frage: "Haben dich schon einige andere Fahrer hier begrüßt?"
Sutil: "Ja, da kamen schon einige an. Rubens Barrichello kam vorbei, auch Jenson Button, den hatte ich im letzten Jahr schon kurz kennen gelernt. Das sind auch sehr nette Leute. Es gibt schon viele nette Fahrer hier - bis die Ampel auf Grün geht."

Frage: "Bist du schon hier um die Strecke gefahren?"
Sutil: "Ja, ich bin gestern mit Inlineskates um die Strecke gefahren. Heute geht ja gar nichts, ich hatte erwartet, dass man am Donnerstag rumgehen kann, aber hier ist ja volles Programm. Es hilft letztendlich auch nicht so viel. Man läuft rum, sieht die Kurven, aber wenn man dann im Auto sitzt, ist es etwas ganz anderes."

Hauptsache auffallen ...

Frage: "Spielt Musik auch an einem Rennwochenende eine große Rolle für dich?"
Sutil: "Musik ist sehr wichtig in meinem Leben. Ich höre sehr gerne in jeder freien Zeit Musik, vor allem langsame Sachen. Ich mag Jazz sehr, auch klassische Filmmusik oder so."

Frage: "Du fährst in Orange. Bemerkst du etwas vom niederländischen Einfluss im Team?"
Sutil: "Das merkt man schon, vor allem das Management ist ja holländisch. Aber das ganze Team ist englisch. Die ganzen Ingenieure sind Engländer. Aber auch die Holländer sind sehr nette Leute, die sehr viel Einsatz zeigen, um das Team nach vorne zu bringen."

Frage: "Und die Farbe stört dich nicht?"
Sutil: "Nein, das ist total geil. Es ist richtig auffallend. Man muss ja in dem Fahrerfeld immer auffallen. Ferrari macht das mit dem Rot. McLaren fällt ein bisschen auf, aber von Weitem ist das auch schwer zu erkennen. Ich denke, da sind wir die zweiten Autos, die man sehr gut erkennen kann."

Frage: "Steht nun eigentlich fest, ob nur ihr beide am Freitag fahrt und kein Testfahrer?"
Sutil: "Ich weiß es noch nicht, aber ich denke schon. Bei Giedo (van der Garde) gibt es wohl Probleme. Das wäre auch gut, gerade beim ersten Mal auf dieser Strecke brauche ich jeden Kilometer, den ich zur Verfügung habe."