• 18.02.2011 18:45

  • von Dieter Rencken

Heidfeld: "Dieses Jahr tappen wirklich alle im Dunkeln"

Nick Heidfeld im Interview: Wie er Renault einschätzt, was er von den Unruhen in Bahrain hält und welche Antwort er den Kritikern der Pirelli-Reifen gibt

(Motorsport-Total.com) - Nick Heidfeld bestritt heute in Barcelona seinen ersten Testtag als offizieller Renault-Pilot. Der Mönchengladbacher, der im Vorjahr zunächst für Neo-Reifenlieferant Pirelli Tests absolvierte und später bei Sauber mit mäßigem Erfolg Pedro de la Rosa ersetzte, bekommt dieses Jahr unverhofft eine Chance bei einem Topteam.

Titel-Bild zur News: Nick Heidfeld, Robert Kubica

Nick Heidfeld will die Kritik an den Pirelli-Reifen nicht auf sich sitzen lassen

Nach dem schweren Rallyeunfall von Renault-Ass Robert Kubica überzeugte er den Rennstall mit einer starken Testleistung in Jerez und wurde daraufhin als Ersatzpilot für seinen ehemaligen Teamkollegen nominiert. Im Interview spricht er über die ersten Eindrücke von seinem neuen Team, die Kritik an den von ihm mitentwickelten Pirelli-Gummis und die Unruhen in Bahrain.

Frage: "Nick, du hast durch Kubicas Rallyeunfall überraschenderweise doch noch ein Cockpit für die Saison 2011 ergattert."
Nick Heidfeld: "Es ist eine gute Gelegenheit, aber natürlich nicht unter den Umständen, die ich mir erhofft habe. Man sieht es nie gern, wenn jemand einen Unfall hat, besonders wenn es so abläuft wie bei Robert. Das war wirklich schlimm, am Anfang sah es sogar noch schlechter aus. Zumindest sagen die Ärzte, dass er auf einem guten Weg ist und dass es ihm bald gut geht."

Frage: "Wird Renault die Überraschung der Saison?"
Heidfeld: "Jedes Team hofft das zu Saisonbeginn. Red Bull hofft, dass sie wieder gewinnen werden. Der einzige Unterschied ist, dass es für sie keine Überraschung wäre. Letztes Jahr hatten sie aber eine tolle Saison und ein gutes Entwicklungstempo. Die Ziele sind recht hoch, doch es ist immer noch sehr früh. Wir werden sehen."

Pirelli-Vorteil für Heidfeld?

Frage: "Wie ist es heute gelaufen?"
Heidfeld: "Diesen Morgen habe ich ein paar Boxenstopps gemacht. Es war etwas feucht, also hatte ich zum ersten Mal die Chance, die Intermediates und die Regenreifen zu probieren. Dennoch ist es schwer, viel über sie zu sagen, da ich bei meinen Runden nur aus der Box und in die Box gefahren bin."

Frage: "Du hast vor den anderen die Pirelli-Reifen getestet. Ein Vorteil?"
Heidfeld: "Ich hoffe, dass es ein Vorteil ist. Ich war ganz klar an Teilen der Entwicklung beteiligt, vor allem was die Konstruktion angeht. Bei den Mischungen war ich nicht beteiligt, der Reifen sollte mir aber gut liegen."

"Ich bin dafür verantwortlich, dass die Reifen jetzt besser sind als früher." Nick Heidfeld

Frage: "Viele Fahrer sind mit den Pirelli-Reifen unzufrieden. Fällt das in deinen Verantwortungsbereich?"

Heidfeld: "Naja, ich bin dafür verantwortlich, dass es jetzt besser ist als früher. Man darf nicht vergessen, dass Pirelli nur sehr wenig Zeit hatte, um die Reifen zu entwickeln. Es war erst im Spätsommer fix, dass sie die Reifen für die Formel 1 produzieren würden, was keine leichte Aufgabe ist. Natürlich ist der Abbau der Reifen um ein ordentliches Stück größer als bei den Reifen, die wir früher hatten. Doch das war so gewollt und wird von den Zuschauern bevorzugt. Wir werden höchstwahrscheinlich mehr Boxenstopps sehen. Ein höherer Reifenverschleiß sollte die Rennen interessanter machen."

Wie Heidfeld die Lage in Bahrain einschätzt

Frage: "Wird der Saisonauftakt in Bahrain stattfinden?"
Heidfeld: "Das ist für mich sehr schwer einzuschätzen. Einige Leute verfolgen die Sache genauer. Sie werden nächste Woche die richtige Entscheidung treffen."

Frage: "Wie reagierst du auf die Aufstände?"
Heidfeld: "Einerseits war es etwas überraschend, da es dort immer ziemlich ruhig war. Andererseits sind in den vergangenen Wochen und Monaten viele unerwartete Dinge passiert. Die Situation wird genau beobachtet und hoffentlich werden wir nächste Woche eine Entscheidung haben."


Fotos: Testfahrten in Barcelona, Freitag


Frage: "Was ist für dich als Fahrer entscheidend, ob dort gefahren wird oder nicht?"
Heidfeld: "Es hängt ja nicht nur von den Fahrern ab, sondern auch von der Öffentlichkeit, von jedem Besucher, von den Zuschauern, ob das Risiko zu hoch ist. Niemandem gefällt der Gedanke, wo hinzugehen wo man vielleicht in Gefahr ist."

Frage: "Wir werden sehen was passiert, aber möchtest du unter den gegenwärtigen Umständen dort gerne testen und fahren?
Heidfeld: "Ich habe die Situation nicht genau verfolgt. Ich kann es nicht richtig bewerten, weil ich neu bei meinem Team bin und daher genug damit zu tun hatte, das Auto kennenzulernen."

Nicht nur Renault tappt im Dunkeln

Frage: "Ist das Auto schnell?"
Heidfeld: "Es ist unmöglich, das zu beurteilen. Ich finde es sogar noch schwieriger als in den vergangenen Jahren. Ich weiß, dass ihr im Winter immer die gleiche Antwort bekommt, aber dieses Jahr tappt zu diesem Zeitpunkt wirklich jeder im Dunkeln. Wir versuchen unsere Simulationen durchzuführen, doch es ist sehr schwierig. Wir glauben wie viele andere, dass Red Bull stark ist. Doch es ist schwer zu bewerten, wer dahinter kommt. Natürlich haben wir hohe Ambitionen, geben unser Bestes und werden dann sehen, was die Saison bringt."

Frage: "Renault hat eine gute Ingenieursbasis. In welchem Zustand hast du das Team vorgefunden?"
Heidfeld: "Bis jetzt bin ich sehr glücklich mit dem, was ich gesehen habe - wie Leute arbeiten, wie sich alles verändert. Ich hatte viele Gespräche darüber, wie sich die Dinge entwickeln und ich glaube, dass wir in die richtige Richtung gehen. Jeder ist extrem motiviert. Es ist schön, ein Teil davon zu sein."

"Wir glauben wie viele andere, dass Red Bull stark ist." Nick Heidfeld

Frage: "Wie wichtig ist es, dass ein Team zumindest einen erfahrenen Piloten hat?
Heidfeld: "Ich denke, dass es wichtig ist, jemanden zu haben, der gut darin ist ein Auto zu entwickeln, der den Speed hat, der Ideen hat und weiß wie man mit den Ingenieuren zusammenarbeitet und mit ihnen bespricht, in welche Richtung man gehen soll. Wir hatten einen guten, produktiven Test in Jerez. Wir haben ziemlich rasch einige Probleme gefunden und natürlich auch einige Stärken.

Heifeld macht sich über Rolle im Team keine Sorgen

Frage: "Wie geht es dir mit deinem neuen Teamkollegen Witali Petrow?"
Heidfeld: "Ich weiß nicht viel über ihn. Natürlich habe ich ihn letztes Jahr gesehen, doch wir haben in Jerez zum ersten Mal wirklich miteinander gesprochen. Wir werden gut miteinander auskommen."

Frage: "Du ersetzt mit Robert Kubica den klaren Teamleader."
Heidfeld: "Es ist etwas schwierig und eigenartig, unter diesen Umständen zum Team zu stoßen. Witali und ich werden aber unser Bestes geben, der Rest ergibt sich."

"Es ist etwas schwierig und eigenartig, unter diesen Umständen zum Team zu stoßen." Nick Heidfeld

Frage: "In deiner Karriere hattest du schon viele starke Teamkollegen. Bist du stolz darauf, die meisten geschlagen zu haben?"
Heidfeld: "Es gibt mir kein schlechtes Gefühl, wenn ich zurückblicke. Dennoch hätte ich lieber mehr Erfolge und mehr Siege gehabt und wäre gerne in einem siegfähigen Auto gefahren. Ich hoffe, dass ich dieses Jahr die Chance dazu habe."

Frage: "Du hast KERS schon 2009 benutzt."
Heidfeld: "Damals hat es nicht perfekt funktioniert. Soweit ich es bisher verfolgt habe, funktioniert das KERS gut, das wir benutzen. Leider hatten wir heute ein technisches Problem. Was das Tempo angeht, sollte es aber ein Vorteil sein."

Frage: "Wie kommst du mit dem verstellbaren Heckflügel zurecht?"
Heidfeld: "Der Heckflügel funktioniert gut. Es dauert nur ein bisschen, bis man sich an die vielen Knöpfe am Lenkrad daran gewöhnt hat."

Frage: "Ist der Heckflügel effektiver als KERS?"
Heidfeld: "Ja, KERS gibt dir ein bisschen mehr Power und Topspeed. Es war aber auch so geplant, dass der Heckflügel einen größeren Effekt hat, um das Überholen zu erleichtern."