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  • 17.03.2009 23:19

  • von Christian Sylt & Caroline Reid

Analyse: Die Wirtschaftskrise und die Formel 1

Warum sich der Schuldenberg von CVC auf das Preisgeld für die Teams auswirken könnte und wo die Rezession die Formel 1 am meisten trifft

(Motorsport-Total.com) - In weniger als zwei Wochen beginnt in Melbourne die neue Formel-1-Saison, doch die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise kommen schon jetzt ans Licht. So gehen zum Beispiel die Zuschauerzahlen deutlich zurück, weil selbst die billigsten Tickets in der Regel mehr als 100 Euro kosten. Gleichzeitig geben die Sponsoren kein Geld mehr für Paddock-Club-Pakete aus, weil sie von ihrem verschwenderischen Image loskommen wollen.

Titel-Bild zur News: Bernie Ecclestone

Bernie Ecclestone soll die Formel 1 heil durch die Wirtschaftskrise bringen

Die Formel 1 sitzt auf einem Schuldenberg von über zwei Milliarden Euro, der 2006 von der in Jersey registrierten Firma Delta Topco, die mehrheitlich der Investmentgesellschaft CVC gehört und von Bernie Ecclestone geleitet wird, angehäuft wurde, um die kommerziellen Rechte an der Königsklasse erwerben zu können. Kreditgeber waren zunächst Lehman Brothers und die Royal Bank of Scotland (RBS), ehe die Kredite später auf andere Institute übertragen wurden.#w1#

2007 wurden etwa 200 Millionen Euro an Schulden zurückgezahlt. Nicht zuletzt dadurch schrieb Delta 3, die Formel-1-Holding in Großbritannien, einen Nettoverlust von über 315 Millionen Euro. Der Gegenwert ist aber vorhanden: Die kommerziellen Rechte bringen pro Jahr eine geschätzte Milliarde Euro ein, wobei die Grand-Prix-Gebühren, die von den Veranstaltern bezahlt werden müssen, etwa ein Drittel ausmachen. Ähnlich verhält es sich mit den TV-Geldern. Der Rest setzt sich aus Bandenwerbung an der Strecke und dem Paddock-Club zusammen.

Teurer Paddock-Club

Ein Paddock-Club-Ticket kostet im Schnitt fast 2.500 Euro, sodass es nicht weiter verwunderlich ist, dass die Sponsoren ihre Ausgaben in diesem Bereich zurückfahren. So verzichtet zum Beispiel BMW erstmals seit Jahren darauf, in Melbourne 400 Kunden auf eine eigene Tribüne mit Bar und Restaurant einzuladen. Ersparnis: fast 500.000 Euro. Auch Foster's gibt weniger Geld für Corporate Hospitality aus und ING und RBS (gemeinsames Investitionsvolumen für Bandenwerbung: 23 Millionen Euro) steigen demnächst ganz aus.

CVC rechnet 2009 mit einem Einbruch des Paddock-Club-Umsatzes, zeigt sich deswegen aber nicht wirklich besorgt, weil der Paddock-Club wegen seiner hohen Betriebskosten relativ gesehen nicht allzu viel zu den Einnahmen der Formel 1 beiträgt. Viel wichtiger sind in Wahrheit andere Einnahmequellen - allen voran die Grand-Prix-Gebühren, die Ecclestone als harter Verhandler den Veranstaltern auf der ganzen Welt abknöpft.

Hospitality in Bahrain

Der elitäre Paddock-Club ist in der aktuellen Krise eines der Sorgenkinder Zoom

Sollten gar mehrere Veranstalter ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen können, wäre das für CVC fatal. Doch das ist keineswegs ein rein hypothetisches Szenario. Im Durchschnitt liegt die Gebühr pro Grand Prix bei 18,5 Millionen Euro, wobei Monaco wegen seiner Einzigartigkeit gratis Bestandteil des WM-Kalenders ist. Diese Summen erklären die hohen Ticketpreise, die angesichts von weniger als zwei Stunden Rennaction für viele Familien nicht mehr zu rechtfertigen sind.

Die billigsten Formel-1-Tickets weltweit sind in Malaysia schon um gut 20 Euro zu haben, doch selbst deren Verkäufe gehen jährlich um 20 Prozent zurück. In Australien wurden dieses Jahr um 15.000 Tickets weniger verkauft als 2008. Verdient ein Veranstalter jedoch zu wenig Geld, dann besteht die Gefahr, dass er bankrott geht und das Rennen abgesagt werden muss - es sei denn, CVC erklärt sich bereit, das Rennen auch ohne Gebühr stattfinden zu lassen. In beiden Fällen würden im Vergleich zu 2008 Einnahmen verloren gehen.

Der Veranstalter des Kanada-Grand-Prix hat zum Beispiel in den vergangenen Jahren nicht die vereinbarte Summe bezahlt und wurde prompt aus dem Formel-1-Zirkus ausgeschlossen. Auch in Frankreich gibt es dieses Jahr kein Rennen mehr. Vor allem auf dem traditionellen Motorsportmarkt Europa stöhnen die Veranstalter immer lauter über Ecclestones Forderungen. Deutschland kann ein Lied davon singen.

Hockenheim: Verluste in Millionenhöhe

In Hockenheim sind die Ticketverkäufe seit dem Höhepunkt der Schumacher-Mania im Jahr 2002 um 37 Prozent zurückgegangen. Das führte 2008 zu einem Verlust in der Höhe von knapp sechs Millionen Euro. Ende März will der Gemeinderat entscheiden, ob man sich weiterhin auf das Ecclestone-Knebelabkommen einlassen soll. Aber Ecclestone kündigt Hilfe an: "Wir werden uns darum kümmern. Ich glaube nicht, dass es Probleme geben wird."

FIA-Präsident Max Mosley hat schon im Januar angekündigt, dass Ecclestone 2008 "Probleme mit einigen Veranstaltern" bekommen könnte. Der einzige Grand Prix, der vielleicht sogar besser besucht sein wird als im Vorjahr, ist Silverstone - dank des Hypes um Weltmeister Lewis Hamilton. Aber auch hinter Großbritannien steht ab 2010 mit dem Wechsel nach Donington ein großes Fragezeichen.

Skyline von Singapur

Mit dem Nachtrennen in Singapur verdient CVC derzeit am meisten Geld Zoom

Doch wer glaubt, dass nur CVC und Ecclestone unter rückläufigen Einnahmen leiden würden, der irrt gewaltig. Sogar die Teams selbst wären betroffen: Die Teambudgets bestehen zu etwa einem Drittel aus Preisgeldern, die wiederum zu 50 Prozent auf Basis des Gewinns von Delta Topco im Vorjahr festgelegt werden. Je weniger Delta Topco also erwirtschaftet, desto weniger wird unterm Strich an Preisgeldern ausgeschüttet.

Besonders für ein Team wie Renault, das nächstes Jahr den 50 Millionen Euro schweren ING-Etat verlieren wird, ist das eine schlechte Nachricht. Der französische Automobilhersteller droht mit Ausstieg, sollte sich die Formel 1 nicht finanziell rechnen, doch das ist angesichts der Weltwirtschaftskrise selbst beim aktuellen Sparkurs äußerst unwahrscheinlich. Auch Williams wird mittelfristig 15 Millionen Euro von RBS verlieren.

Die Formel 1 ist ein Opfer ihres eigenen Erfolgs. Auf dem Rücken einer schillernden Reputation wurde ein Schuldenberg angehäuft, doch in Zeiten der Rezession ist das Letzte, was Firmen wollen, mit Glitter, Glamour und teuren Paddock-Club-Tickets in Verbindung gebracht zu werden. Die Formel-1-Strecken stehen vor ähnlichen Problemen, weil sie nicht vom Halter der kommerziellen Rechte bezahlt werden, sondern selbst für ein Drittel von dessen Einnahmen aufkommen. Sollte die Formel 1 weitere Grands Prix verlieren, könnte das fatale Folgen haben...

Die Einnahmen der Formel 1 im Jahr 2008*:

311,5 Millionen Euro: Grand-Prix-Gebühren
293,5 Millionen Euro: TV-Gelder
131 Millionen Euro: Bandenwerbung
116 Millionen Euro: Paddock-Club
46,5 Millionen Euro: Partnerprogramm der Formel 1
38,5 Millionen Euro: Verschiedenes (Merchandising, Internet, etc.)
31 Millionen Euro: GP2
Gesamt: rund eine Milliarde Euro (1,3 Milliarden US-Dollar)

* Schätzungen auf Basis von 'Formula Money'

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