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Das Ende der Rillenreifenära
In Brasilien werden letztmals F1-Autos auf Rillenreifen um den Sieg kämpfen, Bridgestone blickt auf diese für die Japaner sehr erfolgreiche Ära zurück
(Motorsport-Total.com) - Völlig unbemerkt durch den tobenden Titelkampf zwischen Lewis Hamilton und Felipe Massa bahnt sich auch das Ende der Rillenreifen in der Formel 1 an. Elf Jahre prägten diese Walzen entscheidend das Äußere der Rennwagen mit und haben in dieser langen Zeit weder bei Fahrern noch bei den Fans besondere Begeisterung wecken können. Der Wechsel zu profillosen Slicks wird von vielen daher als Rückkehr zu echten Rennreifen empfunden.

© xpb.cc
2009: Nur noch Regenreifen werden weiter profiliert bleiben
Ein Reifenhersteller hat diese Ära entscheidend mitgestaltet: Bridgestone. Die Japaner waren 1997 frisch in die Formel 1 eingestiegen, als ein Jahr drauf die gerillten Gummis zur Pflicht wurden. Auf diese Weise war der jahrelange Erfahrungsvorsprung des rivalisierenden Herstellers Goodyear zunichte und Bridgestone nutzte dieses unverhoffte weiße Blatt Papier, vor dem sich beide Firmen nun sahen, clever zu seinem Vorteil aus: 1998 wurde der erste Champion auf Rillenreifen gefeiert: Mika Häkkinen auf Bridgestonereifen.#w1#
In diesen elf Jahren der Rillenreifen sammelten die Japaner 18 Titel, wobei acht davon freilich als Alleinausstatter. Ein Mann, der die erfolgreiche Arbeit von Bridgestone mitgestaltet hat, war Entwicklungschef Hirohide Hamashima. Er erzählt von den Anfängen der Rillenreifen über die harten Kämpfe mit Michelin bis hin zu aktuellen Entwicklungen.
Rillen machte ein völlig neues Reifenlayout notwenig
"Reifen mit Rillen zu entwickeln war für uns eine sehr spannende Sache, weil wir bisher nur Erfahrungen mit Slicks hatten", so Hamashima. "Wir standen vor der Herausforderung, aufgrund der Struktur und dem Profil einen Reifen mit einer härteren Komponente zu kreieren, der aber trotzdem genug Grip bietet. Vom Ingenieursstandpunkt aus war dies ein sehr interessanter Aspekt für unsere Motorsportaktivitäten. Wir haben 1997 mit Damon Hill unsere ersten Rillenreifen getestet. Diese waren ein modifizierter Slickreifen, den wir benutzt haben, um die Unterschiede und Anforderungen zu verstehen."
"Bald haben wir festgestellt, dass sich der Frontreifen wesentlich schneller abnutzt, zusätzlich trat viel Graining auf. Da erkannten wir, dass die Reifenkomponenten für diesen Reifen wesentlich härter sein müssen. Die Daten, die wir da raus erhalten haben, zeigten uns, dass wir den Frontreifen sehr als sehr stark werden konstruieren müssen. Wir haben die Größe und Form überarbeitet und haben uns für einen breiteren Reifen mit größerem Durchmesser entschieden. Das hat gut funktioniert und wir haben so das Fahrverhalten besser kontrollieren können, als mit der vorangegangenen Größe."
Doch diese Entscheidung sollte einige Teams vor unerwartete Probleme und Herausforderungen stellen. "Eines der Teams, welches wir 1998 unterstützt haben, war McLaren, ihr Wagen war bereits für die kleineren Frontreifen konstruiert worden", erzählt Hamashima. "Mit ihrem Chefdesigner Adrian Newey gab es daher viele Diskussionen, er beharrte darauf, die kleinere Größe zu behalten. Nach dem ersten Test akzeptierte er aber das Konzept und modifizierte seinen Wagen."
1998 - der erste Triumph
"Die Rillenreifen sollten sich für Bridgestone als gut erweisen, nachdem gleich beim ersten Rennen auf Rillenreifen in Australien Pole, Sieg und schnellste Runde erzielt worden waren. Dies alles wurde von McLaren-Pilot Häkkinen erzielt, der in diesem Jahr die Meisterschaft holen sollte, die erste für Bridgestone."

© Schlegelmilch
Mika Häkkinen und David Coulthard in Australien - der erste Sieg von Bridgestone Zoom
Und ähnlich ging es weiter: "1998 war ein sehr denkwürdiges Jahr für uns. Wir mussten uns mit Goodyear auseinandersetzen, die sehr lange in der Formel 1 waren, aber es gab neue Regeln und wir haben daraus den Vorteil gezogen." Ende 1998 zog sich Goodyear aus der Formel 1 zurück und Bridgestone musste, noch immer recht neu im Geschäft, plötzlich alle Teams beliefern. Für die Japaner ging es also Schlag auf Schlag.
"Im Jahr darauf sahen wir uns einer großen Herausforderung gegenüber. 1999 waren wir Alleinausstatter aller Teams in der Formel 1 und das war logistisch ein Riesenschritt für uns. Dann wurde die Herausforderung noch größer, als ein neuer und hungriger Mitbewerber die Formel 1 betrat. Der Wettbewerb zwischen unseren beiden Firmen war sehr intensiv und unser Reifenverständnis wuchs rapide an.
2001 hatte Michelin die Grand-Prix-Bühne betreten und die Franzosen machten sich sogleich daran, am Stuhl des Klassenprimus zu sägen. Ihren Erfahrungsrückstand mit Rillenreifen hat Michelin schnell wieder wett gemacht. Doch Bridgestone schlug zurück. "Wir haben ein neues Konstruktionskonzept entwickelt, welches guten Grip. aber weniger Abnutzung erlaubte. Mit unserem Rivalen haben wir uns mit diesem Reifen eine große Schlacht geliefert", erzählt Hamashima.
Slicks machen auch für Bridgestone das Leben einfacher
Für die Fahrer war die Einführung der Rillenreifen eine ziemliche Umstellung. "Die Fahrer klangen, nachdem wir die gerillten Reifen eingeführt haben, nicht sonderlich begeistert. Als Fahrer will man immer mehr Grip und den konnten die Rillenreifen designbedingt nicht mehr bieten. Zusätzlich sorgten die gerillten Reifen dafür, dass Graining öfter auftrat und das bedeutet eine zusätzliche Unbekannte, welche die Fahrer bei ihrem Fahrstil kontrollieren müssen."
Bei Graining schieben Querkräfte Gummistücke über die Lauffläche, dies wirkt sich fatal auf den Grip aus. "Graining tritt bei Rillenreifen vermehrt auf, nachdem die Komponenten härter und auf schmutzigen Strecken schwieriger zum Arbeiten zu bekommen ist", erklärt Hamashima. "Zusätzlichen bedeuten die Rillen, dass der Reifen mehr Kanten hat, welche angegriffen werden. Slicks sind dafür weniger anfällig, sie haben keine Kanten, die Komponente ist weicher und der Kontakt zur Straße ist größer. Wenn wir alle Teams mit Reifen versorgen, ist unsere Philosophie anders, weil wir nicht ständig die Zusammensetzung und Konstruktion entwickeln müssen, um den Reifen schneller zu machen."
Die Rillenreifen waren von der FIA vorgeschrieben, um die immensen Kurvengeschwindigkeiten der F1-Boliden einzudämmen, welche durch fortschreitende Technik und Reifenkriege vorangetrieben wurden. Durch das festgeschriebene Reifenmonopol eines einzigen Herstellers, der den Griplevel kontrollieren und die Entwicklung minimieren kann, fällt die Notwendigkeit für gerillte Reifen weg.
Mit einem Sieg in Brasilien wird Bridgestone den Vorhang über die Rillenreifenära senken - genau, wie diese begonnen hat. Doch die Japaner freuen sich schon auf die neuen Herausforderungen: "Die Rückkehr zu Slickreifen bedeutet, dass wir die ganzen Lernprozesse, die wir von den Rillenreifen durchgemacht haben, auf die Slickreifen übertragen können. 2009 sollte eine sehr interessante Saison werden", so Hamashima.

