• 01.06.2002 11:48

  • von Marcus Kollmann

Brawn: Bis zum Titelgewinn ist es noch ein langer Weg

Ferraris Chefstratege spricht über das Rennwochenende in Monaco und warum die Kritik an der Stallorder das Team noch stärker gemacht hat

(Motorsport-Total.com/Haymarket) - Nach der Ferrari-Teamorder und Dominanz der "Roten" beim Großen Preis von Österreich, wurden die Piloten der Scuderia im Prestige-Rennen im Fürstentum zwei Wochen später unter Wert geschlagen.

Titel-Bild zur News: Ross Brawn

Ross Brawn weiß, dass die WM noch lange nicht gelaufen ist

Michael Schumacher hatte seinen F2002 am Samstag nur auf den dritten Startplatz und Rubens Barrichello seinen Boliden nur auf den fünften Startplatz stellen können. Im 78 Runden langen Grand Prix war die rote "Diva" zwar das stärkste Auto im Feld, doch mangels Überholmöglichkeiten in Monaco hieß der Sieger am Ende nicht Michael Schumacher. Der Deutsche sah schlussendlich als Zweiter die schwarz-weiß-karierte Flagge und freute sich über die sechs WM-Zähler so als hätte er den Grand Prix gewonnen. Sein brasilianischer Teamkollege ging überraschend leer aus.

Der Ausgang des Monaco-Grand Prix bestätigte Ross Brawn, der nach der Teamanweisung auf dem A1-Ring erklärt hatte die Teamorder sei in Hinblick auf die Weltmeisterschaft nötig gewesen, darin, dass man beim sechsten WM-Lauf trotz der Kritik an der eigenen Entscheidung vollkommen richtig gehandelt hatte. Nach dem Grand Prix in Monte Carlo sprach der Brite im Interview ausführlich über den Verlauf des letzten Rennwochenendes und über die Stimmung im Team nach der Kritik an der offen praktizierten Teamorder in Österreich.

Brawn: Der F2002 war fantastisch im Rennen, weshalb es frustrierend ist nicht gewonnen zu haben

Frage: "Ross, wenn man von Startposition 3 ins Rennen geht und am Ende Zweiter in Monaco wird, dann kann man darüber eigentlich nicht zu sehr enttäuscht sein oder?"
Ross Brawn: "Ich denke das stimmt. Allerdings ist es sehr frustrierend mit einem Auto das so gut im Rennen war am Ende nicht gewonnen zu haben. Aber in Monaco fiel die Vorentscheidung in der Qualifikation und beim Start. Um aber David gegenüber far zu sein, muss man sagen, dass er einen supertollen Start hatte. Es sah aber für uns dennoch nicht zu schlecht aus und wir hatten einen Plan. Leider bekam Juan-Pablo dann Probleme und fiel 6 bis 8 Sekunden hinter David zurück und von da an wurde es für uns ziemlich schwierig. Wir schauten, ob wir etwas über unseren Boxenstopp erreichen könnten, und es sah sehr gut aus, doch McLaren holte Coulthard an die Box bevor sein Vorsprung zu gering war. Alles in allem war es ein Rennen mit wenigen Möglichkeiten, weshalb der zweite Platz kein schlechtes Ergebnis ist. Aber wie ich schon sagte, es war sehr frustrierend nicht gewonnen zu haben, denn unser Auto war im Rennen wirklich fantastisch."

Frage: "Lag es schlussendlich an den Reifen die in der Qualifikation nicht so gut funktionierten oder war es eine Kombination aus den Reifen und weil Michael am Samstagmorgen ein Problem gehabt hatte?"
Brawn: "Wir haben die Dinge einfach nicht zusammenbekommen, doch man konnte sehen, dass wir im Rennen einen sehr guten Reifen hatten. Einen Reifen zu haben der in der Qualifikation und im Rennen gut ist, ist nicht so leicht. Es ist schwierig diese Kombination hinzubekommen. Im Rückblick muss man sagen, dass unser Reifen im Rennen etwas zu gut und in der Qualifikation etwas zu schwach war."

Hätte Coulthard zwei, drei Runden später gestoppt, wäre Michael vorbeigewesen

Frage: "Wie frustrierend ist es für Sie am Kommandostand, wenn sie Ihren Fahrer hinter jemanden festhängen und gleichzeitig den Führenden davonfahren sehen?"
Brawn: "Nun, wir konnten zu jenem Zeitpunkt nicht viel dagegen machen. Juan-Pablo hatte ein Problem, denn nachdem wir an ihm vorbei waren, ließ er auch Ralf vorbei. Es war offensichtlich, dass er Ralf sonst auch aufgehalten hätte. Zur Rennhälfte war es ein bisschen hektisch, weil so viele Dinge passierten. Wir versuchten das Beste aus der Situation zu machen. Ich denke, dass wir den Boxenstopp zum richtigen Zeit durchführten, doch McLaren war klug genug, um ebenfalls zu stoppen. Ich denke, dass Michael, wenn sie zwei oder drei Runden später nachgetankt hätten, es geschafft hätte."

Frage: "Aber Sie führten den Boxenstopp schon etwas früher durch, um durch die Sache mit Montoya nicht noch weiter an Boden zu verlieren oder?"
Brawn: "Ich fragte Michael wie viel er schneller fahren könnte und er gab mir dann die Antwort. Ich erkannte, dass wir den Boxenstopp machen sollten. Wir hatten außerdem noch ein paar weitere Informationen, denn nachdem Rubens sein Problem gehabt hatte und wieder auf der Strecke war, war er auf Anhieb die schnellste Runde gefahren. Dadurch sah ich, was möglich ist."

Rubens Unfall sah spektakulärer aus als er war

Frage: "Was denken Sie über den Verlauf von Rubens Rennwochenende?"
Brawn: "Ich denke, dass es, wenn man solch ein gutes Auto hat und ein ganzes Rennen lang hinter einem anderen Piloten festhängt, ganz schön frustrierend ist. Ich glaube, dass er dachte eine Chance zu sehen und am Ende lief es leider nicht wie er sich das gewünscht hatte."

Frage: "Das Team leistete gute Arbeit, um Rubens wieder ins Rennen zu schicken. War bei der Kollision mit Räikkönen nur die Nase beschädigt worden?"
Brawn: "Ja, nur die Nase. Wir prüften die Daten der Telemetrie und konnten nichts Ungewöhnliches erkennen. Nachdem er wieder auf der Strecke war, bestätigte sich unsere Eindruck, denn die Werte sahen alle normal aus. Wir haben ein Alarmsystem, welches uns sofort informiert wenn irgendwelche Aufhängungskomponenten stärker als normal üblich belastet werden und es gab keinen Alarm. Die Kollision, vor allem als er kurz in die Luft aufstieg, sah etwas spektakulär aus, doch im Vergleich zu den Kräften die in High-Downforce-Kurven wirken war es nichts Ungewöhnliches. Wir konnten ihn deshalb auch vollkommen beruhigt wieder ins Rennen schicken. Leider war er bei der Ausfahrt aus der Box schneller als erlaubt und von da an war es eine reine Aufholjagd für ihn."

Frage: "Schon irgendwelche Vorstellungen wie es in Kanada laufen könnte?"
Brawn: "Ich denke, dass es dort für uns okay sein sollte. Das Gute an Kanada ist, dass man dort zumindest überholen kann. Wir müssen ganz sicher in der Qualifikation etwas zulegen, doch wir haben meiner Meinung nach einen guten Reifen für Kanada. Selbst wenn wir es in der Qualifikation nicht hinbekommen sollten, so können wir uns auf ein weniger frustrierendes Rennen einstellen."

Frage: "Glauben Sie, dass die Reifen ab sofort an jedem Wochenende den Unterschied ausmachen werden?"
Brawn: "Nun, dort wo man nicht testen kann, um den Reifen zu prüfen und sein Verhalten zu verstehen, ist es besonders schwierig. In Monaco ist es immer eine neue Erfahrung, denn die Reifen sind so weich, dass man sie auf keiner anderen Strecke richtig beurteilen kann."

Brawn: Die Kritik an Ferrari nach der Stallorder in Österreich hat uns nur enger zusammengeschweißt

Frage: "Nach der Stallorder in Österreich gab es eine Menge Kritik an Ferrari. Wie stark wurde das Team dadurch von der Arbeit in den letzten zwei Wochen abgelenkt?"
Brawn: "Uns hat das nicht wirklich abgelenkt. Wenn es etwas bewirkt hat, dann hat es unsere Leute nur noch stärker gemacht. Ich war von unseren Leuten und ihrer Arbeit unter den schwierigen Umständen wirklich beeindruckt. Wenn es etwas bewirkt haben sollte, dann wohl dass es uns als Team noch enger zusammengeschweißt hat. Das ist das Gute an Ferrari - wenn die Dinge ungünstig laufen, halten wir zusammen. Ich nehme an, dass schon ein wenig Ablenkung irgendwo da war, doch man konnte sehen, dass unser Auto in Monaco schnell und zuverlässig war. Nur die Reifen haben sich etwas komisch verhalten, indem sie in der Qualifikation nicht so gut waren und dafür im Rennen fantastisch funktionierten. Und die Reifen der Konkurrenz waren in der Qualifikation fantastisch dafür aber machten sie im Rennen keinen so guten Eindruck. Nur in Monaco wird man dafür nicht bestraft..."

Frage: "Rechtfertigt die Tatsache, dass Ferrari in Monaco keinen einfachen Doppelsieg holte die Entscheidung von Österreich?"
Brawn: "Ich bin froh, dass das angesprochen wird. Genau weil wir wussten dass so etwas passieren kann, haben wir ja die Teamorder angewendet. Selbstverständlich hat Michael seine Führung in der Weltmeisterschaft durch seinen zweiten Platz weiter ausbauen können, doch jeder der ein Rennen isoliert von den restlichen betrachtet versteht ganz einfach den Motorsport und worum es geht nicht. Das ganze Kräfteverhältnis kann schon alleine durch einen besseren Reifen der Konkurrenz kippen. Michelin könnte einen großen Schritt nach vorn mit den Reifen machen und dann würde es für uns sehr schwer werden. Wir könnten natürlich auch einen großen Schritt mit den Reifen machen und es würde für uns einfacher. Tatsache ist, dass man so etwas nicht vorhersehen kann und es bis zum Gewinn der Weltmeisterschaft noch ein langer Weg ist."