• 04.04.2002 15:13

  • von Reinhart Linke

Brawn: "Es gibt zu viele Zwischenfälle am Start"

Ferrari-Technikdirektor Ross Brawn fordert im Interview zu mehr Gelassenheit am Start auf und erklärt den Ausfall von Barrichello

(Motorsport-Total.com/Haymarket) - Entgegen allen Vorhersagen konnte das Ferrari-Team am Wochenende in Sao Paulo den Grand Prix von Brasilien gewinnen und damit gleich das erste Rennen des F2002 siegreich beenden. Zuvor hieß es, die Fahrer des BMW-Williams-Teams würden mit ihren Michelin-Reifen den Sieg unter sich aus machen. So war es aber Michael Schumacher, der gleich nach dem Start in Führung ging und diese nur für drei Runden an seinen Teamkollegen Rubens Barrichello und für fünf Runden an Ralf Schumacher verlor.

Titel-Bild zur News: Ross Brawn

Ross Brawn freut sich über den Sieg von Michael Schumacher in Sao Paulo

Obwohl gegen Rennende der Bruder des vierfachen Weltmeisters schneller war, fand er keinen Weg am 33-Jährigen wobei, so dass Michael Schumacher seinen 55. Sieg feierte und gleichzeitig für Ferrari Sieg Nummer 146 holte.

Ferrari-Technikdirektor Ross Brawn freut sich im Interview über den "Überraschungserfolg" von Sao Paulo und erklärt, warum Rubens Barrichello bei seinem Heimrennen ausgefallen ist. Außerdem nimmt der 47-jährige Brite zum Duell Michael Schumacher gegen Juan-Pablo Montoya Stellung und wagt einen ersten Ausblick auf den kommenden Grand Prix in Imola am 14. April.

Brawn: "Barrichello wäre Dritter geworden"

Frage: "Sind sie mit der Strategie zufrieden, die sie ausgearbeitet haben?"
Ross Brawn: "Die Schwierigkeit war, wie die Reifen im Rennen reagieren würden, da niemand in der Lage war, so viele Runden im Training zu fahren. Es war keine einfache Wahl, aber es war eine gute Wahl. Rubens war offensichtlich auf einer anderen Strategie, aber er machte große Fortschritte. Ich bin sicher, dass er Dritter geworden wäre. Aber so war es frustrierend."

Frage: "Was geschah mit Rubens?"
Brawn: "Er hatte irgendein hydraulisches Problem. Er verlor die Drosselklappensteuerung, was normalerweise auf ein Hydraulikproblem deuten lässt. Er war gerade in Führung, nachdem er von Platz acht gestartet war ? was unsere Strategie bestätigte. Ich denke, dass es funktioniert hätte und er ein gutes Ergebnis erzielt hätte. Er hätte aber nicht gewonnen, weil er auf einer Zweistoppstrategie war, Michael stoppte nur ein Mal."

Frage: "Dies sollte eigentlich ein Michelin-Rennen sein, aber es lief viel besser?"
Brawn: "Ja, wir sind sehr erfreut. Es war ein Rennen, bei dem wir nicht vorausgesagt hätten, dass wir es gewinnen. Der Sieg ist für jeden bei Bridgestone und Ferrari eine große Prämie und ein großer Auftrieb. Die Reifen waren wirklich sehr gut. Ich weiß nicht, ob ihre (Michelin-) Reifen gut arbeiteten und was sie während des Trainings mit ihnen gemacht haben. Aber für uns war es sehr gut."

Brawn fordert Schumacher und Montoya zur Vorsicht auf

Frage: "Wie sehen sie den Zwischenfall am Anfang?"
Brawn: "Wir waren sehr glücklich, in der Lage zu sein, weiterzufahren. Juan-Pablo gab Michael einen leichten Schlag von hinten. Ich habe nicht gesehen, dass Michael irgendetwas falsch gemacht hat, obgleich ich verstehe, dass Montoya das anders sieht. Ich denke, dass jeder gerade durch die ersten Kurven ruhig fahren sollte und das Rennen erst ein Mal begonnen werden muss, weil wir zu viele Ereignisse am Anfang der Rennen haben."

Frage: "Denken sie, dass eine Gefahr besteht, dass das Duell Michael Schumacher gegen Juan-Pablo Montoya ausufert?"
Brawn: "Von unserer Seite aus wird nicht eingeschritten. Michael ist sehr ruhig, er erkennt, dass Juan-Pablo ein sehr guter Fahrer ist, also hat Michael kein Problem mit Juan-Pablo. Ich schätze, wenn man immer zwei gleichstarke Fahrer in der ersten Startreihe hat, ist es unvermeidlich, dass es harte Kämpfe gibt. Ich denke, man muss in Zukunft ein wenig überlegen, was man riskiert und was man lieber sein lassen sollte. Wir haben unser Rennen in Malaysia wegen einem solchen Vorfall verloren und sie haben jetzt ihr Rennen mit Montoya verloren. Langfristig gesehen hilft es niemandem."

Frage: "Irgendeine Ahnung, wo sie mit dem alten Auto gestanden hätten?"
Brawn: "Nein, nicht wirklich! Wir kennen den Unterschied zwischen den zwei Autos nicht wirklich. Wir wissen, dass das neue Auto besser ist. Die Vorteile sind von Strecke zu Strecke unterschiedlich und ich bin mir nicht sicher, welche Unterschiede es hier gegeben hat. Es ist offensichtlich, dass der Infield-Abschnitt bei uns besser war. Wir haben im neuen Auto aber auch einen besseren Motor als im alten. Und das ist hier eine Motorenstrecke. Was sehr schön ist, ist, dass wir auf einer Strecke, auf der Michelin und Williams besser hätten sein müssen, sie besiegt haben. Es ist ein großartiger Sieg! Hoffentlich können wir auch unser Heimrennen gewinnen."

Brawn: "Die letzten Runden waren sehr aufregend"

Frage: "Der Einsatz des neuen Autos verzögerte sich einige Monate. Sind sie jetzt mit der Art und Weise, wie es gelaufen ist, zufrieden?"
Brawn: "Selbstverständlich. Ihn hier her zu bringen und zu gewinnen ist ein perfektes Resultat. Wir waren in den letzten Runden in der Box sehr besorgt, aber tatsächlich lief es genauso wie die Runden vorher. Michael war sehr stark, wobei wir ihn stets informierten, wo Ralf war, weil man im Auto nicht genau sehen kann, wie nah ein anderes Auto dran ist. Wir hatten viele Gespräche über den Funk. Durch die Unterhaltungen kam das Ziel ziemlich schnell."

Frage: "Was können sie zum folgenden Rennen sagen?"
Brawn: "Williams war letztes Jahr in Imola sehr stark und wir hatten kein gutes Rennen. Wenn man die Vergangenheit also betrachtet, ist es ihr Rennen, aber ich war sehr erfreut über die Barcelona-Tests. Ich denke, dass es ein Auf und Ab in den nächsten Rennen geben wird. Ich glaube, dass es eine harte Saison wird."