• 08.05.2023 14:02

  • von Stefan Leichsenring

Volvo XC40 Pure Electric mit neuem Antrieb im Test

Volvo hat sein Kompakt-SUV ziemlich umgekrempelt - Der 300-kW-Allradantrieb blieb dabei so ungestüm wie eh und je, aber es gibt mehr Versionen

(Motorsport-Total.com/Motor1) - Wir haben es schon mal geschrieben, aber wir kauen nochmal genüsslich drauf rum: Der Volvo XC40 mit Elektroantrieb ist das einzige Auto seit Jahrzehnten, das ohne Generationswechsel von Front- auf Heckantrieb wechselt. Außerdem erhielt das Kompakt-SUV neue Motoren und Batterien. All das war wahrhaftig mehr als Grund genug, um nach Göteborg zu fahren und das Auto zu testen.

Titel-Bild zur News:

Volvo XC40 Pure Electric: Wir fuhren das kompakte Elektro-SUV in der Gegend rund um Göteborg Zoom

Bevor wir zu unseren Testeindrücken kommen, noch kurz die Basics: Der Volvo XC40 ist ein 4,44 Meter langes Kompakt-SUV auf Basis der Multi-Antriebs-Plattform Common Modular Architecture (CMA). Es gibt ihn mit Heck- und mit Allradantrieb, sowie mit zwei verschiedenen Batterien. Erst beim Technik-Update zum Modelljahr 2023 kam die Version Single Motor Extended Range mit Heckantrieb und großer Batterie hinzu:

Antrieb
Single Motor: RWD mit 175 kW
Single Motor Extended Range: RWD mit 185 kW
Twin Motor: AWD mit 110+190=300 kW

Drehmoment
Single Motor: 420 Nm
Single Motor Extended Range: 420 Nm
Twin Motor: 250+420=670 Nm

0-100 km/h
Single Motor: 7,4 Sek.
Single Motor Extended Range: 7,4 Sek.
Twin Motor: 4,9 Sek.

Höchstgeschwindigkeit
Single Motor: 180 km/h
Single Motor Extended Range: 180 km/h
Twin Motor: 180 km/h

WLTP-Stromverbrauch
Single Motor: 17,1 kWh/100 km
Single Motor Extended Range: 16,6 kWh/100 km
Twin Motor: 17,6 kWh/100 km

Batterie brutto / netto
Single Motor: 69 / 67 kWh
Single Motor Extended Range: 82 / 78 kWh
Twin Motor: 82 / 78 kWh

WLTP-Reichweite
Single Motor: 461 km
Single Motor Extended Range: 573 km
Twin Motor: 504-538 km

Aufladen AC / DC
Single Motor: 11 / 150 kW
Single Motor Extended Range: 11 / 200 kW
Twin Motor: 11 / 200 kW


Fotostrecke: Volvo XC40 Pure Electric mit neuem Antrieb im Test

Ladedauer DC
Single Motor: 34 min (10-80%)
Single Motor Extended Range: 28 min (10-80%)
Twin Motor: 28 min (10-80%)

Preis (Ausstattung)
Single Motor: 47.500 Euro (Essential)
Single Motor Extended Range: 53.000 Euro (Core)
Twin Motor: 59.950 Euro (Plus)

Antriebe: Höllisch schneller Allradler macht viel Spaß

Zunächst stieg ich in den XC40 Twin Motor und war wie zuvor schon Kollege Manu bei seinem Test des XC40 völlig perplex von dem Sprintverhalten: Der 300 kW starke Allradantrieb drückt einen fest in den Sitz und das Auto schießt voran, als gäbe es kein Morgen - so viel Punch ist selten. Das passt weniger zum rationalen Markenimage, aber es macht irre Spaß.

Eher Volvo-like ist der danach gefahrene Single Motor Extended Range. Mit seinen 185 kW bietet er immer noch ausreichend Leistung. Dass das Auto nun Heckantrieb hat, merkt man auf trockenen Fahrbahnen nicht. Was den Stromverbrauch angeht, so war er beim Allradmodell mit rund 22 kWh/100 km deutlich höher als beim Hecktriebler (15 kWh). Die Volvo-Experten schmunzelten dazu und meinten, das läge wohl am "anderen Fahrprofil". Damit war wohl gemeint: Mit dem 300-kW-Modell gibt man automatisch mehr Gas. Da haben sie wohl nicht ganz unrecht ...

Learnings zu Antrieb und Batterie

Hinten kommen nach wie vor stets Permanentmagnet-Synchronmaschinen (PSMs) zum Einsatz; sie stammen nun aber von Volvo selbst. Selbst entwickelt wurde auch die vordere Maschine des Allradlers. Hier wird aber jetzt eine Asynchronmaschine verwendet. Vorteil: Anders als die bisher verwendete PSM kann sie stromlos geschaltet werden, ohne zu bremsen. Um auch die Effizienz der Hinterachse zu steigern, verwendet Volvo dort jetzt Siliciumcarbid-Technik für den Inverter.

Das stand bereits in der Pressemitteilung. Von Lutz Stiegler, dem Volvo-Experten vor Ort, habe ich gelernt, dass Volvo beim Heckmotor ein Planetengetriebe für die Untersetzung verwendet. Warum so ein kompliziertes Getriebe? Weil der Heckmotor aus Packaging-Gründen direkt auf der Achse sitzt. VW dagegen verwendet für seinen neuen 210-kW-Heckmotor einfach ein paar Zahnräder nebeneinander, aber dort sitzt der Motor auch vor der Achse.

Dass der Elektro-XC40 auf einer Verbrenner-Plattform basiert, ist an dem Chassis-Modell auf den ersten Blick zu sehen: Die Batterie liegt nicht als einheitliche Platte im Boden, sondern verteilt sich auf Module im Boden und im Mitteltunnel. Wie beim Porsche Taycan gibt es Aussparungen für die Füße der Fondpassagiere. Dort sind nur das Batteriemanagement-System beziehungsweise der Servicezugang zur Batterie verbaut.

Insgesamt enthält die Batterie 27 Module, und zwar die große wie die kleine. Wenn wir Stiegler richtig verstanden haben, dann hat die große Batterie aber nickelreichere NMC-Zellen. Der 78-kWh-Akku besteht aus prismatischen Zellen von CATL, der mit 67 kWh aus Pouch-Zellen von LG.

Volvo XC40

Volvo XC40 Zoom

Laut Stiegler besitzt der XC40 eine automatische Vorkonditionierung für die Batterie: Wenn man einen Schnelllader als Navi-Ziel eingibt, wird der Akku vorgewärmt beziehungsweise gekühlt auf etwa 25 Grad Celsius. Eine manuelle Vorkonditionierung könnte laut Stiegler zu einem Mehrverbrauch führen. Denn wenn die Vorkonditionierung zu früh aktiviert wird, muss der Akku zu lange auf dieser Temperatur gehalten werden.

Was das Aufladen angeht, so vertragen die Batterien 150 beziehungsweise 200 kW Gleichstrom - das ist ordentlich. Erfreulich auch: Plug & Charge ist laut Stiegler in Vorbereitung, auch wenn Volvo es noch nicht offiziell erwähnt.

Bedienung, Fahrwerk und mehr

Der XC40 verzichtet nach wie vor auf den Startknopf: Man steigt ein, schiebt den Wahlhebel auf D oder R und fährt einfach los - praktisch. Auch der One-Pedal-Driving-Modus gefällt: Damit verzögert man ohne Benutzung des Bremspedals bis zum Stand. Beim Halt an einer Steigung wird das Auto sogar automatisch festgebremst, ohne dass man eine Auto-Hold-Taste zu drücken braucht.

Allerdings hat der XC40 bisher nur zwei Rekuperationsmodi: entweder One-Pedal-Driving oder Segeln. Und einer auf Sicherheit fokussierten Marke wie Volvo unwürdig ist, dass sich die Einstellung tief in den Menüstrukturen des Systems verbirgt. Wer in der Stadt den One-Pedal-Modus nutzt, auf der Landstraße aber lieber segelt, muss zum Umstellen zwei Menüpunkte mit dem Finger treffen und einmal nach unten scrollen. Das lenkt ab.

Laut Stiegler wird es jedoch bald einen dritten Rekuperations-Modus namens Auto geben, der nur bei den Testwagen noch nicht implementiert war. Der Modus soll zumindest beim Auflaufen auf ein vorausfahrendes Fahrzeug eine stärkere Rekuperation aktivieren. Wünschenswert wäre, wenn es auch bei Kreisverkehren, Stop-Schildern oder Abzweigungen klappt wie etwa beim BMW iX. Und bitte, wenn es geht, dazu noch Lenkrad-Paddles zum Aktivieren der Modi.

Lobenswert ist, dass die Navigation eine komplette Ladeplanung erstellt. Wir probierten es anhand einer Route von Göteborg nach München aus, und es klappte prima. Das Navi suchte in Windeseile passende Ladestationen heraus und listete sie auf - das können bei Weitem nicht alle Elektroautos. Und die Google-Earth-Darstellung der Navi-Karten ist wesentlich schicker als die unansehnlichen, graugrünen Grafiken, die es bei früheren Volvos gab.

Was das Cockpit und die Bedienung angeht, so bietet der Volvo weder Hightech-Ambiente noch Gimmicks wie etwa der Hyundai Ioniq 5 oder der Genesis GV60. Für Technik-Nerds ist der Wagen daher eher nichts. Dafür lässt er sich im Allgemeinen einfach bedienen. Mehr als ausreichend ist auch der Platz im Fond. Was die Materialien angeht, so haben uns die Sitzbezüge aus hellgrauer Wolle sehr gut gefallen - sie fassen sich sehr angenehm an und Vergleichbares haben wir noch bei keinem anderen Auto gesehen. Ausgenommen das neue Luxus-SUV EX90, denn dort werden sie auch angeboten.

Kleiner Konkurrenzvergleich

Am Besten erkennt man Stärken und Schwächen eines Autos, wenn man mit der Konkurrenz vergleicht. In der folgenden Tabelle haben wir den XC40 mit Heckantrieb und großer Batterie verglichen. Weil es den Genesis GV60 und den BMW iX1 nur mit Allradantrieb gibt, haben wir stattdessen das Tesla Model Y und den Hyundai Ioniq 5 aufgenommen, die eigentlich nicht zu den Premiumautos gehören. Die jeweils besseren Werte sind gefettet:

Antrieb
Volvo XC40 LR RWD: RWD 185 kW
Polestar 2: RWD 220 kW
Tesla Model Y: RWD 220 kW
Hyundai Ioniq 5 77 kWh RWD:
Audi Q4 40 e-tron: RWD 168 kW FWD 150 kW
Mercedes EQA 250+: 140 kW

0-100 km/h
Volvo XC40 LR RWD: 7,4 Sek.
Polestar 2: 6,2 Sek.
Tesla Model Y: 6,9 Sek.
Hyundai Ioniq 5 77 kWh RWD: 7,3 Sek.
Audi Q4 40 e-tron: 8,5 Sek.
Mercedes EQA 250+: 8,6 Sek.

Spitze
Volvo XC40 LR RWD: 180 km/h
Polestar 2: 205 km/h
Tesla Model Y: 217 km/h
Hyundai Ioniq 5 77 kWh RWD: 185 km/h
Audi Q4 40 e-tron: 160 km/h
Mercedes EQA 250+: 160 km/h

Stromverbrauch
Volvo XC40 LR RWD: 16,6 kWh
Polestar 2: k.A.
Tesla Model Y: 15,7 kWh
Hyundai Ioniq 5 77 kWh RWD: 17,0-18,0 kWh
Audi Q4 40 e-tron: 16,6-19,6 kWh
Mercedes EQA 250+: 15,3-16,7 kWh

Reichweite
Volvo XC40 LR RWD: 573 km
Polestar 2: 654 km
Tesla Model Y: 455 km
Hyundai Ioniq 5 77 kWh RWD: bis 507 km
Audi Q4 40 e-tron: bis 528 km
Mercedes EQA 250+: bis 531 km

Ladedauer DC
Volvo XC40 LR RWD: 28 min (10-80%)
Polestar 2: k.A.
Tesla Model Y: k.A.
Hyundai Ioniq 5 77 kWh RWD: 18 min (10-80%)
Audi Q4 40 e-tron: 29 min (5-80%)
Mercedes EQA 250+: 32 min (10-80%)

Anhängelast
Volvo XC40 LR RWD: 1.500 kg
Polestar 2: 1.500 kg
Tesla Model Y: k.A.
Hyundai Ioniq 5 77 kWh RWD: 1.600 kg
Audi Q4 40 e-tron: 1.000 kg
Mercedes EQA 250+: 750 kg

Basispreis
Volvo XC40 LR RWD: 53.000 ?
Polestar 2: 52.690 ?
Tesla Model Y: 48.548 ?
Hyundai Ioniq 5 77 kWh RWD: 47.900 ?
Audi Q4 40 e-tron: 51.900 ?
Mercedes EQA 250+: 52.205 ?

Man sieht, dass der Volvo keine gute Karte im Auto-Quartett wäre. Der technisch eng verwandte Polestar 2 schlägt ihn bei Fahrleistungen und Reichweite, das Model Y bei Höchstgeschwindigkeit und Stromverbrauch, der Ioniq 5 bei Ladedauer und Anhängelast. Preislich liegen alle Modelle günstiger als der Volvo. Der Elektro-XC40 ist aber ein gutes Gesamtpaket. Erstaunlich ist auch, dass das Schweden-Auto nun den entsprechenden Audi Q4 e-tron bei der Reichweite schlägt, obwohl dieser auf einer dedizierten Elektroplattform basiert. Generell ist die deutsche Premiumkonkurrenz wenig konkurrenzfähig. Fazit

Dass der Volvo XC40 neue Antriebe und Batterien erhalten hat, lässt sich bei einer kurzen Testfahrt kaum "erfahren". Der Vorteil liegt wohl vor allem im niedrigeren Stromverbrauch des Allradlers, wodurch seine Reichweite von 438 auf 538 km steigt.

Ansonsten ist der XC40 ein Auto für die "rational", das heißt eher verhalten fahrende Kundschaft, die aber auch Wert auf schicke Details wie die Wollbezüge oder den Orrefors-Wahlhebel legt. Dieser würden wir den Heckantrieb mit großer Batterie empfehlen, der dank der neuen Technik auf Reichweiten von bis zu 573 km kommt. Der fast schon verrückte Allradantrieb ist eher etwas für ausgesprochene Power-Fans, die unter der Volvo-Kundschaft eher selten sein dürften.

Volvo XC40 Single Motor Extended Range

Motor: Permanentmagnet-Synchronmaschine (PSM) hinten
Leistung: 185 kW
Max. Drehmoment: 420 Nm
Beschleunigung 0-100 km/h: 7,4 Sek.
Höchstgeschwindigkeit: 180 km/h

Verbrauch: 16,6 kWh/100 km
Batterie: 78 kWh netto
Elektrische Reichweite: 573 km
Ladeanschluss: CCS2, bis 11 kW AC, bis 200 kW DC
Aufladezeit: 8h mit AC (0-100%), 28 min mit DC (10-80%)

Länge: 4.440 mm
Breite: 1.863 mm
Höhe: 1.647 mm
Kofferraumvolumen: 452-1328 Liter hinten plus 31 Liter vorn (Frunk)

Anhängelast: 1.500 kg (gebremst, 12% Steigung)
Leergewicht: 2.076 kg (444 kg Zuladung)
Basispreis: 53.000 Euro

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