WEC 2024: So funktioniert das neue System der Balance of Performance
FIA und ACO haben ein neues System der Balance of Performance für die WEC 2024 eingeführt - Ziel der BoP ist es, "die Hersteller Rennen fahren zu lassen"
(Motorsport-Total.com) - Die Einstufung der Hersteller in der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) erfolgt in der Saison 2024 nach einem veränderten Schema: Automobil-Weltverband FIA und Automobile Club de l'Ouest (ACO) haben sich in diesem Jahr ein neues System der Balance of Performance (BoP) überlegt, das dazu beitragen soll, "die Hersteller Rennen fahren zu lassen".
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Die Balance of Performance der WEC 2024 wurde verändert Zoom
"Die BoP wird das Fehlen von Optimierungen im Rennsport - Reifenwahl, Fahrerform, Strategieentscheidungen - nicht kompensieren", sagt ACO-Wettbewerbsdirektor Thierry Bouvet. "Das wollen wir den Teams überlassen, wir wollen sie Rennen fahren lassen."
Heißt: Es kommt nicht allein auf die Rundenzeit an. Stattdessen wird ein Fenster definiert, in dem sich die Hersteller mit ihren Hypercars und LMDh-Boliden (Langstrecken-ABC: Abkürzungen erklärt!) befinden müssen. Die BoP wird für alle Autos, die außerhalb dieses Fensters liegen, nach oben oder unten angepasst.
Die Berechnungen basieren auf den Daten des schnellsten Fahrzeugs jedes Herstellers, wobei die Analyse nach "einer ganzen Reihe von Runden" erfolgt. Diese werden dann mit der Simulation korreliert und ein Durchschnittswert ermittelt, um den herum das Fenster festgelegt wird.
Bouvet wollte beim WEC-Auftakt in Katar nicht verraten, wie groß das Fenster sein wird. "Sie werden keine Antwort bekommen", sagte der Franzose, der jedoch Andeutungen machte: "Es werden keine zwei Sekunden sein." Allerdings soll das Fenster nicht kleiner sein als die Unterschiede zwischen den Autos eines Herstellers.
Änderungen für jedes Rennen möglich
"Wir haben uns das letzte Jahr angeschaut. Es gibt Unterschiede zwischen zwei identischen Autos desselben Herstellers, und es wäre nicht vernünftig zu glauben, dass wir das besser machen können", sagt er. "Wir müssen uns ein wenig auf die BoP konzentrieren - die Idee ist, so wenig wie möglich einzugreifen."
Bouvet verrät auch, dass Änderungen für Autos, die am unteren Ende aus dem Fenster gerutscht sind, weniger schnell vorgenommen werden als für solche, die am oberen Ende liegen. "Wenn wir ein Auto haben, das schneller ist, werden wir dazu neigen, schnell zu reagieren, aber wenn ein Auto langsamer ist, werden wir langsam handeln", sagt der ACO-Wettbewerbsdirektor.
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Die Autos sollten dank der neuen BoP besser anzugleichen sein Zoom
Die Verantwortlichen werden deshalb vor jedem Rennen eine aktuelle BoP-Tabelle veröffentlichen, wobei dies nicht grundsätzlich bedeutet, dass es bei jeder Veranstaltung eine Änderung der Einstufung geben wird. Bouvet bestätigt allerdings, dass es beim 24h-Rennen in Le Mans aufgrund der Besonderheiten der Strecke einige Anpassungen geben wird.
Ein ähnliches Verfahren wurde schon im Vorjahr genutzt, als FIA und ACO für die Rennen in Monza, Fuji und Bahrain drei verschiedenen Tabellen veröffentlichten, die die Charakteristiken der einzelnen Strecken widerspiegeln sollten. Im neuen BoP-System werden künftig auch der Kraftstoffverbrauch und die verschiedenen aerodynamischen Einstellmöglichkeiten der Hersteller berücksichtigt.
Anpassung der Leistungskurve ab 210 km/h
Darüber hinaus gab es im Vorjahr einige Diskussionen, weil der Ferrari 499P bei hohen Geschwindigkeiten seine Stärken besonders gut ausspielen konnte. Auch für diesen Fall haben sich ACO und FIA eine neue Möglichkeit zur Einstufung überlegt: Das zweistufige BoP-System ermöglicht eine Veränderung der Leistungskurve bei Geschwindigkeiten über 210 km/h.
Das System wurde beim Prolog in Katar getestet, fand beim Auftakt allerdings noch keine Anwendung. Die Einführung ist für das zweite Rennen in Imola (21. April) geplant. Der große Vorteil des Systems wird sein, die verschiedenen Fahrzeugkonzepte bei hohen Geschwindigkeiten besser anzugleichen.
Auf die in Kilowatt gemessene Höchstleistung, die jedem Auto oberhalb dieser Geschwindigkeit zugestanden wird, wird ein Plus- oder Minuswert angewandt. In der LMGT3-Klasse, in der seit 2024 die GT3-Boliden zum Einsatz kommen, wird ein ähnliches System genutzt - in diesem Fall sind Anpassungen schon bei 200 km/h möglich.
"Vorher gab es natürlich Unterschiede im Luftwiderstand und im Abtrieb eines Autos", erklärt Bouvet. "Also hat man versucht, den Unterschied zwischen Leistung, Gewicht und so weiter auszugleichen. Wenn man die Leistung erhöhte, weil das Auto mehr Luftwiderstand hatte, musste man wahrscheinlich auch mehr Gewicht hinzufügen. Es war ein Kreislauf, der notwendig war."
"Jetzt, mit dieser zweistufigen Leistung, können wir die Beschleunigung und die Höchstgeschwindigkeit unterschiedlich gestalten", begründet der ACO-Wettbewerbsdirektor. "Im Grunde gibt uns das ein weiteres Werkzeug in die Hand, mit dem wir das Auto anpassen können, was wiederum zu geringeren Gewichtsunterschieden führt, wie man am Beispiel des LMGT3 sehen kann."
Auch Hersteller mit BoP-System zufrieden
Die Mehrheit der Hypercar-Hersteller sind mit dem neuen Prozess der Einstufung zufrieden. "Das System ist clever, um ehrlich zu sein", sagt der technische Direktor von Peugeot Sport, Olivier Jansonnie. "Einige Hersteller haben diese Idee schon vor einem Jahr vorgebracht, deshalb fragen wir uns, warum es so lange gedauert hat, bis sie umgesetzt wurde."
"Aber wir halten die Idee für gut und das System für clever. Es bietet einen zusätzlichen Freiheitsgrad bei der Einstufung der Autos, was wir für sehr sinnvoll halten", freut sich Jansonnie. "Es kann dabei helfen, Beschleunigung und Höchstgeschwindigkeit zu korrelieren."
"Wenn man beispielsweise ein Auto hat, dem es an Höchstgeschwindigkeit fehlt, das aber gut beschleunigt, muss man nicht alle Werte reduzieren. Man kann zwischen dem einen und dem anderen wählen", nennt der Peugeot-Technikchef die Vorteile des neuen Systems. "Es gibt ein bisschen mehr Freiheit [mit dem zweistufigen System]."
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Der technische Direktor von Toyota Gazoo Racing Europe, David Floury, ergänzt: "Ich denke, es hat Sinn. Ich verstehe, was die FIA und der ACO erreichen wollen." Auch deshalb unterstützen die Hersteller die Verantwortlichen, um das Starterfeld in der Langstrecken-WM 2024 bestmöglich anzugleichen.
Hersteller arbeiten mit FIA & ACO zusammen
"Wir arbeiten hart mit der FIA und dem ACO zusammen", verrät Ferrari-Technikdirektor Ferdinando Cannizzo. "Sie haben sich sehr bemüht, die Autos auszubalancieren, also müssen wir uns gegenseitig unterstützen." Beim Auftakt in Katar wurde eine BoP mit statischen Leistungswerten über alle Geschwindigkeiten hinweg verwendet.
Obwohl Porsche dabei offenbar am meisten profitierte, spricht sich Porsche LMDh-Werksleiter Urs Kuratle ebenfalls für das zweistufige BoP-System aus. "Es gibt eine Menge Maßnahmen, die die Führungsgremien ergreifen, um eine gleichmäßigere BoP zu erreichen, und wir haben volles Vertrauen darin", lobt er gegenüber Sportscar365.
"In Katar schien [das zweistufige System] ganz gut zu sein. Ich bin mir nicht sicher, ob gleichberechtigt das richtige Wort dafür ist, aber es scheint ziemlich ausgeglichen zu sein. Wir sind wirklich gespannt auf die Ergebnisse."
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