Auspuff-Reglement sorgt für Zündstoff

Für McLaren ist das Auspuff-Reglement eindeutig, Lotus ortet enormen Interpretations-Spielraum: Auf welche Lösungen die Topteams setzen und wie die FIA bisher reagiert

(Motorsport-Total.com) - Wird der Auspuff auch diese Saison zum Zankapfel? Gut möglich, denn obwohl FIA-Technikchef Charlie Whiting klarstellte, dass der Auspuff im Gegensatz zum Vorjahr nicht als aerodynamisches Hilfsmittel verwendet werden darf, loten die Teams diesen Bereich aus, um zumindest einen Teil des Abtriebs, der durch das Verbot der auspuffangeblasenen Diffusoren verlorenen geht, wieder zurückzugewinnen.

Titel-Bild zur News: Felipe Massa

Schlüsselbereich: Ferrari versteckt den Auspuff des F2012

Der Auspuff darf diese Saison nicht mehr direkt den Diffusor anblasen. Stattdessen gibt es im Reglement genaue Vorgaben, in welchem Bereich des Autos der Auspuff austreten darf. Einige Teams versuchen nun, das untere Heckflügel-Element anzublasen, andere lenken die Auspuff-Gase zum Diffusor um.

Ein schmaler Grat, denn dies ist freilich nicht im Sinne des Reglements, das die aerodynamische Wirkung verhindern soll. Doch Whiting präsentiert sich gegenüber 'auto motor und sport' als Realist: "Die Auspuffgase sind nun mal da. Wir können sie nicht abschaffen, nur deren Einfluss auf die Aerodynamik einschränken. Ganz verhindern geht nicht." Er entdeckte bei seinem Besuch in Jerez bisher keine illegalen Systeme.

Auspuff: Whiting lehnte bereits eine Idee ab

Dennoch werden die Teams ans Limit gehen. Die zwei ersten Testtage nach der Winterpause dienten, um bei den brandneuen Autos alle Funktionstests durchzuführen. Auch das Finden eines Basissetups zählt zu den ersten Arbeiten, die erledigt werden müssen. Sauber hat aber bereits angekündigt, dass man am Freitag ein neues Auspuff-System ausprobieren möchte.

Zudem versuchen die Teams derzeit auszuloten, wie weit man beim Auspuff gehen kann. Sie reichen bei der FIA Ideen ein und warten, ob Whiting sie absegnet oder nicht. Ein Rennstall erhielt bereits eine negative Antwort - in diesem Fall werden alle Teams über die Idee informiert, um Missverständnisse zu vermeiden. Das unbekannte Team hatte versucht, über einen Trichter an der Innenseite des hinteren Bremshutzen die heißen Gase in den Diffusor umzuleiten. Das ging Whiting offenbar zu weit.

McLaren

Ping-Pong: McLaren zielt die Bremskühlung und dann den Diffusor an Zoom

McLaren und Ferrari blasen Diffusordach an

Auch Red Bull, Ferrari und McLaren bewegen sich mit ihren Lösung an der Grenze des Erlaubten. Die Techniker in Woking legten den Auspuff in einen Schacht, der die Gase in Richtung der Hinterreifen leitet. Das Ziel ist aber freilich nicht der Gummi, sondern der Bremsbelüftungs-Schacht, der die Gase zum Diffusor strömen lässt.

McLaren-Technikchef Paddy Lowe gibt zu, dass man dem Auspuff bei der Entwicklung des MP4-27 viel Beachtung geschenkt hat: "Man kann den Auspuff trotz der Einschränkungen immer noch nutzen, um damit den Heckflügel oder den Unterboden anzublasen. Die Wirkung ist im Vergleich zum Vorjahr deutlich beschnitten, aber da die Unterschiede zwischen den Autos heute so klein sind, steckt man große Bemühungen in Bereiche, die für relativ kleine Performance-Unterschiede sorgen - daher wird in diesem Bereich viel Entwicklung passieren."

Felipe Massa

Ferrari: Der Auspuffende verbirgt sich im Seitenkasten Zoom

Ferrari nutzt im Vergleich zu McLaren keinen Schacht, um die Gase auf den Diffusor zu lenken, sondern brachte die Auspuff-Endungen im hinteren Teil der Seitenkästen unter. Die Abgase strömen durch die Öffnungen der Seitenkästen auf den Diffusor. Die FIA-Forderung, man müsse das Ende des Auspuffrohrs bei der Draufsicht erkennen, ohne dass Karosserie-Teile im Weg sind, wird in beiden Fällen erfüllt, dadurch sind die Lösungen von McLaren und Ferrari legal.

Red Bull und Toro Rosso nutzen unteren Heckflügel

Red Bull und auch das Schwesternteam Toro Rosso nützen hingegen die vorderen Querlenker der Hinterrad-Aufhängung, die die Auspuff-Gase auf das untere Heckflügel-Elemente lenken. Viele andere Teams setzen derzeit beim Auspuff nur auf Verlegenheits-Lösungen. Sie wollen abwarten, was die Konkurrenz macht - für ein finanzschwaches Team mit Sicherheit der intelligentere Weg als womöglich lange an einem Konzept zu basteln, das man dann in den Mülleimer werfen muss.

Zudem sind die aktuellen Lösungen mit ziemlicher Sicherheit nicht der Weisheit letzter Schluss. Das bestätigt auch McLaren-Technikchef Lowe: "Wir haben uns hier in Jerez genau umgesehen, was die Konkurrenz macht. Man findet immer interessante Ideen, an die man nicht gedacht hat, oder stößt auf Fragen, warum die Rivalen auf dieses Prinzip setzen und wie sich das auf andere Bereiche des Autos auswirkt. Trotz der Auspuff-Einschränkungen, die dieses Jahr viel enger sind als im Vorjahr, findet man immer noch zehn unterschiedliche Lösungen. Das ist faszinierend."

Mark Webber

Red Bull: Der Auspuff zielt mittels Querlenker auf den unteren Flügel Zoom

Sind die Regeln nicht klar genug?

Wie weit man gehen darf, ist derzeit die große Frage. Eine Frage, die sich auch Lotus-Technikchef James Allison stellt. Sein Team ließ die Katze beim Auspuff noch nicht aus dem Sack. "Das Dilemma für uns ist, dass es dieses Jahr ein subjektives Element bei den Auspuff-Regeln gibt", übt der Brite gegenüber 'Autosport' leise Kritik an der FIA. "Mit dieser Regel könnte man ein Auto bauen, mit dessen Geometrie Charlie nicht einverstanden wäre, denn man würde den Auspuff ganz klar dazu benützen, um Abtrieb zu gewinnen. Und er hat klargestellt, dass er das nicht will."


Fotos: Testfahrten in Jerez


Aus diesem Grund geht Allison davon aus, dass die Teams nun die Grenzen austesten werden: "Es wird eine Vielzahl von Interpretationen geben, um die Toleranzgrenze zu finden, was dann in einem kleinen Hick-Hack enden könnte. Die Teams werden es ausreizen, um Charlies Limit zu finden."

Sein Gegenüber bei McLaren sieht die Situation anders. Technikchef Lowe ist der Meinung, dass das Reglement beim Auspuff selten so endeutig war wie jetzt: "Im Vorjahr hatten wir das Problem, dass der Auspuff ein völlig neuer Entwicklungsbereich war und es sich dadurch als schwierig herausstellte, die Regeln richtig anzuwenden. Wir sind sehr froh, dass die FIA für 2012 klare und messbare Richtlinien definiert hat, denn dadurch gibt es eindeutige Grenzen, in denen wir uns bewegen können."