Wie Verstappen Piastri in Imola ausstach: Das sagen die Daten

Spät auf der Bremse, das Auto perfekt positioniert und die Attacke clever getimt: So gelang Verstappen sein spektakuläres Überholmanöver gegen Piastri in Imola

(Motorsport-Total.com) - Max Verstappen legte den Grundstein für seinen vierten Formel-1-Sieg in Folge auf dem Autodromo Enzo e Dino Ferrari bereits in der ersten Schikane. Und das, obwohl er keinen guten Start erwischte, als die Lichter ausgingen, und zwischenzeitlich sogar von George Russell im Mercedes überholt wurde.

Titel-Bild zur News: Max Verstappen, Oscar Piastri

Trotz eines mäßigen Starts kassierte Verstappen Piastri nach wenigen Metern Zoom

"Ich war auf der Geraden kurz Dritter. Das war natürlich nicht ideal, aber dann habe ich einfach ein bisschen später gebremst als alle anderen!", lacht Verstappen rückblickend über sein Überholmanöver an Oscar Piastri, das ihn in Führung brachte.

Das klingt einfacher, als es war. Verstappens Aktion war in Wirklichkeit deutlich komplexer, als seine Worte vermuten lassen. Der Niederländer selbst betont, dass es entscheidend gewesen sei, auf der Ideallinie zu bleiben, da dort mehr Grip vorhanden war und die Strecke weniger uneben war als auf der Innenseite.

Verstappens Linienwahl: Keine Chance für Norris und Russell

Das war der erste Schritt zu seinem erfolgreichen Versuch und erinnert an ein anderes denkwürdiges Überholmanöver von Verstappen in der ersten Runde: Mexiko 2021. Auch damals war er außen, nutzte den extra Grip auf der Ideallinie aus und konnte später bremsen als das Mercedes-Duo Lewis Hamilton und Valtteri Bottas.

Russell meinte nach dem Rennen in Imola, dass Piastri außen einfach die Tür offen gelassen habe. Das stimmt zwar, erzählt aber nur die halbe Geschichte. Die andere Hälfte ist, wie Verstappen sein Auto positionierte. Der Weltmeister agierte clever.


"Bist du narrisch!" Kippt nach Imola die WM?

Nach dem schwachen Start schaute er sofort nach rechts und links in die Spiegel, um zu sehen, wo sich Russell und Norris befanden. Verstappen stellte sein Auto so auf die Strecke, dass Russell nicht nach außen ziehen konnte - somit blockierte er die Außenlinie nicht für Verstappen. Gleichzeitig ließ er rechts nur knapp eine Wagenbreite Platz, sodass Norris nicht in diese Lücke stechen konnte.

So behielt Verstappen die Kontrolle über seine Linie und sicherte sich die komplette Außenbahn - im Grunde die Ideallinie -, was ihm das späte Bremsmanöver ermöglichte.

Was zehn Meter Unterschied in km/h am Ende ausmachen

Was das späte Bremsen betrifft: Die Höchstgeschwindigkeiten von Verstappen und Piastri am Ende der Geraden waren nahezu identisch. Der Red-Bull-Pilot erreichte während der Beschleunigungsphase nach dem Start 289 km/h, Piastri kam auf 288 km/h.

Allerdings ging der McLaren-Pilot früher vom Gas als Verstappen. Die Telemetriedaten zeigen, dass Verstappen sein rechtes Pedal zehn Meter länger durchdrückte als Piastri.

Max Verstappen Oscar Piastri Imola Turn 1 Daten

Verstappen ging später vom Gas und nahm so mehr Speed mit in die Kurve Zoom

So fuhr Verstappen mit fast 30 km/h mehr in die Bremszone ein. Als der Niederländer bei seiner höchsten Geschwindigkeit auf die Bremse trat, war Piastri bereits auf 260 km/h herunter, weil er früher gelupft hatte. Diese fast 30 km/h Unterschied beim Anbremsen (siehe Grafik) nahm Verstappen mit in die Kurve.

"Als ich später bremste und dann das Bremspedal losließ, dachte ich: 'Okay, vielleicht klappt das Manöver.' Also habe ich den Schwung mitgenommen, und mit dem kommt man natürlich besser durch", formuliert der Weltmeister selbst seinen Vorteil.

Auch wenn Verstappen durch das aggressive Bremsen schneller verzögerte, betrug der Unterschied immer noch über 15 km/h, als er sich vollständig neben Piastri befand: 184 gegenüber 168 km/h. Am langsamsten Punkt der Schikane war der Red Bull immer noch leicht schneller: Verstappen fuhr 140 km/h, Piastri 136 km/h.

Danach beschleunigten beide Fahrer mehr oder weniger gleichzeitig wieder, doch Piastri musste dies in zwei Phasen tun. Der Australier musste laut Telemetrie ein zweites Mal vom Gas - logisch, denn Verstappen hatte die Kurve für sich beansprucht und befand sich zunächst auf der Außenseite, die aber zur Innenseite wurde.

Zahlen stimmen exakt mit Piastris eigener Analyse überein

Die Daten bestätigen übrigens, was Piastri später selbst über die Situation sagte. Der McLaren-Pilot nahm die erste Kurve relativ standardmäßig und vorsichtig, indem er früh vom Gas ging. Er dachte, das reiche aus, da er die Innenlinie abgedeckt hatte.

Auf die Frage, ob er von Verstappens Aktion überrascht gewesen sei, antwortete Piastri in der Pressekonferenz nach dem Rennen: "Ja. Ich dachte, ich hätte alles ganz gut im Griff. Es war ein gutes Manöver von Max. Ich werde daraus lernen."

Max Verstappen Oscar Piastri Imola Turn 1 Daten

Sowohl auf der Bremse als auch am Gas war Verstappen aggressiver unterwegs Zoom

Seine Antwort auf die Frage, was er beim nächsten Mal anders machen würde, passt ebenfalls zu den Telemetriedaten: "Natürlich würde ich etwas anders machen. Ich glaube, ich würde etwa zehn Meter später bremsen." Das entspricht genau den zehn Metern, in denen er früher vom Gas ging - und genau das führte zum Geschwindigkeitsunterschied von 30 km/h, den Verstappen in die Kurve mitnahm.

Zusammen mit der besseren Linie mit mehr Grip, vor allem ermöglicht durch Verstappens clevere Fahrzeugpositionierung, verschaffte ihm das den nötigen Schwung für das, was Teamchef Christian Horner als "Alles-oder-nichts-Manöver" bezeichnete.

Kombiniert mit Red Bulls überraschend guter Rennpace brachte es Verstappen seinen zweiten Saisonsieg 2025 ein. Oder wie der viermalige Weltmeister selbst zusammenfasst: "So ein Manöver ist nie einfach, aber zum Glück hat alles geklappt."