20 Rennen pro Saison sind den Teams zu viel

Die geplante Aufstockung des Kalenders auf 20 Rennen stößt auf herzlich wenig Gegenliebe - Ferrari ist als einziges Team dafür

(Motorsport-Total.com) - Die Saison 2005 ist mit 19 Rennen die bisher längste der Formel-1-Geschichte. Für die Mitarbeiter der Teams, Berichterstatter und sonstige Leute, die das ganze Jahr über mit der Königsklasse des Motorsports zu tun haben, war aber weniger die nackte Anzahl der Grands Prix so zermürbend, sondern vielmehr die ungeschickte Planung mit nicht weniger als sechs so genannten Doppelpacks.

Titel-Bild zur News: Formel-1-Autos in Shanghai

Noch mehr Rennen wären für die Fans schön, aber nicht für die Arbeitenden...

Bernie Ecclestone möchte den Kalender künftig sogar auf 20 Rennwochenenden ausdehnen, und die FIA hat auf provisorischer Basis auch schon 20 Termine für die Saison 2006 reservieren lassen. Kurzfristig wäre eine zusätzliche Veranstaltung in Japan (Fuji) denkbar, mittelfristig in Mexiko (Cancun) und Südafrika (Kapstadt) sowie langfristig in Ländern wie Indien, Russland oder Griechenland. Selbst die spektakulären Projekte London und New York tauchen immer wieder wie Gespenster auf.#w1#

Im Fahrerlager laufen immer mehr erschöpfte Gestalten herum

Den Beteiligten wird es aber langsam zu viel: "Es war eine zermürbende Saison", sagte beispielsweise Red-Bull-Teamchef Christian Horner in Shanghai. "Mir sind heute einige sehr erschöpft wirkende Gesichter aufgefallen - nicht nur bei den Teams, sondern auch unter den Journalisten, die von allen Rennen berichten." Das große Problem ist, dass speziell die Mechaniker immer mehr Zeit im Ausland verbringen müssen, während sie kaum noch für ihre Familien da sein können.

"Hart zu arbeiten, ist Teil der Formel 1", warf McLaren-Boss Ron Dennis ein, "aber wenn es Auswirkungen auf das Privatleben nimmt, wenn daran Beziehungen zu Ehefrauen und Freundinnen zerbrechen, dann wäre es unfair von uns Teamchefs, ohne zu zögern einen noch längeren Kalender zu akzeptieren." Der Brite äußerte damit neuerlich Bedenken gegenüber einer weiteren Aufstockung des Kalenders, die ihm schon seit einigen Jahren ein Dorn im Auge ist.

"Wenn man am Sonntagabend in unsere Fabrik kommt, ist es dort menschenleer. Die Leute sind alle zu Hause", fügte der 58-jährige Brite, der selbst Frau und drei erwachsene Kinder hat, an. "In unserem Unternehmen geht es um die Menschen, denn die Menschen sind das Herz unserer Unternehmen. Irgendwann erreicht man einen Punkt, an dem man von den Menschen nicht noch mehr verlangen kann, und vielleicht haben wir diesen Punkt sogar schon überschritten."

Mechaniker denken zum Teil über Kündigung nach

Auch zu Nick Fry von BAR-Honda kommen "immer mehr" Mitarbeiter, "die sich das nicht mehr antun wollen. Es ist unmöglich, die Leute für die vielen Wochenenden, die sie nicht zu Hause sind, zu entschädigen. Mit Geld geht das nicht", sagte er. "Sicher bekommen sie während der Woche ein paar Tage frei, aber dann sind ihre Freunde in der Arbeit, ihre Kinder in der Schule und die Frauen nicht zu Hause. Es ist schwierig, ihnen als Kompensation etwas anzubieten, was so wertvoll ist wie ihre Zeit."

"Die Art und Weise, wie die Rennen angesetzt werden, ist entscheidend. Gerade wenn zwei oder möglicherweise künftig sogar drei Rennwochenenden hintereinander stattfinden, sind die Leute sehr lange von zu Hause weg. Wenn wir also schon so viele Rennen wollen, dann können wir den Kalender wenigstens etwas familienfreundlicher gestalten. Wir wollen die vielen Betroffenen schließlich nicht demoralisieren. Mir liegt etwas daran, dass diese Leute glücklich sind", ergänzte er.

Ist ein gestreckter Kalender die Antwort auf alle Fragen?

Auch Horner ist der Ansicht, dass 20 Rennen nur unter gewissen Bedingungen zu verkraften wären: "Vielleicht könnte man den Kalender etwas strecken und gleichzeitig die Testfahrten reduzieren. Dieses Jahr war es jedenfalls zu extrem, speziell für die kleinen Teams, die weniger Mitarbeiter haben und deswegen noch härter arbeiten müssen", schlug der Brite vor, den Saisonauftakt früher und das -finale später stattfinden zu lassen.

Im Concorde Agreement, welches quasi die Verfassung der Formel 1 darstellt, in dem alle kommerziellen Grundlagen geregelt sind, steht, dass die Teams pro Jahr nur zu maximal 17 Rennen verpflichtet sind. Stimmen jedoch alle Teamchefs einstimmig einer Erweiterung des Kalenders zu, so können auch zusätzliche Grands Prix in den Kalender aufgenommen werden. 2004 wurde eine solche Lösung für Kanada gefunden, 2005 für Frankreich und Großbritannien.

Die Teamchefs mussten zu ihrer Zustimmung von Bernie Ecclestone allerdings mit einem zusätzlichen Startgeld geködert werden, denn: "Jeder Grand Prix kostet uns Geld", erklärte Dennis im Rahmen der heutigen Pressekonferenz im imposanten Medienzentrum des 'Shanghai International Circuit'. "Wenn es also eine Motivation gibt, mehr Grands Prix zu bestreiten, dann nur, weil irgendwer anderer Geld verdient, aber sicher nicht die Teams."

Ecclestone profitiert am meisten von zusätzlichen Rennen

Soll heißen: Jedes zusätzliche Rennen spült natürlich mehr Geld in Ecclestones Kassen, der seinerseits unter anderem die TV-Verträge und die Vereinbarungen mit den Veranstaltern aushandelt. Allerdings bekommen die Teams davon einen verhältnismäßig kleinen Anteil ab, der die entstehenden Kosten für zusätzliche Grands Prix nicht komplett abdeckt. Kombiniert mit der zusätzlichen Belastung für das Personal empfinden die meisten Teamchefs die Situation als nicht länger tragbar.

Der Einzige, der anderer Ansicht ist, ist Jean Todt von Ferrari, der sich den Zuschauern gegenüber zu möglichst vielen Rennen verpflichtet fühlt: "Im Idealfall würden wir auch 17 oder 18 Wochenenden bevorzugen, aber wir alle haben das Privileg, etwas Einzigartiges wie die Formel 1 auszuüben. Daher wären im Sinne der Fans auch 18, 19 oder 20 Rennen akzeptabel, sogar für unsere Mitarbeiter - und im Wissen, dass das natürlich auch anstrengend wäre", machte er seinen Standpunkt klar.