• 14.10.2005 15:09

Dennis: "Diesen Fehler werden wir nicht mehr machen"

Der McLaren-Teamchef spricht über den Triumph von Suzuka, zieht Bilanz über die Saison 2005 und äußert sich zum zweiten Rennstall

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Ron, Suzuka war ein fantastisches Wochenende für euch. Auf dem Podium war dir die Freude richtig anzusehen. Was hat dir an dem Rennen am meisten imponiert?"
Ron Dennis: "Ich denke, jeder konnte die Entschlossenheit, die Kimi (Räikkönen; Anm. d. Red.) an den Tag gelegt hat, erkennen, aber was den Leuten vor den Fernsehern und manchmal auch direkt an der Boxenmauer meistens nicht auffällt, ist die entscheidende Rolle der Strategie. Suzuka war ein besonders clever geplantes Rennen für uns, denn wir mussten die Strategie mehrere Male anpassen. Vor allem der letzte Boxenstopp war besonders beeindruckend vom Team und hat sehr zum Ausgang des Rennens beigetragen."

Titel-Bild zur News: Ron Dennis

Ron Dennis hofft, den starken Zyklus seines Teams lange aufrechterhalten zu können

"Das bestimmende Gefühl war also, dass das Team einen großartigen Job gemacht hat, von dem Kimi mit seiner außergewöhnlichen Leistung profitieren konnte. Das war ein Trost für den psychologischen Rückschlag zu Beginn, als wir das erste Auto verloren haben, denn so etwas kann manchmal ganz schön demoralisierend sein. Wir haben das aber gut hinter uns gelassen, uns auf unseren Job konzentriert - und dass wir quasi entgegen aller Erwartungen gewonnen haben, macht das Ganze im Nachhinein betrachtet umso befriedigender."#w1#

Suzuka-Sieg war nach Rückschlägen besonders befriedigend

"Dabei war das Qualifying schon die reinste Hölle, denn wenn man den Schwung eines Doppelsieges im vorherigen Rennen mitnehmen will, dann aber nur auf den Startpositionen 17 und 18 landet, hat man über Nacht schon einmal einiges zu verkraften. Wenn man das alles in Betracht zieht, war es ein sehr zufrieden stellendes Rennen für uns."

Frage: "Ihr hattet 2005 das schnellste Auto, speziell in den letzten drei Saisonvierteln. Wie groß ist der Beitrag des dritten Fahrzeugs an diesem Erfolg und rechnest du damit, dass diese Regel beibehalten wird?"
Dennis: "Wir wären nicht so heuchlerisch, für die Zukunft gegen das Konzept des dritten Autos zu stimmen, sondern wir wollen uns in dieser Frage neutral verhalten. Ich anerkenne, dass das dritte Auto gewiss einige Vorteile mit sich gebracht hat. Diese sind aber nicht so extrem, wie es von manchen Leuten dargestellt wird, denn alles, was man den anderen am Ende des Tages voraus hat, ist die Reifenwahl und vielleicht ein kleiner Vorteil in der Abstimmung für einen bestimmten Reifentypen. Es ist sicher kein Nachteil, klar, aber auch kein riesiger Vorteil. Wir werden daher unterstützen, was auch immer die Mehrheit der Teams wünscht. Wir werden nicht dafür oder dagegen stimmen, sondern uns der Mehrheit anschließen. Wenn das bedeutet, dass es weiterhin dritte Autos geben wird, dann soll es so sein."

Frage: "Wie würdest du die Saison 2005 aus der Sicht deines Teams zusammenfassen?"
Dennis: "Die Geschichte verschiedener Grand-Prix-Teams zeigt, dass die Leistungskurven oft biorhythmisch verlaufen. In den vergangenen 30 Jahren haben dominante Teams immer wieder das erlebt, was Jean Todt gerade mit Ferrari durchmachen muss. Wir alle haben das schon miterlebt. Es ist eine Herausforderung, ganz sicher. Jean bekommt jetzt ständig die Frage zu hören, wie man ein Jahr so dominant sein kann und im Jahr darauf so unterlegen. Das zeigt nur, wie schwierig das Grand-Prix-Business ist und wie schnell man schon aufgrund von minimalen Änderungen zurückfallen kann."

Dennis schreibt Teams wie Ferrari und Williams nicht ab

"Eines steht aber fest: Großartige Teams verlieren nie ihre Leidenschaft oder ihren Siegeshunger. Ich weiß, dass Teams wie Ferrari - aber nicht nur Ferrari, sondern zum Beispiel auch Williams - nach einem Tief meistens sogar stärker zurückkommen, als sie je zuvor waren. Unser Ziel ist natürlich, den momentanen Zyklus so lange wie möglich aufrechtzuerhalten."

"Wenn ich die Bilanz unseres eigenen Teams in dieser Saison betrachte, dann schöpfe ich große Befriedigung aus den Zahlen. Das letzte Mal, dass wir zehn oder mehr Grands Prix in einem Jahr gewonnen haben, war 1988. Natürlich kann man jetzt fragen, wie es sein kann, dass man zehn Grands Prix gewinnt, aber trotzdem die Fahrer-WM verliert und in der Konstrukteurs-WM zwei Punkte Rückstand hat. Ich habe jetzt nicht die Zeit, alle Gründe zu analysieren, die uns in diese Position gebracht haben, aber es ist ganz klar, dass wir in keiner der beiden Weltmeisterschaften Zweiter werden wollen, und solange wir nicht gewinnen, haben wir unser Ziel verfehlt."

"Unsere Befriedigung ziehen wir aber aus dem Schwung, den wir momentan im Team haben, denn der bleibt ungebrochen. Dieser Schwung ist harter Arbeit von Martin (Whitmarsh; Anm. d. Red.) zu verdanken, Jonathan Neale und Adrian (Newey; Anm. d. Red.) mit seinem Team. Wir haben auch akzeptiert, dass man die Organisation verändern muss, wenn man ein besseres Grand-Prix-Team werden will, und wir haben sämtliche Vorteile des neuen 'McLaren Technology Centers' implementiert."

Die "Silberpfeile" arbeiten fast nur noch für nächstes Jahr

"Wenn es ein Schulzeugnis für uns gäbe, würde darauf stehen: Sehr gut, aber weiter versuchen!" Ron Dennis

"Wenn wir uns nicht selber in den Fuß schießen, sehe ich keinen Grund, weshalb wir diesen Schwung nicht in die nächste Saison hinübertragen sollten, und genau das ist auch unsere Ambition. Nach dem Rennen an diesem Wochenende werden wir darauf all unsere Ressourcen konzentrieren, und schon jetzt ist das zu einem großen Teil der Fall. Wenn es ein Schulzeugnis für uns gäbe, würde darauf stehen: Sehr gut, aber weiter versuchen! Es tut weh, wenn es nicht reicht, obwohl man zehn Rennen gewonnen hat, aber so ist nun mal das Leben, und es ist ja schließlich auch für alle gleich."

"Ich bin ganz besonders zufrieden damit, wie sich das Team dieses Jahr entwickelt hat, und während alle die Etikette der schlechten Zuverlässigkeit auf unser Versagen kleben, glaube ich, dass das nur ein Teil des eigentlichen Grundes war. Vielmehr konnten wir in den ersten vier Rennen nicht das Maximum aus unseren Möglichkeiten machen, weil wir diese vier Rennen viel zu vorsichtig angegangen sind. So haben wir die Fahrer-WM verloren. Natürlich hätte eine bessere Zuverlässigkeit geholfen, aber wir glauben, dass wir schon da die Fahrer-WM verloren haben. Diesen Fehler werden wir nächstes Jahr nicht mehr machen."

Frage: "Wie steht es momentan um das zweite Team von McLaren-Mercedes? Stimmt es, dass die Deadline für eine endgültige Entscheidung am 22. Oktober ist?"
Dennis: "'McLaren Racing' ist eine Firma in einer Unternehmensgruppe. Wir haben vor drei Jahren eine Strategie in die Wege geleitet, die zur Gründung von 'McLaren Applied Technologies' geführt hat. Das ist eine Firma, die das geistige Eigentum aller Firmen unserer Gruppe verwaltet und sich darum kümmert, die Rechte an diesem geistigen Eigentum zu Geld zu machen."

Investitionen sollen für vier statt nur für zwei Autos genutzt werden

"Bei einem Grand-Prix-Team hat man unabhängig von der Investition in Forschung und Entwicklung am Ende immer nur zwei Autos im Starterfeld. Natürlich wächst die Organisation laufend, aber am Ende fließt alles in diese beiden Autos, die man auch als Endkunden bezeichnen könnte, zusammen. Also gibt es ein starkes Argument, diese Endkundenbasis zu erweitern und vier Autos an den Start zu bringen, natürlich im Rahmen der Bestimmungen des Concorde Agreements. Also haben wir uns Gedanken darüber gemacht, die Gründung eines zweiten Teams zu unterstützen."

"Unser Modell ist ganz anders als das anderer Leute, womit ich nicht sagen will, dass wir das bessere haben oder umgekehrt. Aber es ist eben anders. Wir werden dieses Modell nur in die Tat umsetzen, wenn wir a) das Programm im Rahmen des Concorde Agreements einführen können und es b) wirtschaftlich Sinn für alle Beteiligten macht. Wichtig ist auch, dass die Gründung eines zweiten Teams keinen negativen Einfluss auf unsere eigenen Aktivitäten im Rennsport haben darf."

Frage: "Bedeutet das, dass die Idee noch am Leben ist?"
Dennis: "Das bedeutet, dass wir uns permanent damit beschäftigen und dass wir gerade dabei sind, eine neue Möglichkeit zu prüfen, die sich uns in den letzten Monaten eröffnet hat. Was das Bestätigen oder Dementieren eines Datums angeht, weiß ich nicht, wie dieses Datum entstanden ist. Ob es stimmt oder nicht, kann ich nicht sagen, denn es ist eine reine Geschäftsentscheidung. Ich kann mich ehrlich gesagt nicht erinnern, welches Datum - wenn es überhaupt eines gibt - für dieses Programm relevant ist."

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