• 13.09.2007 17:37

  • von David Pergler

Burgess: Michelin ist Yamahas größter Schwachpunkt

Valentino Rossis Renningenieur Jeremy Burgess geht mit Michelin hart ins Gericht: Die französischen Reifen seien schuld an der verlorenen Titeljagd

(Motorsport-Total.com) - Niemand glaubt noch ernsthaft daran, dass Valentino Rossi und Yamaha sich im Titelkampf ernsthaft zurückmelden können. Für Valentino Rossis Renningenieur Jeremy Burgess steht der Hauptschuldige fest: Nicht Rossi oder Yamaha hätten die Hauptschuld am Misserfolg, sondern der Reifenausstatter Michelin. Nicht nur der Motor müsse weiterentwickelt werden, vor allem die Reifen seien eine Baustelle.

Titel-Bild zur News:

Die Michelinreifen seien laut Jerry Burgess Yamahas Hauptproblem

"Ich würde sagen, dass sie (Yamaha; Anm. d. Red.) weniger Arbeit vor sich haben als Michelin", so Burgess. "Ich denke, wenn wir etwas haben, was richtig auf der Strecke klebt, können wir wesentlich schneller um die Kurven fahren. Das würde bedeuten, dass wir auf die langen Geraden mehr Schwung mitnehmen können, und unser Geschwindigkeitsdefizit wäre nicht so groß, wie es momentan aussieht. Ich sehe einen klaren Prozentsatz unseres Geschwindigkeitsdefizits darin begründet, wie wir aus den Kurven herauskommen."#w1#

langsam in den Kurven, langsam auf den Geraden

Auf dem schlechten Grip der Reifen beruhe sowohl langsame Kurvenfahrt wie auch schlechtere Höchstgeschwindigkeit auf den langen Geraden, wie Burgess erklärt: "Es ist offensichtlich, dass man früher aufs Gas gehen kann, und das sind etwa vier km/h, die man auf den ganzen Weg zusätzlich mitnehmen kann. Sobald man in der Kurve Grip verliert, büßt man damit automatisch auch an Höchstgeschwindigkeit ein, und wenn sich die Reifen nicht richtig in die Kurve stemmen können, braucht man viel Unterstützung der Hinterreifen."

Diese Probleme summieren sich laut Burgess gegenseitig auf: "Und wenn man keinen Grip hat, läuft man in Gefahr, dass die hinteren Bremsen abbauen. Sobald die Reifen mit so einem Motorrad nachlassen, ist die Phase, in der man in der Bremszone bremst, viel entscheidender - da kann man eine Menge Zeit verlieren. Und wenn man dann noch dazuaddiert, dass uns sowieso ein bisschen Motorleistung fehlt, dann wird die Aufgabe dreifach schwierig."

Yamaha ist mit frischen Reifen zu langsam

Der Renningenieur ist in Gedanken schon in der nächsten Saison: "Es ist wichtig für uns, nächstes Jahr auf dem Level von Ducati beginnen zu können. Wir werden natürlich den Motor verbessern, aber durch unseren aktuellen Grip der Reifen haben wir nicht so viel erreicht, wie wir wollten. Wir werden hart mit Michelin zusammenarbeiten. Ich denke, das ist ein Problem, welches für jedermann offensichtlich ist."

" Wenn unsere Reifen brandneu sind, scheinen wir nicht dieselbe Geschwindigkeit erzielen zu können wie die anderen." Jerry Burgess

Als Beispiel führt Burgess das vergangene Rennen in Misano auf: "Wenn man Ducati in Misano mal weglässt und die Yamaha mit der Suzuki vergleicht, dann sieht man, dass wir zu Beginn des Rennens freie Bahn hatten, und dennoch konnten wir die Lücke nicht schließen. Wenn unsere und deren (Bridgestone; Anm. d. Red.) Reifen brandneu sind, scheinen wir nicht dieselbe Geschwindigkeit entwickeln zu können."

"In früheren Zeiten hat man gesagt, wenn jemand von uns auf Michelins zurückfiel: 'Das ist okay, Max (Biaggi, Anm. d. Red.) ist auf weichen Reifen unterwegs, den holen wir später wieder ein.' In der heutigen Zeit haben wir diese Zeit und diesen Luxus nicht. Die Bridgestone-Reifen scheinen über das ganze Rennen sehr beständig und robust zu sein", lobt Burgess die Konkurrenz aus Japan.

An Rossi liegt es nicht

Natürlich bestätigt Rossis Renningenieur, sein Schützling und Yamaha würden selbstverständlich immer noch um jeden einzelnen WM-Zähler kämpfen, gleichzeitig wolle man den Saisonabschluss als eine Art erweiterte Wintertestphase nutzen. Die Hauptbaustelle steht bereits fest: "Wie gesagt, wir dürfen nicht nur für Yamaha testen."

"Wenn man drei bis vier km/h schneller um die Kurven kommt und das Gas 15 bis 20 Meter eher betätigen kann, ist man auf den langen Geraden wesentlich schneller unterwegs", analysiert Burgess. "Wie ich es dieses Jahr schon einige Male gesagt habe, braucht man natürlich einen guten Fahrer, ein gutes Bike und gute Reifen, und wenn eine dieser Komponenten fehlt, wird man nicht mit Casey Stoner da vorne herumfahren."

Am Fahrer soll es nicht liegen: "Den Fahrer haben wir, bei diesem Teil des Pakets wissen wir also, dass es in dieser Hinsicht vollständig ist. Die Maschine ist auf vielen Strecken nicht so schnell wie die Ducati, aber in den schwierigen Sektionen können wir gewöhnlich den Unterschied wieder wettmachen, wenn wir den entsprechenden Gummi dazu haben."

Yamaha konnte sich bietenden Chancen nicht nutzen

"Der Gedanke, dass wir nun plötzlich fünf oder sechs Rennen gewinnen würden, war reines Wunschdenken." Jerry Burgess

Burgess ärgert sich über den verpatzten Saisonverlauf: "Wir haben den Titel wohl in Laguna Seca verloren. Wir haben unseren Meisterschaftsambitionen schon am Sachsenring eine große Beule zugefügt, und das waren die Rennen, bei denen wir aufholen wollten. Casey war schon vor Le Mans 21 Punkte vor uns. Und nach Assen war er das immer noch. Wir haben also lange Zeit nichts von seiner Führung abknabbern können. Der Gedanke, dass wir nun plötzlich fünf oder sechs Rennen gewinnen würden, war reines Wunschdenken."

Natürlich kann man nicht alleine Michelin die Schuld geben; alle haben Ducati falsch eingeschätzt, wie Burgess bekennt: "Nicht nur wir, sondern auch einige andere Hersteller haben Ducati - und wie hoch sie die Messlatte legen würden - unterschätzt. In der Vergangenheit haben wir gesehen, dass Valentino in der Lage ist, ein Geschwindigkeitsdefizit wieder gutzumachen, aber jetzt hat man nicht mehr diese Möglichkeit."

Wenig Optimismus hat der Fiat-Yamaha-Mann für den restlichen Saisonverlauf nicht übrig: "Wenn wir vorne mitfahren und Casey und Ducati ein wenig ärgern könnten, hätten wir die Chance, das Ruder für eine Weile zu übernehmen. Im Moment können wir das nicht."