Hat die Superbike-WM den Tiefpunkt überwunden?

Fahrer und Teammanager sprechen über die Popularität der Superbike-WM, die Vergleiche mit dem GP-Sport und ärgern sich über den Rossi-Faktor in der MotoGP

(Motorsport-Total.com) - Die Superbike-WM steht vor ihrer 30. Saison, doch von Feierstimmung ist keine Spur. Lange war die seriennahe Meisterschaft die einzige Viertaktserie auf WM-Niveau und erhielt großen Zuspruch. Doch in den vergangenen Jahren erlebte die Superbike-WM schwierige Zeiten. Die Ränge waren meist leer, die TV-Übertragungen schlecht und das Interesse der Hersteller ließ nach. Doch der Tiefpunkt scheint überwunden zu sein.

Titel-Bild zur News: Tom Sykes

Superbike-WM: Spannende Rennen, viele Hersteller, aber kaum Zuschauer Zoom

In der Saison 1988 kam der Stein ins Rollen, als auf dem Traditionskurs in Donington der erste Lauf gestartet wurde. Davide Tardozzi, heute Manager des Ducati-MotoGP-Teams, gewann mit seiner Bimota das erste Superbike-WM-Rennen der Geschichte. Den WM-Titel sicherte sich aber Honda-Pilot Fred Merkel, der 1988 und 1989 mit der legendären RC30 der Konkurrenz überlegen war.

In den 1990ern folgte die Carl-Fogarty-Ära. Der charismatische Brite ist mit vier WM-Titeln und 59 Laufsiegen der erfolgreichste Fahrer der Superbike-Geschichte. "Foggy" holte alle seine Titel mit Ducati, dem nach wie vor erfolgreichsten Hersteller der Serie: 17 Hersteller- und 14 Fahrertitel gewannen die Italiener bisher. Nachdem sich Fogarty in der Saison 2000 verletzte, stieg Troy Bayliss in die Fußstapfen des Briten und setzte die Goldene Ära der Superbike-WM fort. Unvergessen sind die Zweikämpfe mit Castrol-Honda-Pilot Colin Edwards.

2002: Die Superbike-WM verliert ihr Alleinstellungsmerkmal

Als die MotoGP in der Saison 2002 von den 500er-Zweitaktern zu den 990er-Viertaktern wechselte, zogen über der Superbike-WM dunkle Wolken auf. Die aufwendigen MotoGP-Prototypen stellten die Superbikes in den Schatten und bescherten den Superbike-WM-Promotern Kopfschmerzen. Daran konnten auch Grand-Prix-Veteranen wie Max Biaggi und Carlos Checa später wenig ändern.

In den vergangenen Jahren dominierten die Briten. Jonathan Rea, Tom Sykes und Chaz Davies machten in den vergangenen Jahren die Siege unter sich aus. Es mangelt aktuell an Charakteren vom Schlage eines Carl Fogarty oder Colin Edwards. Im Fahrerlager herrscht Harmonie. Es gibt zu wenig kontroverse Geschichten, die für Gesprächsstoff sorgen.

Carl Fogarty

Die Goldene Ära der Superbike-WM: Carl Fogarty feiert 1998 seinen dritten WM-Titel Zoom

Zudem kämpft die Superbike-WM auch knapp zehn Jahre nach der Wirtschaftskrise mit den Folgen. Ducati-Superbike-Projektleiter Ernesto Marinelli versucht, die Situation im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' zu bewerten: "Die Krise beeinflusst die Rennsportwelt nach wie vor. Es ist momentan sehr schwierig, ein Event zu promoten. Ich denke nicht, dass die Situation dramatisch ist, doch es ist an der Zeit, sich neue Dinge einfallen zu lassen, um die Serie attraktiver zu machen für die Fans", bemerkt der Italiener.

Ungebrochener MotoGP-Hype

Im Gespräch mit Ducati-Werkspilot wird deutlich, dass vor allem der Hype um die MotoGP für die aktuelle Situation verantwortlich ist. "Es ist schwierig, die beiden Klassen zu vergleichen. Sie sind ziemlich unterschiedlich. Ich würde schon sagen, dass die Superbike-WM eine Art zweite Liga ist. Die Superbike-WM hat aber mit Sicherheit einen Platz im professionellen Motorradsport verdient, weil sie anders ist als die MotoGP, in der nur Prototypen zum Einsatz kommen. Hier wird mit den Motorrädern gefahren, die man kaufen kann. Zudem können die Hersteller hier besser an der Elektronik arbeiten. Das dürfte einen gewissen Wert für die Hersteller haben", bemerkt der Brite.

Jorge Lorenzo, Valentino Rossi, Marc Marquez

Die MotoGP sorgte in den vergangenen Jahren für reichlich Gesprächsstoff Zoom

Am Unterhaltungswert der Superbike-WM zweifelt Davies nicht: "Die Rennen sind mindestens genau so gut, wenn nicht sogar besser als in der MotoGP", kommentiert der Ducati-Pilot. "In der MotoGP gibt es immer wieder gute Rennen, doch unterm Strich sind die Rennen in der Superbike-WM besser, wenn man den ganzen Hype der MotoGP ausblendet."

"Die Serie wird immer mit der MotoGP verglichen, was ich nicht gut finde, weil man die beiden Serien nicht miteinander vergleichen kann. Es mangelt ein bisschen an Interesse, aber ich weiß nicht so richtig, wie man das ändern kann", grübelt Davies und ergänzt: "Die MotoGP ist deutlich größer und die Superbike-WM steht total im Schatten. Das ist das Problem."


Fotos: Superbike-WM-Test auf Phillip Island


Der Rossi-Faktor

"Als ich aufwuchs, war die Superbike-WM sehr populär. Die Rennen waren gut und es war die einzige Viertaktserie. Es war eine gute Serie. Die TV-Übertragungen waren super. Es gab damals keinen Valentino Rossi. Es sind viele Dinge, die den Grand-Prix-Sport so groß gemacht haben. Die MotoGP verdient es, die Nummer-eins-Serie zu sein, weil es die prestigeträchtigste Serie der Welt ist, doch das war nicht immer so", hält Davies fest.

In der vergangenen Saison wechselte mit Nicky Hayden ein ehemaliger MotoGP-Champion zu den Superbikes. "Solche Fahrer sind schwer aufzutreiben. Aber es hat nicht viel verändert. Nun stößt Stefan Bradl dazu. Wie viele Grand-Prix-Fahrer müssen noch kommen, bevor sich etwas ändert?", fragt sich Davies und scherzt: "Wenn Valentino zu den Superbikes wechseln würde, dann wäre plötzlich alles anders."

Valentino Rossi

Extreme Fankultur: Valentino Rossi begeistert nach wie vor die Massen Zoom

Hayden selbst bestätigt Davies' Meinung und macht die momentan starke MotoGP mitverantwortlich: "Die MotoGP ist im Moment sehr spannend. Es ist eine starke Serie. Valentino ist ein großer Faktor. Es gibt großartige Rivalitäten. Die Superbike-WM hat ein Tief durchgemacht", analysiert der US-Amerikaner und schaut optimistisch in die Zukunft: "Hoffentlich geht es nun wieder aufwärts."

Die Rolle der Dorna

Seit der Saison 2013 kümmert sich die Dorna um die Promotion der Superbike-WM. Im Fahrerlager erntet der neue Promoter meist lobende Worte. "Die Dorna hat sich stark für bessere TV-Übertragungen eingesetzt. Das hat gut funktioniert", hält Ex-Superbike-Weltmeister Sylvain Guintoli fest und betont: "Es ist eine tolle Meisterschaft, die Motorräder sind super und sehr schnell. Das Niveau ist sehr hoch."

Paul Denning

Paul Denning bezweifelt, dass die Dorna mit Herzblut bei der Sache ist Zoom

Yamaha-Teammanager Paul Denning ist mit der Arbeit der Dorna ebenfalls zufrieden, hat aber auch einige Zweifel: "Die Superbike-WM hat einige schwierige Jahre hinter sich. Die Dorna hat sich bestimmt schwer getan, die Ressourcen und Investitionen festzulegen. Es kann keine echte Liebe sein, eine Serie zu voranzubringen, die 20 Jahre lang der Feind war", hält der Brite fest.

Harmonie statt Kontroversen

Guintoli wünscht der Superbike-WM mehr Würze: "Man bräuchte vielleicht mehr unterschiedliche Nationen an der Spitze und ein paar Kontroversen unter den Fahrern. Vielleicht geht es zu freundlich zu. Die Leute wünschen sich mehr Reibereien. Die MotoGP ist im Moment sehr stark, weil es verschiedene Charaktere und Kontroversen gibt", vergleicht der Franzose, der 2017 nicht mehr in der WM an den Start geht.

Jonathan Rea

Farbloser Champion: Jonathan Rea fehlt das Charisma eines Carl Fogarty Zoom

Das Hoch der MotoGP bewertet Guintoli nicht über. "Es ist nicht so lange her, als die Leute meinten, dass die MotoGP in großen Schwierigkeiten steckt. Nun befindet sich die Serie auf einem Hoch. Es geht hoch und runter. Es ist eine ständige Achterbahnfahrt", weiß der routinierte Franzose, der 2007 und 2008 für Tech-3-Yamaha und Pramac-Ducati in der MotoGP an den Start ging.

Fannähe vs. Grand-Prix-Feeling

Wir haben uns mit Ronald ten Kate, einem weiteren Superbike-WM-Urgestein, unterhalten und nach den Gründen für das geringe Fan- und Medieninteresse gefragt. "Die MotoGP hat diese Formel-1-Atmosphäre. Es gibt richtige Stars, vor allem Herrn Rossi. Das ist ein großer Faktor. Man muss sich nur anschauen, wie gelb die Tribünen sind. Uns fehlt ein Fahrer, der wie Rossi einen gewissen Rockstar-Status hat und Leute an die Strecken zieht, die sich nicht zwingend für Motorradrennsport interessieren", kommentiert der Niederländer.

Ten Kate erklärt weiter: "Bei der Superbike-WM fahren die meisten Fans auch selbst Motorrad. Es sind echte Fans. Zur MotoGP gehen aber auch Leute, die sonst nicht alle Rennen schauen. Der Rossi-Faktor ist sehr groß", unterstreicht der Teamchef von Stefan Bradl, der Fanaktivitäten, wie die Paddock-Show, lobt: "Im Superbike-Fahrerlager wird sehr viel für die Fans gemacht. Das begrüße ich."

MotoGP Paddock

MotoGP-Fahrerlager-Tickets sind teuer, der Ansturm der Fans ist dennoch riesig Zoom

Für eine erfolgreiche Zukunft wünscht sich ten Kate ein qualitativ hochwertiges Fahrerfeld, um guten Rennsport zu bieten: "Wir müssen sicherstellen, dass wir volle Felder haben, die mit guten Fahrern gefüllt sind, damit die Show auf der Strecke noch interessanter wird. Es wäre gut, wenn wir Rossi zu den Superbikes holen könnten (lacht; Anm. d. Red.). Das wäre die Lösung", scherzt er.

Ten Kate erwähnt aber auch die Wichtigkeit eines guten Rahmenprogramms: "Die Moto2 hat sich zu einer Klasse entwickelt, die für sich steht und die Leute begeistert. Die Supersport-WM tut sich schwer, die Leute richtig zu unterhalten. Es gibt drei oder vier Fahrer, die schnell sind, doch dahinter passiert nicht viel", bedauert der Holländer, der sich 2017 nach vielen Jahren aus der Supersport-WM zurückgezogen hat.

"Das Feld in der Moto2 ist viel dichter. Und auch die Moto3 läuft momentan sehr gut", vergleicht er. In der neuen Superbike-WM-Saison gibt es mit der Supersport-300-Klasse eine vielversprechende Neuerung im Programm. In der Nachwuchsklasse wird mit Einsteigermaschinen von Yamaha, Kawasaki und Honda gefahren. Zudem ist auch die Superstock-1000-Klasse weiterhin Bestandteil des Superbike-WM-Rahmenprogramms.

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