• 27.05.2016 15:26

  • von Dominik Sharaf

Geheime Formel-1-Technik 2016: Einspritzung wie im Lkw

Mit Vorkammereinspritzung wie beim Diesel sorgen Mercedes und Ferrari für Power und Effizienz - Wir erklären: Wie funktioniert es? Was sind die Vorteile?

(Motorsport-Total.com) - Es ist 25 Jahre her, dass Ferrari seinen motzenden Starpiloten Alain Prost kurzerhand vor die Tür setzte, weil er seinen Formel-1-Rennwagen mit einem Lkw verglich. Würde der "Professor" heute mit diesen Worten poltern, müssten ihm die Verantwortlichen in Maranello nicht die Kündigung in die Hand drücken, sondern Recht geben. Nicht nur die Scuderia, auch Mercedes nutzt offenbar Motorentechnologie, die von den Dieselantrieben der Brummis auf den Autobahnen bekannt ist.

Titel-Bild zur News: Renault-Trucks

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Die Rede ist von so genannter Vorkammereinspritzung, mit der die Boliden angeblich bis zu 30 PS mehr generieren, ohne dabei in Konflikt mit dem Technischen Reglement zu geraten. Die beiden Hersteller machen aus dieser Sache jedoch ein großes Geheimnis - auch wenn Konkurrent Renault offenbar kurz davor ist, nachzuziehen. Wir klären die wichtigsten Fragen rund um das Thema.

Was ist das grundlegende Problem? Die Formel 1 muss seit Einführung der Hybridmotoren Sprit sparen. Maximal dürfen in einem Grand Prix 100 Kilogramm Sprit verbrannt werden. Hinzu kommt: Die Durchflussmenge zu einem Zeitpunkt x wird mit Sensoren von der Rennleitung kontrolliert. Weniger Masse bedeutet weniger Druck bei der Einspritzung, was sich negativ auf die Leistung des Aggregats auswirkt. Vorausgesetzt, es funktioniert alles wie bei einem Ottomotor.

Normalerweise wird ein Gemisch aus Sprit und Luft in den Zylinder eingespritzt und von durch Zündkerzen entzündet, um zu verbrennen und Energie für den Viertakt-Motor freizusetzen - anders als bei einem Diesel, wo Hitze aus der Verdichtung und die Einspritzung von Treibstoff genügen, um zu zünden. Deshalb ist das System in Straßen-Pkw auch als "Selbstzünder" bekannt.


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Die Formel 1 kämpft jedoch mit dem Problem, dass das Gemisch angesichts des hohen Ladedrucks und der hohen Drehzahlen zu mager ist, um es mit einer Zündkerze zu entflammen. Es mangelt bei einem durch das Reglement auf 500 bar begrenzten Einspritzdruck an Zeit, genug Benzin auf den Weg zu bringen und die Mixtur richtig zu gestalten. Leistungsverlust ist unausweichlich die Folge.

Wie sieht die Lösung von Mercedes und Ferrari aus? Die Hersteller wollen nicht das Gemisch verändern, sondern die magere Mixtur effizienter verbrennen. Das enge Korsett des Reglements lässt keinen anderen Weg zu, auch wenn Versuche mit Homogener Kompressionseinspritzung (HCCI) kurzfristig Erfolge versprachen. Dabei wird teils mit der Zündung verbrannt, teils mit einem hochverdichteten Gemisch und hohem Druck, wie es bei einem Dieselmotor üblich ist.

Mercedes und Ferrari weichen auf Vorkammereinspritzung aus. Vorbild sind hier Dieselmotoren mit viel Hubraum, wie sie in Lkw üblich sind. Die Brummis von der Straße kämpfen mit ähnlichen Problemen wie die Boliden. Ihre Zylinder sind groß und kaum effizient zu betreiben. Deswegen befindet sich eine kleine Kammer im Zylinderkopf, in der Einspritzung und Zündkerze stecken. Eine winzige Verbindung führt in den darunter liegenden Brennraum. Sie ist vereinfacht gesagt eine Düse mit kleinen Löchern, durch die mit hohem Druck geblasen werden kann.

Heißes Benzin fließt durch die Einspritzung in die Vorkammer. Der Zylinder wird dann mit einem extrem mageren Luft-Sprit-Mix gefüllt, das eher dunstartig ist denn eine fettes Gemisch, das für die Vorkammer reserviert ist. Das Mengenverhältnis entspricht ungefährt 97 Prozent zu drei Prozent. Die Verbrennung geschieht dann in der Vorkammer mittels der Zündkerze. Sie geht extrem schnell und effizient vonstatten, weil sich so viel Benzin in dem zusätzlichen, kleinen Abschnitt befindet. Die Flammen wiederum entzünden das dünne Gemisch im Zylinder, das ebenfalls verbrennt.

Was ist der Vorteil der Vorkammereinspritzung? Das magere Gemisch verbrennt schneller und so effizient als befänden sich mehrere Zündkerzen im Zylinder - obwohl dem Reglement genüge getan wird, wenn es nur eine Zündkerze und eine Einspritzung vorschreibt. So entsteht mehr Power Das erlaubt es den Ingenieuren wiederum, auf ein noch magereres Gemisch zu setzen, wenn es darum geht, Sprit zu sparen, ohne den im sonstigen Maße üblichen Leistungsverlust zu verzeichnen.

Die Düse mit den kleinen Löchern zwischen Vor- und Brennkammer arbeitet präziser und sorgt für mehr Drall, was die Verbrennung erleichtert. Sie erfolgt weiter entfernt von den Zylinderwänden, was weniger Wärme entweichen lässt und ein weiteres Plus für die Effizienz bedeutet.


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Handelt es sich um Eigenentwicklungen der Hersteller? Der deutsche Automobilzulieferer Mahle mit Sitz in Stuttgart steckte hinter der Ferrari-Lösung und war zuvor auch mit Mercedes im Bunde, ehe sich die Silberpfeile dazu entschieden, die Technologie in die eigene Hand zu nehmen. Laut einiger Experten befindet sich das System seit Einführung der Hybride 2014 im Einsatz, andere Quellen sprechen von dem ominösen Entwicklungsmotor beim Italien-Grand-Prix 2015.

Warum machen die Hersteller aus der Technologie ein Geheimnis? Mittlerweile gibt es keinen Zweifel mehr daran, dass die Technik zum Einsatz kommt und von der Straße ist das Verfahren seit Jahren bekannt. Trotzdem drucksen alle herum. Ferrari bekennt sich immerhin zu Males "Jet-Technologie" (anderer Namen für Vorkammereinspritzung), Mercedes schweigt beharrlich und will die Sache auch nicht PR-technisch ausschlachten. Jüngster Beweis: Die Pressekonferenz am Donnerstag in Monte Carlo, bei der mal wieder eifrig gemauert wurde. Auch seitens Renault.

Technikchef Paddy Lowe wich der Frage eines Journalisten nach der Vorkammereinspritzung aus: "Wir verwenden in der Formel 1 immer neue Technologien. Das ist eine der großen Attraktionen dieses Sports aber letztlich sind wir Wettbewerber. Wir müssen die Balance finden zwischen dem, worüber wir reden und dem, was wir für uns behalten." Lowe glaubt jedoch, dass solche Dinge spätestens dann öffentlich würden, wenn sie keinen sportlichen Vorteil mehr versprechen - etwa, wenn durch Personalfluktuation das meiste Wissen in Richtung Konkurrenz durchgesickert ist.

Paddy Lowe

Mercedes-Technikchef Paddy Lowe will die Konkurrenz nicht informieren Zoom

Ziehen die anderen Hersteller nach? Renaults neue Ausbaustufe, auf die das Werksteam und Red Bull sehnsüchtig gewartet, soll mit dem Mercedes- und Ferrari-Konzept aufwarten - in den Autos von Daniel Ricciardo und Kevin Magnussen ist sie bereits installiert, die Teamkollegen dürfen in zwei Wochen in Kanada nachziehen. Angeblich bringt das bis zu 35 PS mehr. Ob Honda ähnliche Pläne verfolgt, ist offen, jedoch verfügen die Japaner noch über reichlich Entwicklungstoken, um an der Einspritztechnologie zu arbeiten. Sie haben Verbrauchsprobleme.