Williams: Warum die Reifenregeln unnötig kompliziert sind

Pirellis neue Reifenregeln mit drei Mischungen fordern die Gehirnzellen: Warum Pat Symonds findet, dass man mit einfacheren Regeln mehr Spannung erreichen würde

(Motorsport-Total.com) - Pirelli hat für 2016 neue Reifenregeln eingeführt, die bei den Piloten und Fans bislang für Verwirrung und Kritik sorgten. Die Kurzzusammenfassung: Statt zwei Mischungen nominiert Pirelli nun drei Mischungen pro Wochenende, aus denen die Piloten wählen dürfen. Die Vorgabe: Die weichste nominierte Mischung ist für Q3 im Qualifying vorgesehen, zudem nominiert Pirelli zwei Reifenmischungen für das Rennen, aus denen jeder Pilot zumindest eine Reifenmischung benutzen muss.

Titel-Bild zur News: Williams, Reifen

Die Qual der Wahl: Noch blicken bei den Reifen nur wenige wirklich durch Zoom

Theoretisch können die Fahrer aber auch die zwei anderen Reifentypen im Rennen benutzen, die sie selbst vier (bei Europarennen) oder acht Wochen (bei Überseerennen) vor dem Grand Prix gewählt haben - das Geheimnis wird zwei Wochen vor dem Rennen gelüftet. Unverändert bleibt, dass die Fahrer, die es in Q3 schaffen, das Rennen mit dem Reifen starten müssen, mit dem sie die schnellste Rundenzeit in Q2 erreicht haben. Zudem müssen im Rennen zwei unterschiedliche Mischungen benutzt werden.

Man darf nun gespannt sein, wie sich diese neue Situation auf die Rennen auswirken wird. Was derzeit noch als furchtbar kompliziert und undurchsichtig erscheint, wird sich vermutlich nach dem Saisonstart rasch einpendeln, wenn die Teams ihre Erfahrungen mit dem neuen Reglement gemacht haben. Ein neues Publikum, dass mit der Materie noch nicht so vertraut ist, wird man aber auf diese Art und Weise nur schwer von der Formel 1 begeistern.

Symonds kritisiert Pirelli

Sogar Williams-Technikchef Pat Symonds, der seit Jahrzehnten in der Formel 1 am Kommandostand sitzt und bei der Strategie die Fäden zieht, findet, dass Pirelli den ohnehin bereits komplexen und schwer zugänglichen Sport unnötig verkompliziert hat.

"Ich könnte nicht behaupten, dass ich von den geänderten Reifenregeln hellauf begeistert bin", übt der Brite gegenüber 'Autosport' Kritik. "Ich mag Dinge, die ein bisschen für Chaos sorgen. Als die Reifenvorschläge ursprünglich von den Teams gemacht wurden, da gab es eine wahre Chance, dass sie für etwas Chaos sorgen könnten, da es unterschiedliche Herangehensweisen gegeben hätte. Aber Pirelli war damit nicht glücklich, dass die Teams die Reifen überall frei wählen können, was etwas seltsam ist."


Die neue Pirelli-Reifenregeln, übersichtlich erklärt

Symonds hätte sich gewünscht, dass die Teams bei jedem Rennen aus allen - nun durch den zusätzlichen Ultrasoft-Reifen - fünf Mischungen wählen dürfen, doch Pirelli befürchtete unverantwortliche Entscheidungen der Teams, die zu gefährlichen Situationen führen hätten können.

"Wir sind ziemlich verantwortungsbewusste Erwachsene", wirft das Formel-1-Urgestein Symonds ein. "Und ich will doch am Ende in den Rennen Punkte holen und wenn möglich gewinnen. Wir könnten auch die Motoren bis zum Anschlag aufdrehen, damit sie schon beim ersten Rennen platzen, aber das tun wir nicht. Wir könnten Autos designen, die zu fragil sind, aber auch das tun wir nicht. Wir sind bei dem, was wir tun, ziemlich gut. Diese Angst ist etwas unaufrichtig."

Wie wirkt sich das neue Reglement aus?

Pat Symonds

Williams-Technikchef Pat Symonds ist (noch) kein Fan der neuen Reifenregeln Zoom

Noch ist unklar, welche Tücken das neue Reglement hat - und wo man sich gegenüber der Konkurrenz einen Vorteil erarbeiten wird können. Spannend wird es, wenn erstmals der neue Ultrasoft-Reifen von Pirelli nominiert wird. In Sotschi, also beim vierten WM-Lauf, bleibt er noch zuhause, in Monaco könnte es aber soweit sein.

Die schnellste, aber am wenigsten haltbare Mischung könnte dann in Q2 notwendig sein, um es in Q3 zu schaffen. Das würde aber auch bedeuten, dass die Piloten damit das Rennen starten müssen. Was in Monaco wegen der geringen Überholmöglichkeiten noch aufgehen könnte, kann auf anderen Rennstrecken nach hinten losgehen.

"Das könnte denen, die ab Platz elf ihre Reifen für den Start frei wählen dürfen, einen großen Vorteil in die Hände spielen", vermutet Force-India-Teammanager Andy Stevenson gegenüber 'auto motor und sport'. "Wenn die Q3-Teilnehmer nach fünf Runden an die Boxen müssen, fallen sie hinter die ganze Gruppe aus dem Q2."

Symonds skeptisch: Langfristig nicht mehr Spannung

Es könnte also sein, dass einige Piloten bewusst auf eine gute Startposition verzichten werden, um dafür im Rennen die besseren Karten zu haben. Symonds ist währenddessen skeptisch, dass sich die neuen Rahmenbedingungen maßgeblich auswirken werden. Er verweist auf das Jahr 2003, als die Piloten erstmals mit der Qualifying-Spritmenge ins Rennen gehen mussten.

Beim zweiten Rennen sorgte sein Renault-Rennstall für die Sensation und brachte Fernando Alonso und Giancarlo Fisichella in die erste Startreihe. "Wir hatten das damals analysiert und haben entschieden, dass wir das Qualifying als erste Runde des Rennens sehen müssen. In Australien hatten wir kein besonders gutes Qualifying, wir konnten uns nicht beweisen und niemand erkannte, was wir getan haben."

Nach der Sensation in Sepang staunte dann plötzlich das gesamte Fahrerlager, doch die Vorteile des Kniffes verpufften rasch: "Ein Rennen später hatten es die meisten verstanden, alle machten es, und der Vorteil war dahin. Es dauert nicht lange, ehe die Leute verstehen, was du machst."