• 19.02.2011 14:30

  • von Dieter Rencken

Boullier: "Heidfeld war die logische Wahl"

Renault setzt auf die Erfahrung von Nick Heidfeld - Teamchef Eric Boullier spricht im Interview die Gründe an, die für die Verpflichtung des Deutschen entscheidend waren

(Motorsport-Total.com) - Nach dem schweren Unfall von Robert Kubica musste sich Renault rasch einen Ersatz suchen. Die Wahl ist nicht auf einen der drei Ersatzpiloten gefallen, sondern auf Nick Heidfeld. Von seiner jahrelangen Erfahrung erhofft sich das Team einen klaren Vorteil bei der Entwicklung des R31. Teamchef Eric Boullier erklärt im Interview die Gründe, die für Heidfeld gesprochen haben.

Titel-Bild zur News: Eric Boullier

Renault-Teamchef Eric Boullier hatte Nick Heidfeld sofort ganz oben auf der Liste

Frage: "Nach Roberts Unfall musstest du rasch Entscheidungen treffen. Welche Fahrer hattest du in Betracht gezogen und wie ist die Entscheidung gefallen?"
Eric Boullier: "Zuerst habe ich die Situation mit meinem technischen Direktor und meinem Chefingenieur besprochen. Ich bin hier, um das Beste für das Team zu erreichen und nicht für mich persönlich. Wir hatten ein langes Gespräch. Der Unfall ist sehr früh in der Saison passiert, also gleich nach drei Testtagen in Valencia."

"Wir sind zu dem Entschluss gekommen, dass wir definitiv einen sehr erfahrenen Fahrer brauchen. Er musste natürlich schnell sein und den Charakter haben, um technische Entscheidungen zu treffen. Als wir das entschieden haben, kam auch die Erfahrung mit den Pirelli-Reifen dazu. Eventuell sollte der Fahrer bereits 2009 mit KERS gefahren sein. Wenn man diese Dinge auf der Liste hat, gab es nur eine logische Wahl: Nick Heidfeld."

Frage: "Außerdem ist Nick zusammen mit Robert bei BMW gefahren. Es gibt also eine Vergleichsmöglichkeit."
Boullier: "Exakt. Außerdem habe ich bereits im vergangenen Jahr zahlreiche Gespräche mit ihm geführt, denn er wollte wissen, wie sich 2011 bei uns entwickelt. Da ich Nick bereits kannte, war der Kontakt leicht hergestellt. Deshalb war er unsere erste Wahl. Natürlich konnte ich mich nicht auf einen Fahrer verlassen, also habe ich einen Plan B gesucht."

"Wir haben die Situation mit Robert besprochen. Er hat zwei Fahrer angesprochen, nämlich Nick und Liuzzi. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits meine Liste gemacht. Nick war Nummer eins, während Liuzzi und de la Rosa auf Platz zwei waren. Wir haben mit allen drei Fahrern gesprochen."

"Wir mussten Nick so schnell wie möglich eine Testmöglichkeit verschaffen. Dieser ist auch gut verlaufen. Es ging nicht um den reinen Speed, sondern auch um technische Dinge. Er hatte in der Fabrik ein Meeting mit den Ingenieuren. Und so wie er in Jerez mit den Ingenieuren gesprochen hat, war er dabei. Ich war schon am Vormittag überzeugt von ihm."

Frage: "Hat dich Nicks Management zu einem Vertrag gedrängt?"
Boullier: "Mein erster Kontakt mit Nicks Management kam erst als ich die Entscheidung bereits für mich getroffen hatte.".

Frage: "Als das Team in Valencia vorgestellt wurde, gab es neben den beiden Einsatzfahrern auch drei Testfahrer. Trotzdem hast du keinen der Ersatzpiloten genommen. Warum nicht?"
Boullier: "Wenn der Unfall später im Jahr passiert wäre, dann wäre das Auto besser entwickelt gewesen. Dann hätte ich einen der Ersatzfahrer genommen. Außerdem wäre er dann ein halbes Jahr bei uns im Team gewesen und würde die ganzen Abläufe kennen. Es wäre jetzt ein zu großes Risiko gewesen, diese Aufgabe einem Fahrer zu übergeben, der nur ein Jahr Formel-1-Erfahrung hat."

"Es wäre zu dumm von mir gewesen, diese Verantwortung zu übergeben. Man muss die Leute im Hintergrund respektieren, die mit Vollgas an diesem Projekt arbeiten. Wir wollen dem Team eine positive Ausstrahlung verleihen und wieder erfolgreich sein. Für Robert wäre es schon eine große Aufgabe gewesen, aber mit zwei jungen Fahrern wäre es problematisch gewesen, wenn wir nichts entwickelt hätten."


Fotos: Renault, Testfahrten in Barcelona


Frage: "Es ist also kein Rückschlag für die Testfahrer, sondern den Umständen geschuldet?
Boullier: "Genau."

Frage: "Direkt nach Roberts Unfall wurde über viele Fahrer spekuliert. Räikkönen war zum Beispiel auch im Gespräch. Hattest du viele Anfragen?"
Boullier: "Ja. An diesem Sonntag hatte ich ungefähr 150 Telefonanrufe und zahlreiche Emails. Ich habe natürlich viele Anrufe verpasst, denn ich musste Prioritäten setzen."

Frage: "Wie kann Nick dem Team noch weiterhelfen? Ist dir etwas Besonderes aufgefallen?"
Boullier: "Ich war überrascht, wie früh er sich bereits als Teamleader positioniert hat. Bereits nach seinen ersten Runden hat er klar nach Änderungen verlangt."

Frage: "Wie sieht sein Vertrag aus? Bleibt er solange im Auto bis Robert wieder zurückkehren kann?
Boullier: "Mit Respekt für Robert, wir wissen natürlich nicht, wann er wieder zurück sein kann. Nick hat einen offenen Vertrag."

Frage: "Ihr sucht euch also nicht nach ein paar Rennen einen neuen Fahrer, sondern Nick bleibt sicher im Auto bis Robert wieder verfügbar ist?
Boullier: "Genau."

Frage: "Nick kennt die Pirelli-Reifen von seinen Testfahrten für die Italiener. Hat er euch schon spezielle Informationen gegeben?
Boullier: "Ja und nein. Ehrlich gesagt ist es kein großer Vorteil. Er hat bei der Konstruktion der Reifen mitgearbeitet. Er wusste also genau wie sich die Reifen verhalten. Seither wurde aber viel an den Mischungen gearbeitet. Die Basiskenntnis der Reifen war also vorhanden, weshalb wir Zeit gespart haben. Aber die Reifen sind natürlich jetzt anders."