Heidfeld: "Mein schwierigstes Jahr"
Nick Heidfeld im Interview über seine Saison 2008, den teaminternen Zweikampf und die Aussichten für das kommende Jahr
(Motorsport-Total.com) - Nick Heidfeld kann bald aufatmen. Für den Mönchengladbacher geht mit dem Rennen in Brasilien eine Saison zu Ende, die ihm viele Tiefen und einige Höhen beschert hat. Ganz im Gegensatz zum Vorjahr stand der erfahrene Pilot aus dem BMW Sauber F1 Team in diesem Jahr häufig im Schatten seines schnellen Teamkollegen Robert Kubica. Für Heidfeld heißt es nun: abhaken und neu durchstarten. 2009 werden die Karten neu gemischt. Was sich der 31-Jährige ausrechnet, verriet er im Interview im Rahmen des Fanevents in München.

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Typisch für das Jahr 2008: Ein nachdenklicher Nick Heidfeld
Frage: "Nick, wenn du dein Jahr zusammenfassen würdest - war es dein bestes Jahr oder dein schwierigstes?"
Nick Heidfeld: "Ich denke, in Bezug auf das, was ich phasenweise aus dem Auto herausholen konnte, war es gewiss mein schwierigstes Jahr. Vielleicht nicht nur in der Formel 1, sondern seit ich mit dem Motorsport angefangen habe. Ich kann mich nicht entsinnen, dass ich mich jemals so schwer getan hätte. Ich bin gegen Saisonende nun aber doch zufrieden, weil ich aus einer schwierigen Situation wieder gut herausgekommen bin."#w1#
Kühler Kopf in heißer Phase
"Es hat letztendlich länger gedauert, als ich das gehofft und erwartet habe, aber mit der Unterstützung des Teams und viel Arbeit - einigen Tests, reichlich Ideen - haben wir das geschafft und die jüngsten Ergebnisse zeigen ganz klar, dass ich mein Tief zur Saisonmitte definitiv überwunden habe. Das macht mich froh. Zum anderen bin ich sehr zufrieden, wie ich mit dieser schwierigen Situation umgegangen bin. Ich hatte ja offensichtlich im Qualifying große Probleme."
"Ich habe es dann eigentlich immer geschafft, einen klaren Kopf zu behalten und keine dumme Aktion zu starten. Wenn es in der Qualifikation nicht geklappt hat, so habe ich es in den Rennen doch meistens geschafft, gute Punkte mit nach Hause zu nehmen. Das zeigt sich jetzt am Saisonende auch in der Punkteausbeute und an meiner Position. Das ist nicht optimal, aber mit meinen Problemen hätte es auch weitaus schlimmer sein können. Letztendlich ist es das aber nicht."
Frage: "Was nimmst du an positiven Elementen aus diesem Jahr mit?"
Heidfeld: "In erster Linie, dass ich in dieser Phase vieles gelernt habe. Ich weiß noch nicht, wie ich das in der kommenden Saison anwenden kann. Sollte ich allerdings in eine ähnliche Situation geraten, dann weiß ich wahrscheinlich schneller, wo ich den Hebel ansetzen muss. Ich habe einfach jetzt mehr wissen, woran es liegen könnte. Das nehme ich aus dieser Saison auf alle Fälle mit."
Frage: "Im Vorjahr hast du Robert klar geschlagen, in diesem Jahr war es umgekehrt. Wie siehst du deine Rolle für das kommende Jahr?"
Heidfeld: "Das ändert eigentlich überhaupt nichts - nicht für das Team und nicht für mich. Das Team will immer beide Fahrer bestmöglich unterstützen und natürlich gewinnen. In diesem Jahr war Robert schneller, im Jahr davor war ich derjenige. Wir probieren nun alle gemeinsam, das Auto nach vorne zu entwickeln. Ich hoffe natürlich, dass ich den Spieß im kommenden Jahr wieder umdrehen kann, aber das werden wir erst 2009 sehen."
Das beste Auto der gesamten Karriere
Frage: "Im Augenblick stimmen die Ergebnisse bei dir - wie ärgerlich ist es da, dass im kommenden Jahr mit den neuen Regeln wieder alles auf Anfang gesetzt wird?"
Heidfeld: "Das stört mich eigentlich überhaupt nicht, denn ich hoffe darauf, dass 2009 alles so klappt, wie es meistens klappt. Wie ich schon sagte: Das war mein bislang schwierigstes Jahr und nach der Wahrscheinlichkeit sollte das kommende also wieder ein besseres werden, wo ich mit dem Wagen keine größeren Probleme haben werde. Es ist natürlich schade, dass es erst jetzt so langsam läuft, wo ich doch im besten Auto sitze, das mir jemals in meiner Formel-1-Karriere zur Verfügung stand - ausgerechnet in dieser Saison, wo es nicht so besonders läuft."
Frage: "Was ist deine Meinung zu den aktuellen Diskussionen über Einheitsmotoren, KERS, die Zukunft der Formel 1, Einsparungsmöglichkeiten?"
Heidfeld: "Die Kosteneinsparungen in der Formel 1 werden nun schon seit Jahren diskutiert und man versucht immer, die Kosten zu senken. Das ist im Prinzip auch richtig, nur hat sich in den vergangenen Jahren gezeigt, dass die meisten Änderungen nicht wirklich funktionieren - mit Ausnahme vielleicht im Hinblick auf die Motoren. Als man dazu übergegangen ist, die Aggregate länger zu nutzen, hat man sicherlich etwas eingespart. Ansonsten läuft es aber für gewöhnlich so, dass man das eingesparte Geld in einen anderen Bereich steckt, von dem man sich einen Vorteil verspricht. Das umzusetzen wird also sehr schwierig werden, dennoch muss man es weiterhin versuchen."
"Was die Einheitsmotoren betrifft, da bin ich persönlich dagegen. Das ist für mich nicht mit der Formel 1 in Einklang zu bringen. Wir hatten früher in der GP2 oder Formel 3000 Einheitsmotoren, Einheitschassis und Einheitssprit - das ist gewiss eine Art, an die Sache heranzugehen aber das ist einfach nicht die Formel 1. Dort will man sich in jedem Bereich einen Vorteil erarbeiten, wie das auch BMW machen will - sowohl im Chassis- als auch im Motorenbereich. Da möchte man dann gewiss nicht die Vorteile abgeben müssen, die man sich mühsam erarbeitet hat. Das ist für mich keine Formel 1. Und ich glaube auch nicht, dass es soweit kommt."
Podium das Ziel in Interlagos
Frage: "Was hältst du davon, dass die 'eingefrorenen' Motoren mancher Teams 'aufgetaut' werden, damit sie gegenüber Mercedes und Ferrari nachrüsten können?"
Heidfeld: "Ich habe darüber vieles gehört und auch gelesen, glaube aber nicht, dass diese Teams daran nun tausende Dinge ändern dürfen. Ansonsten wären das neue Informationen, die ich bislang noch nicht habe. Sollte das dann tatsächlich so kommen, dann würde ich das nicht verstehen. Nur weil man nicht so gut entwickelt hat wie alle anderen, kann man doch nicht einfach das Regelement ändern, nur damit man sich auf die Höhe der anderen bringen kann."
"Zum anderen weiß ich auch nicht, wie diese Teams nachweisen wollen, dass ihr Motor schlechter ist als andere Aggregate. Es ist ja alleine schon ein Zugeständnis an den eigenen Rennstall, schlechter als die anderen gearbeitet zu haben. Sie haben ja nicht Ferraris Daten oder unsere und können daher auch nicht sagen, dass ihnen 30 PS weniger zur Verfügung stehen. Für mich ist das ziemlich unsinnig."
Frage: "Was hast du dir noch für Interlagos vorgenommen?"
Heidfeld: "Im Prinzip, wie bei jedem anderen Rennen auch: das Maximale aus den Bedingungen herausholen. In diesem Jahr ist es etwas schwieriger zu wissen, wo wir mit der Pace stehen. Das war im Vorjahr sehr viel eindeutiger. In diesem Jahr gibt es dort größere Schwankungen - sowohl bei uns als auch bei den anderen Teams. Bei Toyota sieht man das zum Beispiel immer deutlich: Bei einem Rennen fahren sie auf das Podium und beim folgenden Grand Prix sind sie wieder im Nirgendwo."
"Dementsprechend ist es schwierig vorherzusagen, wie das in Brasilien sein wird. Dort könnte es auch wieder regnen, wobei ich mir natürlich noch etwas mehr ausrechnen würde. Ansonsten möchte ich solide in die Punkte fahren und wenn möglich noch einmal auf das Podium, aber das hängt zu sehr von den Umständen ab. Ich will immer das Maximum aus dem Auto holen. Ob ich mit einem achten Platz oder einem dritten Platz zufrieden bin, entscheide ich dann nach dem Rennen."
Kein Neid auf Vettel
Frage: "Kannst du ein paar Beispiele nennen, die dir in diesem Jahr Schwierigkeiten bereitet haben?"
Heidfeld: "Das größte Problem war für mich, die Reifen in der Qualifikation auszunutzen. Im Rennen waren die Pace und die Rundenzeiten eigentlich immer gut. Die große Frage ist aber noch immer, woran es überhaupt lag. Ich denke, ich habe es ändern können - durch Veränderungen an den Abstimmungen und auch an meinem Fahrstil. Aber warum sich das in diesem Jahr so viel anders verhält, ist sehr schwierig nachzuvollziehen."
"Wir haben natürlich einige andere Umstände, zum Beispiel die fehlende Traktionskontrolle, was ganz sicher einen Einfluss haben kann. Außerdem waren es wieder andere Reifen, die Konstruktion an der Vorderachse war eine andere. Dennoch kann ich nur schwer verstehen, warum mir das so viele Probleme bereitet hat. Auf der anderen Seite hatten auch andere Fahrer und Teams ähnliche Schwierigkeiten."
Frage: "Wie war das für dich in Monza, als Sebastian Vettel sein erstes Rennen gewonnen hat. Ist man da vollkommen neidfrei?"
Heidfeld: "Ich weiß nicht, ob 'man' komplett neidfrei ist, doch ich kann von mir sagen, dass ich es bin. Ich habe es ihm wirklich gegönnt. Auf der einen Seite kam es total unerwartet, andererseits hat man schon in den Freien Trainings und in der Qualifikation sehen können, dass Sebastian und sein Wagen die nötige Pace hatten. Das war verdient."
Frage: "Gab es etwas in dieser Saison, was dich überrascht hat?"
Heidfeld: "Das haben wir eben schon einmal kurz angeschnitten: Wie unterschiedlich die Performance der Teams von Rennen zu Rennen war. Es war in dieser Saison schwieriger als jemals zuvor, eine Prognose zu machen, ob es bei einem Team beim nächsten Rennen passen würde oder eben nicht. Das hat mich stark überrascht."
Frage: "Aber dafür gibt es keine Erklärung, oder?"
Heidfeld: "Es muss eine geben, doch ich tu mich schwer, eine zu finden. Ich denke, das hängt in erster Linie mit den Reifen und deren Temperaturen zusammen. Genau sagen kann ich das aber auch nicht."
Freude über die Rückkehr zu Slicks
Frage: "Was versprichst du dir von der Rückkehr zu Slicks 2009?"
Heidfeld: "Auf die Rückkehr zu Slicks freue ich mich aus mehreren Gründen: Zum einen sind Rillenreifen ein Thema, das meiner Ansicht nach nicht zur Formel 1 passt - wie Einheitsmotoren auch. Außerdem haben ja fast alle anderen Rennserien auch Slicks, sogar der Kartsport. Das ist nur logisch und das Schnellste, damit sollte man also auch in der Königsklasse des Motorsports fahren. Ich mag das Fahren mit Slicks mehr als das Fahren mit Rillenreifen. Zum anderen verspricht man sich davon auch mehr Überholmanöver. Ob das funktioniert, werden wir im kommenden Jahr sehen. Und zum dritten sieht es natürlich auch einfach besser aus."
Frage: "Freust du dich, dass die Saison zu Ende geht?"
Heidfeld: "Von mir aus dürfte das Jahr ruhig noch etwas andauern, denn dann könnte ich sicherlich noch ein paar Punkte und Positionen gutmachen. Aber jetzt ist die Saison leider vorbei und ich freue mich schon auf die nächste."
Frage: "Würdest du dir wünschen, dass das kommende Jahr ebenso ausgeht wie auf der Carrera-Bahn?"
Heidfeld: "Da bin ich Zweiter geworden...(lacht; Anm. d. Red.). Robert war hinter mir, das ist also schon einmal ein Anfang. Das ist aber nicht das endgültige Ziel - und das ist, Weltmeister zu werden. Dazu muss man aber natürlich zunächst einmal seinen Teamkollegen schlagen. Im Vorjahr hat das geklappt, in diesem Jahr nicht unbedingt so sehr. 2009 werde ich wieder alles daran setzen, dass es wieder so läuft, wie in den eineinhalb Jahren vor dieser Saison."
Frage: "Wie realistisch schätzt du die Chancen ein, 2009 mit BMW Sauber um den Titel fahren zu können?"
Heidfeld: "Wir sind das neue Auto noch nicht gefahren, dementsprechend ist es schwierig zu sagen, wie wir uns im kommenden Jahr schlagen werden. Was natürlich dafür spricht, ist die Tatsache, dass wir bislang alle Ziele erreicht haben, die wir uns vor einigen Jahren gesetzt hatten. Ich kenne kein anderes Team, welches das geschafft hat. Alle großen Neueinsteiger in der Formel 1 hatten einen Vier- oder Fünfjahresplan und wir sind bis jetzt der einzige Rennstall, der diesen bislang auch eingehalten hat. Was die Sache etwas schwieriger macht, ist die Tatsache, dass sich das Reglement komplett ändert."
"Würden die Regeln konstant bleiben, dann wäre ich überzeugt davon, dass wir einen weiteren Schritt nach vorne machen und um den Titel kämpfen könnten. Da kann also wirklich alles noch einmal durcheinander gewürfelt werden. Das Reglement ändert sich 2009 so radikal, wie schon lange nicht mehr. Da ist dann natürlich mehr Spielraum nach oben und unten. Ich hoffe einfach, dass wir ein glückliches Händchen haben und vorne mit dabei sein können."
Heidfeld setzt auf Hamilton

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Herausragender Moment der Saison 2008: Nick Heidfeld auf dem Podium in Spa Zoom
Frage: "Wann gewinnt Nick Heidfeld sein erstes Rennen?"
Heidfeld: "Hoffentlich in der kommenden Saison, wobei ich mir gewünscht hätte, dass es schon in diesem Jahr passiert. Ich bin ehrlich gesagt - verwundert wäre das falsche Wort, doch ich habe kein großes Problem damit, dass es bislang nicht passiert ist. Bis auf Kanada saß ich nie in dem Auto oder hatte niemals die Chance, dahingehend etwas zu machen. Kanada war das einzige Rennen, was mir etwas schwergefallen ist im Nachhinein - denn dort hätte ich die Chance gehabt."
Frage: "Wie wichtig ist so ein Fan Fest für dich, noch dazu in München?"
Heidfeld: "Das macht immer wieder Spaß. Das haben wir in den vergangenen Jahren ja schon des Öfteren gehabt. Man merkt eigentlich immer erst beim Event selbst, wie viel Spaß es allen Leuten macht. Es ist schon immer ein sehr spezieller Termin und auch, so viele Fans vorzufinden. Dabei ist es noch nicht einmal offen, denn es sind ja nur einige spezielle Fans da. Es ist schön, wenn man ihnen dann etwas zurückgeben kann. Ich liebe die Formel 1 und die Fans tun das wahrscheinlich auch. Letztendlich kommt es einfach darauf an, den Spaß mit den Leuten zu teilen."
Frage: "Wem traust du den WM-Titel zu?"
Heidfeld: "Ich würde mein Geld auf den Lewis setzen (Lewis Hamilton; Anm. d. Red.). Er hat sieben Punkte Vorsprung und das müsste reichen. Auch wenn er es im vergangenen Jahr grandios verbockt hat, so hat er sicherlich daraus gelernt."

