• 26.05.2025 15:54

  • von Ronald Vording, Übersetzung: Stefan Ehlen

Analyse: Haben die Reifenregeln das Monaco-Problem gelöst?

Die Sonderregeln der Formel 1 für Monaco unter der Lupe: Was hat sich dadurch verändert und handelt es sich um eine zukunftsträchtige Lösung?

(Motorsport-Total.com) - Die neue Reifenregel der Formel 1 für Monaco sollte den Traditions-Grand-Prix auf dem Circuit de Monaco spannender gestalten. Aber hat das auch geklappt? Wo die eigentlichen Probleme liegen, was die Fahrer sagen und welche Alternativen es gibt - eine Analyse.

Titel-Bild zur News: Liam Lawson, Carlos Sainz, George Russell, Lance Stroll

"Prozession" in Monaco beim Formel-1-Rennen 2025 Zoom

Und wir fangen vorne an, beim letztjährigen Grand Prix in Monaco, der laut Red-Bull-Teamchef Christian Horner eine "Prozession" war. Deshalb sahen sich die Formel 1 und der Automobil-Weltverband (FIA) gezwungen, für dieses Jahr "etwas" zu unternehmen.

Dieses "etwas" war eine Regeländerung, die mehr strategische Spannung ins Rennen bringen sollte: Jeder Fahrer musste drei Reifensätze verwenden, was - außer bei einem Rennabbruch - zwei Boxenstopps bedeutete. Schon im Vorfeld sorgte diese Neuerung für Nervosität bei den Teams und stieß nach dem Rennen auf gemischte Reaktionen. (Mehr dazu in unserer Fotostrecke!)

Zwar wurde die "Katastrophe" vom Vorjahr vermieden, aber viele Fahrer empfanden die Regel als zu künstlich. Immerhin: In puncto Spannung und Strategie brachte die Änderung durchaus Bewegung ins Rennen. Teams und Zuschauer bekamen verschiedene Szenarien geboten, und es gab zumindest mehr Variablen, die den Ausgang beeinflussen konnten.

Überholen blieb zwar weiterhin nahezu unmöglich, doch mit unterschiedlichen Strategien sowie potenziellen Safety-Car-Phasen oder roten Flaggen entstand mehr Dynamik als in der Vergangenheit.


Fotostrecke: Reaktionen zum Bummel-Rennen in Monaco 2025

Auch die Teams waren gezwungen, strategisch zu denken. Red Bull versuchte es mit einem frühen Stopp bei Yuki Tsunoda - ohne Erfolg, aber der Versuch war legitim. Racing Bulls und Williams setzten später erfolgreiche teaminterne Taktiken um und beide Teams punkteten jeweils mit beiden Autos.

Mercedes dagegen unternahm kaum etwas, abgesehen von George Russells unerlaubtem Überholmanöver an der Hafenschikane. Teamchef Toto Wolff erklärte zwar, ein früher Stopp hätte sie in denselben "Zug" gebracht, aber ohne Versuch war das Ergebnis ohnehin klar: keine Punkte.

Wer zwei Autos, ist klar im Vorteil

Das zeigt: Wer im aktuellen Format strategisch denkt und zwei Fahrzeuge nah beieinander hat, kann profitieren - allein fahren bringt nichts.

Man kann argumentieren, dass diese Taktiken nicht besonders sportlich waren. Alexander Albon äußerte sich nach dem Rennen deutlich: "So möchte ich eigentlich nicht Rennen fahren. Carlos Sainz sieht das bestimmt genauso - und Liam Lawson sicher auch."

Sainz spricht von einem "manipulierten" Rennen

Sainz bestätigte das später: "Wir brauchen eine Lösung, denn am Ende manipuliert man das Rennen. Racing Bulls hat es bei uns gemacht. Da wir unseren Boxenstopp noch nicht gemacht hatten, wären wir simuliert auf Platz 19 und 20 gelandet. Also mussten wir selbst zum gleichen Mittel greifen."

"Ich bin nicht glücklich damit - weder, dass es uns angetan wurde, noch, dass wir es anderen antun mussten. Aber das ist Monaco, und es war die einzige Möglichkeit, mit beiden Autos Punkte zu holen. Gleichzeitig bin ich traurig, dass Formel-1-Rennen in Monaco zu dem geworden sind, was sie heute sind."

Diese Meinung teilten viele Fahrer. Selbst der Rennsieger Lando Norris stellte infrage, ob "konstruierte Rennen" im Sinne der Formel 1 seien. Max Verstappen ging noch weiter, verglich den Grand Prix mit "Mario-Kart" und fragte sich, ob man bald Bananen auf die Strecke werfen werde.

Überholen bleibt schwierig in Monaco

Dabei ist die Taktik weniger ein Problem der Regel als vielmehr der Tatsache geschuldet, dass Überholen in Monaco praktisch unmöglich ist. Fahrer können beliebig langsam fahren und das Feld aufhalten.

Fernando Alonso verfolgte 2022 mit Alpine eine ähnliche Strategie - nicht, um einem Teamkollegen zu helfen, sondern um seine Medium-Reifen zu schonen. Auch damals fuhr er deutlich langsamere Rundenzeiten und erzeugte so einen großen Abstand nach vorne.


Das zeigt: Das Problem liegt tiefer - und ist nicht erst mit der neuen Boxenstopp-Regel entstanden. In diesem Jahr fiel es nur stärker auf, weil die Regel im Fahrerlager tagelang Gesprächsthema war - und weil Racing Bulls und Williams ihre beiden Autos auf der Strecke gut koordinieren konnten.

Keine Positionsveränderungen an der Spitze

An der Spitze blieb alles beim Alten: Die Regel änderte nichts am Rennausgang. Abgesehen von Alonsos Ausfall kamen die Top 10 in der Startreihenfolge ins Ziel.

Fazit: Der Boxenstopp-Testlauf löste das eigentliche Problem nicht. Doch die fragwürdigen Taktiken resultieren eher aus dem Missverhältnis zwischen dem engen Stadtkurs und den übergroßen Formel-1-Boliden - nicht unbedingt aus der neuen Regel.

Boxenstopps allein lösen das Problem nicht

Wenn das Problem tiefer liegt - was wäre die Lösung? Die Fahrer waren sich einig: Mehr Boxenstopps sind keine Antwort.

"Vielleicht haben wir nächstes Jahr vier Boxenstopps!", spottete Verstappen. "Man kann hier ohnehin nicht überholen. Ob ein Stopp oder zehn - es macht keinen Unterschied. Ich bin mit komplett abgefahrenen Reifen vorn gefahren, und keiner konnte mich überholen. Man kann hier nicht einmal einen Formel-2-Wagen mit einem Formel-1-Auto überholen."

Mercedes-Teamchef Toto Wolff machte einen anderen Vorschlag: eine Mindest-Rundenzeit, um extremes Verlangsamen und taktische Spielchen zu verhindern.

"Wir könnten Monaco-spezifische Regeln einführen, sodass man nur bis zu einem gewissen Maß abbremsen darf. Zum Beispiel: Du darfst nicht mehr als X Sekunden Rückstand auf den Führenden haben." Das würde das Feld etwas enger zusammenhalten.

Braucht es doch ein anderes Layout?

Doch das Rennen 2025 hat bereits gezeigt, dass mehr Regeln nicht unbedingt die Lösung sind - im Gegenteil. Sie verkomplizieren das Rennen zusätzlich, auch für die Zuschauer. Und was passiert, wenn ein Fahrer absichtlich langsamer fährt? Eine Fünf-Sekunden-Strafe? Und wenn ein Team bereit ist, diese Strafe in Kauf zu nehmen, um dem Teamkollegen zu helfen?

Red-Bull-Teamchef Christian Horner brachte daher erneut einen alten Vorschlag ins Spiel: die Streckenführung überdenken.


Fotostrecke: Monaco: Die Fahrernoten von Marc Surer und der Redaktion

"Das Grundproblem ist, dass man nicht überholen kann. Eine Änderung der Streckenführung ist die einzige Möglichkeit, Überholmanöver zu fördern - etwa durch längere Bremszonen am Ausgang des Tunnels oder in Kurve 1."

Doch das ist leichter gesagt als getan. Die Hafenschikane zu entfernen würde nichts bringen, denn die "Tabac"-Kurve ist zu schnell. "Portier" umzubauen, um die Gerade zu verlängern, wäre extrem aufwändig. Gleiches gilt für die Start-Ziel-Gerade - alles ist eng mit der Hafen- und Stadtstruktur verknüpft.

Trotzdem bleibt Horner optimistisch: "Alles entwickelt sich weiter - auch Monaco. Wenn man sieht, wie viel Land hier in 72 Jahren ins Meer aufgeschüttet wurde, müsste man nicht einmal viel verändern."

Oder sind an allem die großen Autos schuld?

Apropos Veränderung: Für 2026 sind laut FIA zwar wendigere Autos geplant - mit 20 Zentimeter kürzerem Radstand und zehn Zentimeter schmalerer Karosserie. Aber selbst das wird Überholen in Monaco kaum ermöglichen. Selbst in der Formel 2 gibt es kaum Überholmanöver. "Vielleicht sollten wir die Fahrer in Go-Karts setzen", witzelte Horner.

Solange die Autos übergroß bleiben, bleiben nur zwei Optionen: Monaco aus dem Kalender streichen - oder es akzeptieren, wie es ist. Und Letzteres wird passieren, denn der neue Vertrag steht. Und das ist in gewisser Weise auch gut so: Zwar bietet das Rennen am Sonntag oft wenig Spannung - doch das Qualifying ist einzigartig.

Fahrer sagen selbst: Eine Runde am Limit durch Monaco ist mit nichts zu vergleichen. Das verdient seinen Platz im Kalender.

Was TV-Zuschauer nur begrenzt wahrnehmen, ist vor Ort atemberaubend: Wer direkt hinter den Barrieren steht, sieht, wie die Fahrer mit dem Lenkrad kämpfen und an die Grenzen gehen. Es zeigt, wie extrem die Formel 1 in Monaco ist - und dass das Qualifying der ultimative Fahrertest bleibt. In gewisser Weise ist es Motorsport in Reinform.

Der Sonntag ist es nicht, aber Monacos kommerzieller Wert, sein Erbe und die Qualifying-Faszination reichen weiterhin aus, um seinen Platz im modernen Formel-1-Kalender zu rechtfertigen.

Vielleicht ist der Monaco-Sonntag für die Formel 1 ein noch schwierigeres Problem als der zweite Red-Bull-Sitz, aber vielleicht sollten wir Monaco einfach nehmen, wie es ist, und vor allem die oft unvergesslichen Qualifyings genießen.