• 04.06.2016 20:47

  • von Dominik Sharaf & David Emmett

Nach Salom-Tod: MotoGP-Piloten zweifeln an Sicherheit

War an dem Bike des tödlichen verunglückten Spaniers etwas faul? Und kann jeder MotoGP-Star "der Nächste sein"? Das Fahrerlager trauert, rätselt und zweifelt

(Motorsport-Total.com) - Der tödliche Unfall des Moto2-Fahrers Luis Salom am Freitag in Barcelona gibt den MotoGP-Stars Rätsel auf. Einige Piloten glauben an einen technischen Defekt als Unfallursache, zeigen sich aber auch kritisch, wenn es um die Sicherheitsvorkehrungen auf dem Circuit de Catalunya geht. Ihre persönliche Reaktion über den Tod des Spaniers schwanken zwischen tiefer Betroffenheit mit vielen Tränen, einem raschem Übergang zur Tagesordnung und Gedanken über die eigene Sicherheit.

Titel-Bild zur News: Luis Salom

Trauer um Luis Salom: Im Barcelona-Paddock hängen die Fahnen auf Halbmast Zoom

Superstar Valentino Rossi ist sicher, dass es sich um technisches, nicht um menschliches Versagen gehandelt haben muss. Er beschreibt den Crash als "nicht normal" und analysiert die Unfallbilder, die per Überwachungskamera entstanden: "Ich glaube, dass etwas mit dem Bike nicht in Ordnung war", so der Italiener. "Er ist schon sehr früh geradeaus gefahren. Kurve 12 ist sehr schnell, es gibt viele Bodenwellen Wenn man dort einen normalen Unfall hat, dann ist man in einem anderen Winkel und hat viel mehr Auslauffläche zur Verfügung. Außerdem wurde er nicht langsamer."

In der Tat ist auf dem Video zu erkennen, dass Salom wegrutscht und praktisch ungebremst in die Absperrung schießt - ohne auch die leisesten Anstalten zu machen, sich zur rechten Seite in das Kurveninnere zu bewegen. "Der Crash ist nicht einfach zu verstehen", kratzt sich Andrea Dovizioso am Kopf. Der Ducati-Pilot mutmaßt: "Es sieht aus, als klappe ihm das Vorderrad schon sehr früh ein - womöglich am Randstein außen. Er war sehr schnell und konnte das Tempo nicht reduzieren."

Ein Meter hätte Luis Salom das Leben gerettet

Hinzu kam, dass Salom an diesem verhängnisvollen Tage nicht mit Fortuna im Bunde war und eine Summe von Kleinigkeiten zu seinem Verhängnis wurde: "Er hatte großes Pech. Nur einen Meter daneben und er hätte den Airfence getroffen. Es wäre nichts passiert", fügt Suzuki-Fahrer Aleix Espargaro hinzu. Auch Dovizioso moniert die Sicherheitsvorkehrungen auf dem sonst extrem modernen Circuit de Catalunya: "Wenn dort ein Kiesbett gewesen wäre, hätte es vielleicht geholfen, Richtung des Fahrers und Motorrades zu trennen. Das ist eine Erfahrung für die Zukunft."

Die Piloten zeigen sich auch persönlich betroffen."Gestern habe ich mit meinem Bruder geweint, weil Luis so jung war", meint Aleix Espargaro über den Tod des 24-Jährigen und erwähnt, dass MotoGP-Boss Ezpeleta eine Absage des Rennwochenendes verhindert hätte: "Wir wollten nicht fahren, aber Carmelo meinte, dass sich seine Familie wünscht, dass das Rennen stattfindet." Der angesprochene Bruder Pol begriff das Ausmaß der Tragödie erst nach und nach: "Gestern Abend dachte ich, dass es nicht möglich sei. Heute früh, dass es ein schlechter Tag wäre. Wenn man dann an die Box kommt und die Gesichter der Mechaniker sieht, dann weiß man, was passiert ist."

Aleix verweist auf die Schnelllebigkeit des Geschäfts und erinnert daran, dass in einem Meeting der Sicherheitskommission schon nach der Hiobsbotschaft Umbauten an der Strecke diskutiert wurden: "Man vergisst alles so rasch. Zwei Stunden nach seinem Unfall standen wir auf der Rennstrecke und besprachen, wie man die Bahn für das nächste Training verändern kann", seufzt der Spanier, akzeptiert diese Mechanismen aber letztlich doch: "Das war sehr traurig, aber so ist das Leben."

Espargaro-Freundin über Risiko: "Rede nicht darüber!"

Maverick Vinales, der mit Salom in der Saison 2013 um den Moto3-Titel kämpfte und später sein Teamkollege bei Pons war, ist noch nicht so weit: "Ich habe viele Erinnerungen an ihn. Er war zu Beginn mein Rivale, aber wir sind Freunde geworden. Wir hatten in der Moto3 unglaubliche Zweikämpfe. Momentan kann ich es noch nicht realisieren." Die Nachwuchshoffnung akzeptiert aber das Risiko im Motorradsport und sagt unumwunden über tödliche Crashes: "Solche Dinge passieren eben." Seinen Kollegen geht es da ganz anders. Sie plädieren für ein Plus an Sicherheit.


Fotos: MotoGP in Barcelona


Rossi ist überzeugt, dass in der MotoGP noch Gefahren lauern: "Es gibt viele Stellen im Kalender, wo etwas passieren kann, wenn mit deinem Motorrad etwas schiefgeht", warnt der "Doktor". Pol Espargaro spricht offen davon, über den Tod nachzudenken: "Wenn so etwas einem Fahrer passiert, glaubt man, dass man selbst der nächste sein kann." Das Risiko gehöre dazu und spiele auf dem Bike keine Rolle: "Warum lieben die Leute unseren Sport? Weil wir auf der Geraden über 300 km/h fahren und in der Kurve 200. Die Leute lieben unseren Sport, weil er riskant ist", unterstreicht er.

In den heimischen vier Wänden wird das Risiko gerne verschwiegen, wie Espargaro einräumt: "Ich habe oft mit meiner Freundin darüber gesprochen, aber sie sagt immer, dass ich nicht darüber reden soll." Seine Lebensgefährtin hätte ihn daran erinnert, dass er Tag ein Tag aus das tun würde, was er liebt: "Wenn ich in drei Jahren sterben würde und mein Leben noch einmal beginnen dürfte, dann würde ich das Gleiche machen", wählt Espargaro große Worte.