Wo steht Aprilia ohne MotoGP-Champion Martin? Bezzecchi erstaunt Sterlacchini

Aprilia beim MotoGP-Test in Sepang mit Rückstand: Die Verletzung von Weltmeister Jorge Martin schwächt das Team - Marco Bezzecchi versteht die Aprilia noch nicht

(Motorsport-Total.com) - Beim MotoGP-Test in Sepang bestätigte sich, dass Ducati weiterhin der Hersteller ist, den es zu schlagen gilt. Überraschend war die Reihenfolge der Jäger. Ducati ist überzeugt, dass Yamaha über den Winter einen großen Sprung gemacht hat und mittlerweile zweite Kraft ist (zur Analyse). KTM konnte sich nicht mit Fabelzeiten in Szene setzen. Gleiches gilt für Aprilia.

Titel-Bild zur News: Marco Bezzecchi

Marco Bezzecchi stürmte am finalen Tag zur neuntbesten Rundenzeit Zoom

Für Weltmeister Jorge Martin war der wichtige Vorsaison-Test bereits nach wenigen Stunden gelaufen. Der Spanier erlebte einen absoluten Fehlstart ins neue Jahr. Am Mittwoch stürzte der Titelverteidiger gleich zu Beginn des Tests zwei Mal. Der erste Abflug war harmlos, der zweite hatte es aber in sich.

Martin verletzte sich an Hand und Fuß und wurde bereits operiert. Für den zweiten Test in Buriram fällt er aus. Unklar ist, ob er bis zum ersten Rennwochenende fit wird. Aprilia-Rennleiter Massimo Rivola überraschte nach dem Zwischenfall mit sehr klaren Aussagen, die MotoGP-Reifenlieferant Michelin in kein gutes Licht rücken.

Jorge Martin

Auf Jorge Martins Sturz folgte der Schlagabtausch Aprilia vs. Michelin Zoom

Der französische Reifenhersteller reagierte bereits und machte eine zu niedrige Temperatur im Inneren des Reifens verantwortlich (was Piero Taramasso gesagt hat). Doch Rivola wollte diese Erklärung nicht so stehen lassen und lieferte bereits eine weitere Reaktion (zur News). Es war wohl nicht das letzte Wort im Schlagabtausch zwischen Aprilia und Michelin.

Marco Bezzecchi wird über Nacht zum Aprilia-Teamleader

Durch den Ausfall von Jorge Martin übernahm Marco Bezzecchi die Rolle des Teamleaders. Der Aprilia-Neuling schob sich am finalen Testtag auf P9 der Wertung. Bei seiner schnellsten Runde verlor Bezzecchi 0,835 Sekunden auf die Bestzeit. "Ich kann nach wie vor Motorradfahren", scherzt der Italiener. "Es war das erste Mal, dass ich auf Zeitenjagd ging. Ich bin happy mit der Performance."

Marco Bezzecchi

Marco Bezzecchi sieht noch reichlich Luft nach oben Zoom

Komplett zufrieden war der ehemalige Ducati-Pilot aber noch nicht. "Ich habe das Motorrad noch nicht ans Limit gebracht. Das lag aber weniger am Motorrad und eher an mir. Ich muss das Motorrad noch besser verstehen und das Limit finden", gesteht der Italiener.

Nach drei Jahren mit Ducati beginnt für Bezzecchi in diesem Jahr ein neues Kapitel. Erstaunt ist der ehemalige VR46-Pilot vom Motor der RS-GP. "Die Leistung hat mich ehrlich gesagt beeindruckt", kommentiert Bezzecchi.

Marco Bezzecchi

Marco Bezzecchi lobt den Motor der Aprilia RS-GP Zoom

"Es steht sehr viel Leistung zur Verfügung. Die Elektronik muss verbessert werden, um die Leistung besser zu kontrollieren", erkennt er eine Schwäche und fügt hinzu: "Wir müssen versuchen, mehr von der bereitstehenden Leistung auf den Boden zu bringen."

Die Aussagekraft der Rundenzeiten sollte man nicht überbewerten. Einige Fahrer haben Probleme, auf eine schnelle Runde alles zusammenzubringen, sind im Renntrimm aber stärker. Das gilt wohl auch im Fall von Bezzecchi.


Fotos: MotoGP 2025: Vorsaisontest in Sepang (Malaysia)


"Mit frischen Reifen habe ich mehr Probleme", verrät er. "Ich fuhr am ersten und zweiten Tag sehr oft mit gebrauchten Reifen. Damit lief es ziemlich gut. Wenn wir einen frischen Reifen montieren, dann fällt es mir ein bisschen schwerer."

Marco Bezzecchi

Marco Bezzecchi kommt mit gebrauchten Reifen besser zurecht Zoom

Die generelle Entwicklung bei Aprilia gefällt Bezzecchi. "Ich denke, sie haben einen großen Schritt gemacht im Vergleich zum Vorjahr. Andererseits kann ich das Motorrad aus dem Vorjahr nicht richtig einschätzen, weil ich in Montmelo bereits die erste Version für 2025 testete. Sie arbeiten aber sehr gut", lobt er die Ingenieure seines neuen Arbeitgebers.

Im Vergleich zur Ducati fällt Bezzecchi auf, dass die Aprilia den Fahrer mehr fordert. "Das Motorrad ist körperlich etwas herausfordernder. Zum Glück gibt es keine Temperaturprobleme. Aber man benötigt etwas mehr Kraft, um das Motorrad zu dirigieren", vergleicht er die Aprilia mit der Ducati.

Neustart bei Aprilia: Was Fabiano Sterlacchini plant

Nicht nur bei den Fahrern hat sich Aprilia neu aufgestellt. Auch aus technischer Sicht hat sich einiges getan. Romano Albesiano wechselte im Winter zu Honda. Dafür kam Fabiano Sterlacchini, der Know-how von Ducati und KTM mitbringt.

Dass sein Starfahrer beim Test ausfiel, ärgert Sterlacchini, der sich aber bewusst ist, dass derartige Zwischenfälle zur MotoGP gehören. "Es ist wirklich schade, dass wir nicht die Chance erhielten, unseren Weg zu gehen und das Vertrauen zwischen dem Team, dem Fahrer und dem Motorrad aufzubauen. Leider kam es zu diesem Zwischenfall, der in unserer Welt nun einmal passieren kann", erklärt er bei MotoGP.com.

Fabio Sterlacchini

Wie groß ist der Einfluss von Neuzugang Fabiano Sterlacchini? Zoom

Wie beurteilt Sterlacchini die technische Situation bei Aprilia? Sein erster Eindruck ist positiv: "Wir befinden uns in einer guten Situation. Es gibt sehr gute Mitarbeiter mit viel Erfahrung. Natürlich gibt es noch viel Arbeit, die erledigt werden muss. Basierend auf meinen Erfahrungen kann ich feststellen, dass es in verschiedenen Bereichen noch Raum für Verbesserungen gibt."

Durch den Verlust von Martin entschied Aprilia, Testfahrer Lorenzo Savadori stärker einzubinden. Laut Sterlacchini war das unumgänglich, da "sehr viel neues Material" bereitstand. "Es sind neue Teile, die im Werk entstanden sind, aber auch Entwicklungen, an denen wir hier arbeiten, wie es bei der Elektronik der Fall ist", präzisiert der neue Technikdirektor.

"Die Fahrstabilität des Motorrads ist ein entscheidender Bereich", verrät Sterlacchini. "Normalerweise kann ein Fahrer dann (mit einem fahrstabilen Motorrad) das Limit des Motorrads einfacher erreichen und vor allem das Potenzial des Hinterreifens besser nutzen."

Marco Bezzecchi

Die Starts waren bisher Aprilias große Schwäche Zoom

Eine der offensichtlichen Schwächen der Aprilia waren die schlechten Starts. Daran wurde im Winter getüftelt. "Der Start ist ein wichtiger Aspekt. Wir konnten vor allem in der modernen MotoGP mit dem neuen Reifen, der Aerodynamik und der hohen Leistung sehen, dass man normalerweise schwierige Rennen erlebt, wenn man weit hinten startet", bemerkt Sterlacchini.

"Überhitzende Vorderreifen sind dann oft ein Problem und führen zu schwierigen Rennverläufen. Vorne zu starten ist oft der Schlüssel für gute Ergebnisse. Wir müssen also etwas finden, um unsere Performance beim Start zu verbessern", erklärt der neue Aprilia-Technikdirektor.


Fotostrecke: Die Motorräder und Teams der MotoGP-Saison 2025

Doch wie groß ist der Einfluss, den Sterlacchini bereits am 2025er-Bike nehmen konnte? "Meiner Meinung nach ist es immer schwierig, zu behaupten, dass jemand seinen Fingerabdruck hinterlassen hat. Das Unternehmen besteht aus vielen Mitarbeitern. Wir sprechen hier von mehr als 150 Mitarbeitern", schildert der Italiener.

"Alle Mitarbeiter des Projekts liefern einen Beitrag. Ich wollte von Beginn an die Analysen sehen und herausfinden, welche Probleme es gibt. Ich halte also das Steuer und versuchte von Beginn an, die korrekte Richtung einzuschlagen", erklärt Sterlacchini und betont: "Wir können keine Zeit verschwenden."

Marco Bezzecchi

Aprilia lobt Marco Bezzecchis Fähigkeiten beim Thema Entwicklung Zoom

Erstaunt war Sterlacchini von der Zusammenarbeit mit Bezzecchi. "Von außen hatte ich den Eindruck, dass Marco ein super talentierter Fahrer ist, der aber nicht viel technisches Verständnis besitzt. Doch ich wurde überrascht", so der Aprilia-Technikdirektor.

"Es ist sehr interessant, mit ihm zusammenzuarbeiten, weil er sehr ruhig vorgeht. Er fährt so, dass man verschiedene Teile sehr gut miteinander vergleichen kann", lobt Sterlacchini die Fähigkeiten der Startnummer 72.