Abbild von 2011: Ferrari hinterfragt eigene Arbeitsweise
Trotz eines neuen Technikchefs leidet Ferrari unter den gleichen Problemen wie 2011 - Einmal mehr will man nun "keinen Bereich unberührt lassen"
(Motorsport-Total.com) - Fernando Alonsos Sieg in Sepang kann darüber nicht hinwegtäuschen: Ferraris Saisonstart 2012 ist ein Abbild der Situation, die die Roten aus Maranello bereits im Vorjahr durchgemacht hatten. Damals war der Druck nach anfänglichen Enttäuschungen immer größer geworden, ehe Teamchef Stefano Domenicali seinen Technikchef Aldo Costa nach dem Grand Prix von Spanien opferte.

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Kaum Fortschritte: Ferrari dreht sich seit Jahren im Kreis
Vor den ersten Tests 2012 hieß es in Italien eigentlich, man hätte die Schwachstelle Aerodynamik endlich ausgemerzt und würde ab sofort unter der Leitung von Ex-McLaren-Mann Pat Fry innovativ zu Werke gehen - zudem war man davon überzeugt, dass die technischen Einrichtungen wie der Windkanal repräsentative Daten abliefern würden.
Arbeitsweise auf dem Prüfstand
Der F2012 war dan zwar tatsächlich innovativ, litt aber von Anfang an an der inzwischen schon beinahe chronischen Ferrari-Schwäche Aerodynamik. "Die Aerodynamik macht nach wie vor den Unterschied", erklärt Technikchef Fry. "Wir haben in diesem Bereich ein paar Probleme, die wir derzeit versuchen zu lösen. Der Bereich, an dem man arbeiten muss, umfasst alles - von der Art und Weise, wie man den Windkanal betreibt bis zu den Simulationen, die man nutzt, um zu entscheiden, welche Komponenten man weiterentwickelt. Wir lassen also keinen Bereich unberührt."
Damit gibt Fry offen zu, dass Ferrari nach wie vor an fundamentalen Problemen leidet, dass man nicht nur Details verändern muss, um konkurrenzfähig zu sein, sondern die gesamte Arbeitsweise. "Eigentlich analysieren und überarbeiten wir gerade unsere Methodik, die sich durch diesen Prozess hindurch zieht", gibt der Brite Einblicke. "Das setzt sich im Designbüro fort, wo wir bei zahlreichen Teilen Gewicht reduzieren und andere Teile haltbarer machen wollen - wir arbeiten also wirklich in allen Bereichen des Unternehmens. Und zwar an der grundsätzlichen Methodik sowie an den Updates für das Auto."
Auspuff gibt auch 2012 Rätsel auf
Genau das war im Vorjahr eigentlich Frys Aufgabe, nachdem Vorgänger Costa das Team verlassen hatte. 2011 hatte Chefdesigner Nicolas Tombazis übrigens auch angekündigt, dass man beim Auspuff Schlüsse gezogen hätte, "die sich langfristig positiv auswirken werden". Und das, obwohl der abgasangeblasene Diffusor mit Saisonende 2011 verboten wurde.

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Pat Fry erwies sich trotz des Sieges in Sepang nicht als Ferrari-Heilsbringer Zoom
Doch der Auspuff erwies sich seit Beginn der Tests 2012 erneut als Problemzone. "Das offensichtlichste Problem der frühen Testfahrten war das Auspuffsystem", gibt Fry heute zu. "Wir hatten Probleme, wie es sich auf die Hinterräder auswirkt", spielt er darauf an, dass die heißen Gase die Reifen weichgekocht hatten. Daraufhin rückte man die Endrohre weiter nach innen, um diesen Effekt zu vermeiden.
"Ich denke, dass wir die Sache jetzt im Griff haben, obwohl wir diese Auspuffvariante seit dem ersten Barcelona-Test nicht mehr eingesetzt haben", deutet er an, dass man nun wisse, wie man das System verwendet, ohne die Reifen zu beschädigen.
Ferrari spielt weiter auf Zeit
Doch damit ist es noch lange nicht getan: "Diese Probleme löst man nicht in einer Minute. Hier haben wir recht viele neue Teile auf dem Auto - größere Updates kommen dann in Barcelona. Es handelt sich um ein Entwicklungsrennen. Wir haben sehr viele Updates im Köcher, aber das gilt auch für alle anderen."
Interessant ist, dass Ferrari im Vorjahr seinen einzigen Grand-Prix-Sieg feierte, als das Zwischengas und dadurch der Effekt des auspuffangeblasenen Diffusors beschnitten waren. Eigentlich gute Vorzeichen für die Saison 2012, oder? "Ich denke nicht, dass man Silverstone als Richtwert für die Performance des Autos in diesem Jahr heranziehen kann", verneint Fry. "Der Auspuff ist eine der offensichtlichsten Veränderungen, die wir gemacht haben, aber das ist nur ein kleiner Teil unseres Problems."
Daher dürfe man sich in Schanghai laut dem Technikchef keine Verbesserung erwarten: "Unsere Performance hier wird ein Spiegel der ersten beiden Rennen sein. Unsere kleinen Updates sollten zwar ein paar Verbesserungen bringen, doch diese Strecke kommt uns weniger entgegen als die letzte, daher sollten die Abstände ähnlich sein. Wir haben viel Arbeit vor uns, um die anderen einzuholen - vor allem im Qualifying." Wo Ferrari derzeit wirklich steht? "So um Platz sieben bis elf oder so", vermutet Fry. "Natürlich brauchen wir ein besseres Auto, damit wir im Qualifying endlich auf der Pole stehen."
Der Brite macht keinen Hehl daraus, dass er sein Ex-Team derzeit beneidet. "Es wäre schön, wenn wir hier sitzen und sagen könnten, wir qualifizieren uns auf der Pole, und durch die Rückversetzung um fünf Plätze starten wir von Platz sechs", spielt er auf die Situation von Lewis Hamilton an, der wegen eines Getriebewechsels von weiter hinten starten muss. "Das wäre wirklich ein ziemlicher Luxus."

