• 18.07.2003 21:20

Brawn: "Acht Zylinder wären schön"

Das Ferrari-Genie in der Pressekonferenz über das Motorenreglement, das aktuelle Rennformat und die Krise bei Barrichello

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Ross, gestern gab es ein Meeting, bei dem die Möglichkeit besprochen wurde, den Hubraum der Motoren zu beschränken, um die Geschwindigkeiten zu drosseln. Ist das der richtige Weg?"
Ross Brawn: "Ich denke, es gibt das Gefühl im Paddock, dass es nett wäre, die Motoren ein wenig zu regulieren. Als wir mit der aktuellen Formel begonnen haben, hatten wir 700 bis 750 PS, inzwischen aber sind wir bei 900 angelangt. Es wird bis 2007 Stabilität geben und dann haben wir wahrscheinlich 950 oder sogar 1.000 PS erreicht. Wenn es also den Wunsch gibt, die Autos zu verlangsamen, dann ist das eine Sache, die man sehr sorgfältig in Betracht ziehen muss. Der einfachste Weg wäre vermutlich, einfach zwei Zylinder zu entfernen. Jetzt haben wir drei Liter Hubraum und zehn Zylinder. 2,4-Liter-Motoren mit acht Zylindern wären schön, denn das würde bedeuten, dass die Verbrennung, die Kolben und die Ventile im Prinzip übernommen werden könnten. Daher gibt es eine Tendenz dazu, dass 2,4 oder 2,5 Liter eine angebrachte Reduktion wären, aber einige der Motorenhersteller haben Marketingstrategien, die sich um den V10 drehen und das macht es schwierig, zu einem Agreement zu kommen. Einen V10 mit weniger Kapazität zu bauen, wäre eine sehr teure Übung. Das wäre ein hoch drehender Motor, mit noch höheren Drehzahlen als jetzt schon. Es ist also schwierig, eine Übereinkunft zu finden, aber die Sache würde die Leistungsfähigkeit der Autos definitiv beeinflussen. Das ist eine Tatsache, während viele andere Vorschläge, die diesbezüglich auf dem Tisch liegen, nicht hundertprozentig eingeschätzt werden können, was ihre Effekte angeht."

Titel-Bild zur News: Ross Brawn

Ferrari-Genius Ross Brawn möchte auf V8-Motoren umsteigen

Frage: "Es wird auch viel über das Format der Rennwochenenden debattiert..."
Brawn: "Ich denke, es gibt eine sehr entscheidende Sache, was das Format der Rennen angeht, nämlich das Konzept, mit dem Rennsprit schon im Qualifying antreten zu müssen. Diese Definition bindet uns an ein Einzelzeitfahren, weil man logischerweise nicht eine ganze Serie an Runden mit dem Sprit für das Rennen bestreiten kann. Folgt man einem logischen Diagramm, dann ist die Frage meines Erachtens nicht, ob der Sprit für Qualifying und Rennen eine gute Sache ist, denn dadurch werden einige Folgeentscheidungen schon vorgegeben. Unglücklich daran ist, dass dieses Format ins Leben gerufen wurde, um kleinen Teams die Chance auf eine Sternstunde zu geben, indem sie einmal weniger Benzin tanken, aber ich sehe das nicht passieren. Die kleinen Teams sind clever genug, dass sie das nur als sehr kurzfristiges Highlight einstufen. Ich glaube, dass sich daran auch nächstes Jahr nichts ändern wird. Ich halte dieses Format nicht für zielführend, denn letztes Jahr ? auch wenn es für uns ein außergewöhnliches Jahr war ? wurde zumindest am Anfang überholt, weil die verschiedenen Autos auf verschiedenen Strategien waren. Das haben wir nicht mehr. Jetzt sind die Autos so gereiht, wie sie vom relativen Speed her eben drauf sind. Der schnellste Fahrer ganz vorne hat eine bestimmte Benzinmenge und ist damit am schnellsten, der Fahrer, der hinter ihm steht, ist ein wenig langsamer und so weiter und so fort. Man kann keine verschiedenen Strategien mehr anwenden. Das Problem ist auch, dass das Design der Fahrzeuge dadurch beeinflusst wird. Die anfängliche Frage war, wie das neue Format das Design des Autos beeinflussen würde, denn die Benzinkapazität wird vom neuen Reglement bestimmt und wir gehen in Richtung sehr kleiner Benzintanks. Ist das einmal geschehen, ist es sehr schwierig, von diesem Konzept wieder abzuweichen. Daher müssen wir uns zuerst die Frage stellen, ob das momentane Format funktioniert und ob wir es beibehalten wollen, denn wenn einmal eine Entscheidung gefallen ist, werden dadurch entweder einige Türen verschlossen oder geöffnet. Das Einzelzeitfahren muss man hinterfragen. Am Anfang habe ich es sehr befürwortet, ich hielt es für eine gute Sache, aber jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher. Sicherlich bekommen die kleinen Teams etwas mehr TV-Präsenz, aber das Spektakel an sich ist meiner Meinung nach dadurch nicht aufregender geworden. Man muss sich jetzt eben fragen, ob das Einzelzeitfahren ein Erfolg ist oder nicht."

Lob für die Anlage in Silverstone ? Verkehr problematisch

Frage: "Was hältst du von Silverstone in Bezug auf die Arbeitsbedingungen?"
Brawn: "Ich finde, die Anlagen sind sehr gut. Die Größe der Garagen und all diese Dinge sind exzellent. Ich weiß nicht, ob du das mitbekommen hast, aber heute Morgen war es über die A43 sehr schwer, hierher zu kommen. Nicht alle Probleme wurden also gelöst, aber für die Teams ist Silverstone so geeignet wie jede andere Anlage, daran gibt es keinen Zweifel."

Frage: "Es gibt ein Gerücht, dass Bridgestone einen Brief an Ferrari geschrieben hat, weil sie nicht mehr möchten, dass Felipe Massa Reifen testet. Stimmt das?"
Brawn: "Ich weiß nicht, wer deine Fragen zusammenstellt, aber du brauchst auf jeden Fall einen besseren Redakteur, denn das ist wahrscheinlich die am wenigsten auf Fakten bezogene Frage, die hier je gestellt wurde. Felipe ist ein sehr guter Testfahrer, er gibt gute Informationen und wir sind sehr glücklich, dass wir vier Fahrer haben, die sehr gutes Feedback geben können. Daher haben wir kaum Präferenzen, wer was machen soll. Manchmal gibt es Situationen, in denen ein Rennreifen für das nächste Wochenende ausgesucht werden muss ? dann kann es schon vorkommen, dass wir einmal einen oder beide Rennfahrer um ihre Meinung bitten. Das ist letzte Woche passiert. Man entschuldige meine Ausdrucksweise, aber das ist kompletter Bockmist..."

Nur kleine Problemchen für Barrichello-Krise verantwortlich

Frage: "Rubens hatte zuletzt einige Probleme. Woran liegt das?"
Brawn: "Es waren einfach unglückliche Umstände und der Grat zwischen Erfolg und Misserfolg ist ja auch sehr schmal, wie wir zwischen letztem Jahr und diesem Jahr an der eigenen Haut erfahren. Es gibt heute viel mehr Fahrer, die in die Top 6 fahren können ? wenn du da einmal einen kleinen Fehler machst, ist rasch alles verloren. Letztes Jahr ist Rubens hier als Letzter ins Rennen gegangen, aber er wurde noch Zweiter. Das kann man sich momentan nicht leisten. Hat man einmal einen kleinen Defekt oder ein Problem, dann ist man weg vom Fenster. Bei ihm gab es eben ein paar unglückliche Zwischenfälle. Es sieht natürlich dumm aus, aber wenn es so etwas gibt, passieren diese Dinge sehr oft einem Fahrer in einem Team. Beim letzten Qualifying zum Beispiel ? wir haben zwischen Warm-Up und Qualifying nur eine Kleinigkeit umgestellt, aber er hatte dadurch im Qualifying keine Chance mehr. Daher musste er etwas weiter hinten starten und somit war sein Rennen eine sehr schwierige Angelegenheit. Der Grat ist schmal geworden und dieses Jahr ist in dieser Hinsicht normaler als das letzte. Rubens ist ein sehr guter Fahrer und er wird natürlich mit Michael verglichen, der der außergewöhnlichste Fahrer der letzten paar Generationen ist. Das ist für Rubens nicht einfach, ganz klar. Wenn unser Paket etwas besser wäre, würde er sicher einen ähnlichen oder noch besseren Job als letztes Jahr machen."