• 26.04.2011 10:02

  • von Peter Szczecinski

Williams-Teammanager Stanford: Ein Mann für alle Fälle

Teammanager Dickie Stanford kümmert sich bei Williams um alle Belange - Im Gespräch gibt der Brite Einblicke in seinen Arbeitsalltag

(Motorsport-Total.com) - Bei Williams sind alle Meetingräume nach berühmten Rennstrecken oder symbolträchtigen Kurven benannt. Es gibt Silverstone, Monaco, R130 oder Loews, wo das Treffen mit Dickie Stanford, dem Manager des Renn- und Testteams von Williams anberaumt ist. Der viel beschäftigte Mann grüßt mit einem festen Händedruck. Nicht einmal zwei Minuten nachdem er seine beiden Smartphones auf dem Tisch gelegt hat, um mit dem Gespräch zu beginnen, klingelt schon sein iPhone. Irgendjemand in der Fabrik benötigt seine Aufmerksamkeit. Ganz professionell stellt er seine Handys in den Lautlos-Modus und lehnt sich in seinem Stuhl zurück.

Titel-Bild zur News: Dickie Stanford

Williams-Teammanager Dickie Stanford hat in der Formel 1 schon viel erlebt

Die Störungen auf dem Diktiergerät belegen im Nachhinein, dass während des 30-minütigen Gesprächs weitere acht Anrufe ankamen. Ein viel beschäftigter Mann eben. Dass er so beschäftigt ist, sollte niemanden wundern, denn sein Aufgabengebiet ist sehr umfassend: "Alles. Ich bin letztendlich für alles verantwortlich, was in einem Rennmeeting besprochen wird. Ich bin dort um sicherzustellen, dass sich unser Team innerhalb der Regeln bewegt. Wenn die Rennleitung etwas auszusetzen hat, spreche ich mit den Kommissaren."

Bedenkt man, dass die Abläufe in einem Formel-1-Team sehr vielfältig sind, könnte ein einzelner Mitarbeiter nicht mehr bewältigen. Die Vorbereitung auf die ersten Rennen 2011 haben bereits während der letzten Saison begonnen und Stanford versäumt es nicht, die Mannschaft um ihn herum zu erwähnen, die den Rennstall am Laufen halten. Die Teamsekretärin Donna Quinlan arrangiert die Reisen bei Williams: Flüge, Hotels, Mietwagen und alles was dazu gehört. Carl Gaden, der Chefmechaniker des Rennstalls, kümmert sich darum, dass das Auto pünktlich die Garage verlässt, während Paul Singlehurst der Mann für Fracht und Logistik ist und mit Donna abspricht, welche Flüge gebucht werden.

Komplizierte Reiseplanungen

Die Koordination der Teamreisen zu den Rennen ist immer noch sehr aufwändig und kompliziert, weil nicht alle zur gleichen Zeit anreisen. "Normalerweise verlassen wir die Fabrik in drei Schüben. Die Gruppe, die die Garage vorbereitet reist einen Tag vor den eigentlichen Mechanikern, Elektrikern und den anderen Leute in der Garage an", erklärt Stanford. "Also haben wir eine Gruppe am Montag, eine am Dienstag und den Rest am Mittwoch. Jeder weiß genau, wann er das Hotel verlassen muss, wann das Frühstück im Motorhome serviert wird und wann das Auto auf die Strecke muss."

"Wir versuchen die Rennen für das Teampersonal bereits vier oder fünf Monate im Voraus zu planen, aber gleichzeitig müssen wir auch von Rennen zu Rennen entscheiden, weil sich das Auto während der Saison so stark ändert", fügt er zu. "Manchmal kommt es vor, dass wir plötzlich weiterentwickelte Teile aus der Fabrik benötigen - ganz gleich wo das Rennen stattfindet. Dann entscheiden wir gemeinsam, wer sich mit den Teilen in den Flieger setzt, wo sie abgeholt werden müssen und wann sie an der Rennstrecke sein müssen, damit man die Sachen rechtzeitig ans Auto bauen kann."

Nico Hülkenberg

In Brasilien jubelte die Mannschaft über die Pole-Position von Nico Hülkenberg Zoom

"So einen Vorfall gab es 2010 in Brasilien, als ein Bauteil benötigt wurde und niemand in der Fabrik war, um es an die Strecke zu bringen." Stanford wandte sich an den Partner GAC, ein in Dubai ansässiges Transport- und Logistikunternehmen. "Sie sind die erste Anlaufstelle in solchen Situationen", sagt er über das Unternehmen, mit dem Williams seit 2010 zusammenarbeitet.

"In Brasilien musste ein Teil an die Strecke gebracht werden und die einzige Möglichkeit bestand darin, es mit einem von ihren Leuten mit dem Flugzeug einfliegen zu lassen. Als Dankeschön luden wir die nette Dame zum Rennen ein und GAC hat es gefallen, als wir uns die Pole Position sichern konnten - ich denke sie hatten dadurch eine sehr gute PR. Wir haben eine sehr gute Beziehung zu GAC und es kommt selten vor, dass sie uns nicht irgendwie unter die Arme greifen können."

Vom Rennfieber in Brands Hatch gepackt

Dickies Karriere in der Formel-1 begann 1985 als Mechaniker von Nigel Mansell, als er am FW10 mit der berühmten "roten 5" arbeitete. Sein Weg in die Formel-1 war der eines fest entschlossenen Motorsport-Begeisterten, der seine Chance am Schopf gepackt hat, als sie sich ihm angeboten hat. "Motorsport hat mich schon immer interessiert und glücklicherweise hatte ich einen Nachbarn, der Motorsport-Fan war", erzählt er über seine ersten Begegnungen mit dem Sport. "Er nahm mich zu einigen Rennen in Brands Hatch mit, eins davon war ein Formel-1 Rennen Mitte der 60er Jahre und nach dieser Veranstaltung war es um mich geschehen", erklärt er seinen Enthusiasmus für den Motorsport.

Nigel Mansell vor Alain Prost

In Brands Hatch wurde Dickie Stanford vom Rennfieber gepackt Zoom

"Als ich mit der Schule fertig war, kam ich zur Formel Ford, wo ich das Handwerkzeug eines Mechanikers gelernt habe. Danach arbeitete ich mich in höhere Formel-Klassen über die Formel 3 bis hin zur Formel 2 hoch. Zu dieser Zeit fuhr Williams mit Honda-Motoren und das Team, für das ich damals gearbeitet habe, gehörte Honda. Williams hat mich von dort abgeworben und ich schloss mich 1985 der Mannschaft an. Das war Mansells erstes Jahr bei Williams", erzählt Dickie von seinem Aufstieg in die Königsklasse des Motorsports.

"Die Arbeit in der Formel-1 hat mir die Augen geöffnet, weil man in ein solch professionell arbeitendes Team kommt. Ich war es gewohnt, in einer Gruppe von acht oder neun Leuten zu arbeiten, wo man das Auto woanders kaufte und selbst nur gewartet hat. Aber hier bauten wir das von den Grundzügen auf. Es war das komplette Gegenteil von dem Rennsport, in dem ich vorher war."

Hintergrund zur Bahrain-Absage

Nach seiner Zeit als Teammanager zwischen 1995 und 2004 und einer weiteren Anstellung in der Fabrik, kehrte Dickie 2010 in Spa an die Rennstrecke zurück. "Sie fragten mich, ob ich wieder näher am Renngeschehen an der Strecke sein möchte und über dieses Angebot musste ich nicht lange überlegen", sagt er und lächelt dabei. "Du sitzt am Sonntagnachmittag zu Hause auf dem Sofa und willst wissen, was an der Strecke passiert, wieso sie diese Entscheidungen treffen."

Sein erster Winter nach seiner Streckenauszeit wurde sofort sehr kompliziert mit der plötzlichen Absage des Saisonstarts. Zusammen mit den anderen Teammanagern der Formel-1 war Stanford an der schnellen Entscheidung, die letzten Testfahrten und den Grand Prix von Bahrain wegen den politischen Unruhen im arabischen Land abzusagen, beteiligt. Er beschreibt wie die Teams mit dem Problem umgegangen sind, als es während der dritten Testfahrten in Barcelona ernst wurde.

Sebastian Vettel

Die Absage von Bahrain stellte die Teams vor eine logistische Herausforderung Zoom

"Wir haben unsere Container bereits mit Schiffen verfrachtet, als wir hörten, dass das Rennen verschoben wird", erzählt Stanford. "Vom Standpunkt des Teams mussten wir die gebuchten Flüge und Hotels stornieren. Als dann auch die Regierung aus Sicherheitsgründen von einer Reise nach Bahrain abgeraten hatte, waren wir uns sicher, dass wir auf den Kosten nicht sitzen bleiben."

Da nun auch die letzten Testfahrten von Bahrain nach Barcelona verlegt wurden, musste man die Transporterflotte des Teams auf eine 1.700 Meilen weite Reise schicken. In seiner Flotte hat das Williams-Team LKW von MAN, mit denen man seit 2000 unterwegs ist. "Wir haben elf Sattelschlepper und diese sind klasse. Ich habe zwar keinen LKW-Führerschein, aber unsere Trucker scheinen sie zu mögen. Sie sind zuverlässiger als mein privates Auto. Unsere Laster unterscheiden sich von denen, die man im Handel kaufen kann, nur durch das Farbschema an der Seite. In den ganzen Jahren, in denen wir sie nutzen, waren sie äußerst zuverlässig."

Verantwortung für das Testteam

Dickie Stanford ist sowohl für das Testteam als auch für das Rennteam verantwortlich und ist deshalb auf sie angewiesen. Wie unterscheiden sich Testfahrten von den Rennwochenenden? "Das sind zwei verschiedene Welten", stellt er fest. "Bei den Rennen musst du dich an die knapp bemessenen Zeiten der FIA halten. Es spielt keine Rolle, was du noch am Auto verändern willst, zu bestimmten Zeiten muss das Auto einfach auf der Strecke sein. Bei Testfahrten fangen wir um 9 Uhr morgens an und haben Zeit bis nachmittags um fünf. Dazwischen kann man tun und lassen, was man will."

"Früher testeten wir mit drei Autos und das Testteam war wesentlich größer als die Mannschaft bei den Rennen." Dickie Stanford

"Wir versuchen immer schon um 9 Uhr aus der Garage zu fahren, um möglichst viele Kilometer zu fahren, aber manchmal taucht ein Problem auf und wir können nicht vor halb zehn auf die Strecke. Das ist dann kein Weltuntergang. Wenn an einem Rennwochenende die Boxengasse um 11 Uhr öffnet, müssen die Autos fahren, koste es was es wolle. Niemand wartet auf dich, wenn du nicht bereit bist."

Im Verlauf von Stanfords Jahren in der Formel-1 haben sich die Testfahrten stark verändert. Das Testverbot während der Saison sieht er als positiven Schritt an. "Die Testfahrten wurden aus Kostengründen begrenzt und dies hat sich ausgezahlt. Früher testeten wir mit drei Autos und das Testteam war wesentlich größer als die Mannschaft bei den Rennen. Wir schickten ein Auto nach Paul Ricard und zwei andere nach Deutschland und führten gleichzeitig zwei verschiedene Testprogramme durch. Als es dann verboten wurde, befürchteten die Leute, dass die Autos dadurch unzuverlässiger werden. Wenn man aber die Statistik betrachtet, sieht man, dass die Autos standfester als jemals zuvor sind."

Während dem Interview wird immer deutlicher, dass Stanford ein Typ ist, der wirklich dabei war und im Formel-1-Business alles gesehen und gemacht hat. Einer, der zahlreiche Anekdoten aus seiner Formel-1-Zeit erzählen könnte. Aber unsere 30 Minuten mit Dickie sind zu Ende. Er verabschiedet sich mit einem festen Händedruck, geht und stellt sein iPhone wieder an. Wenige Sekunden später klingelt es. Es ist genau so wie er sagte: "Niemand wartet auf dich, wenn du nicht bereitet bist."