• 18.07.2003 22:04

Whitmarsh: "Ziel muss Renneinsatz in Italien sein"

McLarens Teammanager über geplante Regeländerungen und vor allem die Probleme und Pläne mit dem MP4-18-"Silberpfeil"

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Martin, es wird eine Reduktion des Hubraums der Motoren diskutiert. Wird die Leistung mit den Wochenend-Motoren ab 2004 nicht sowieso verringert?"
Martin Whitmarsh: "Niemand mag Veränderungen. Die Chassis- und Motoreningenieure suchen immer nach Performance, daher ist es immer schwierig, Veränderungen zu akzeptieren, die die Leistung regulieren sollen. In den letzten zehn Jahren gab es viele Initiativen, die Performance via Aerodynamik oder anderen Elementen am Fahrzeug zu drosseln. Ich finde jedoch, es sollte ein Gleichgewicht bestehen, aber die Motorenleistung entwickelt sich immer weiter und daher gibt es in der Technischen Arbeitsgruppe das generelle Gefühl, dass etwas unternommen werden sollte, um die Leistung zu reduzieren. Beginnt man einmal mit dieser Debatte, kann man sich über Air-Restriktoren, Benzinverbrauch, Drehzahlbegrenzer und dergleichen unterhalten, aber all diese Varianten sind der Technischen Arbeitsgruppe unattraktiv erschienen. Also wurde beschlossen, den Motorenhersteller eine Reduktion des Hubraums vorzuschlagen. Andererseits gibt es unter ihnen aber eine Reihe von Firmen, die ihre Marketingstrategien anders sehen. Sie haben in ein bestimmtes Format investiert und haben die Garantie des Concorde Agreements, dass das nicht ohne ihre Zustimmung angetastet werden kann. Natürlich sind einige Hersteller nicht begeistert von den vorgeschlagenen Änderungen."

Titel-Bild zur News: Ron Dennis und Martin Whitmarsh

Martin Whitmarsh gilt bei McLaren als rechte Hand von Teamchef Dennis

Frage: "Beinhaltet das auch euer Team?"
Whitmarsh: "Nein. Mercedes ist schon seit sehr langer Zeit Änderungen gegenüber sehr aufgeschlossen, was auch ich begrüße, weil ich die Idee für sehr gut halte. Mercedes-Benz ist bereit, über eine Reduktion der Motorenkapazität zu diskutieren."

Frage: "Es gibt auch Diskussionen darüber, das Wochenend-Format wieder zu ändern. Wie würde das das Fahrzeugdesign beeinflussen?"
Whitmarsh: "Ich bin kein Designer, aber ich glaube nicht, dass eine Änderung des Formats das Design des Fahrzeugs beeinflussen würde. Was wir unter die Lupe nehmen müssten, wäre die Weiterentwicklung der Autos, denn eine Änderung des Formats würde weniger Testfahrten nach sich ziehen. Alle Teams sind sich dessen bewusst, dass die Kosten kontrolliert und die Show verbessert werden müssen. Ich bin mir nicht sicher, ob es der richtige Weg ist, am Freitag nur zu testen und die Qualifyings auf Samstag und Sonntag zu verlagern, ob das das Interesse anregen würde. Wir sitzen gerade hier, wir hatten ein Qualifying, über das man reden kann, das Diskussionsstoff liefert. Wäre das erst das Ende eines Testtags, könnte man weniger Schlüsse hinsichtlich der Performance ziehen und wir hätten weniger zu reden. Es wäre schade, das Qualifying am Freitag zu verlieren, denn das füllt schließlich auch die Wochenend-Zeitungen."

Viele Boxenanlagen schlechter als die in Silverstone

Frage: "Was hältst du von Silverstone als Anlage?"
Whitmarsh: "Wir fahren auf vielen Strecken, wo die Möglichkeiten sehr viel schlechter sind als hier. Man kann immer etwas verbessern, aber aus Sicht der Teams ist die Anlage absolut ausreichend. Wie es mit kommerziellen und marketingtechnischen Überlegungen aussieht, weiß ich nicht, aber für uns als Team funktioniert Silverstone."

Frage: "Wie steht es um den MP4-18? Scheinbar wurden damit nicht besonders viele Runden absolviert. Macht ihr euch darüber Kopfzerbrechen?"
Whitmarsh: "Ich werde das so kurz wie möglich beantworten, aber es ist natürlich keine einzeilige Antwort, das ist nicht möglich. Während der letzten Saison haben wir unsere Performance relativ zu Ferrari gemessen und uns wurde klar, dass wir große Fortschritte machen müssten, wenn wir wieder aufschließen möchten. Daher haben wir eine Strategie in Angriff genommen, im Zuge derer wir ein sehr fortschrittliches Auto und ein sehr fortschrittliches Chassis entwickelt haben. Das beinhaltet einen Grad an technischem Risiko. Wir realisierten, dass im MP4-17, den wir letztes Jahr eingesetzt haben, noch eine Menge Potenzial steckte, was wir meiner Meinung nach inzwischen beweisen konnten. In der Zwischenzeit haben wir ein neues Auto, den MP4-18, entwickelt, bei dessen Geburt es eine Reihe an Probleme gab. Ich denke, wir haben uns selbst und auch anderen Beobachtern bewiesen, dass es ein schnelles Auto ist und sein wird. Die laufende Meisterschaft ist aber sehr eng, sehr umkämpft ? und wir sind mitten in einem empfindlichen Titelkampf. Unsere Kollegen haben außergewöhnliche Zuverlässigkeit und Performance und solange wir mit dem MP4-18 das nicht auch erreicht haben, werden wir ihn nicht zu einem Rennen mitnehmen. Momentan haben wir ein schnelles Auto, aber keines, bei dem wir mit einem guten Gefühl hinsichtlich der Zuverlässigkeit zu einem Rennwochenende fahren könnten. Wir glauben nicht, dass wir mit dem MP4-18 mehr Punkte holen würden als mit dem MP4-17D, der von der aktuellen Entwicklung auch profitiert hat und unserer Meinung nach durch laufende Verbesserungen noch immer ein sehr schnelles Rennauto geblieben ist."

Mehrere Probleme mit dem MP4-18 ? Einsatz in Monza?

Frage: "Ist es nur eine Sache, die nicht stimmt?"
Whitmarsh: "Nein. Der MP4-18 ist ein brandneues Auto. Wir haben noch nie so wenig Teile vom Vorgängermodell und folglich gibt es eine ganze Reihe an Bereichen, die wir untersuchen und verbessern müssen, bevor wir an einen Renneinsatz denken können. All diese Probleme waren geringfügig und sehr nervend, aber wir hatten 15 Testtage und sind uns mit Mercedes darüber einig, dass wir erst damit im Rennen fahren werden, wenn die Standfestigkeit gegeben ist."

Frage: "Ab welchem Zeitpunkt ist es unmöglich, das Auto einzusetzen, und kann es sein, dass es erst 2004 den ersten Einsatz geben wird?"
Whitmarsh: "Es ist wohl kein Einsatz in diesem Jahr mehr machbar, wenn die Autos einmal für die Abreise nach Japan verfrachtet werden. Wann wird es unwahrscheinlich? Ich glaube, wir werden mit dem MP4-18 noch starten. Wir sagen jetzt, mit dem vereinbarten Testverbot, dass es keinen Sinn macht, vor Italien daran zu denken. Am Ende des Testverbots haben wir einen Test in Monza, wir werden das Auto dort fahren. Während des Verbots werden wir eine Menge Arbeit am Auto erledigen und das Ziel muss ein Einsatz in Italien sein. Wir werden aber erst nach den Tests entscheiden, ob wir mit der Zuverlässigkeit und der Performance des Autos dann zufrieden sind."

Frage: "Euer Auto hat einen der Crash-Tests beim letzten Mal nicht passiert. Wie ernst ist diese Thematik?"
Whitmarsh: "Diese Woche sind wir einmal wegen einer Formalität beim seitlichen Crash-Test durchgeflogen. Wir haben abgesehen davon alle strukturellen Tests hinter uns gebracht. Beim seitlichen Crash-Test gibt es vier Strukturen und das Reglement erfordert, dass die von diesen Strukturen absorbierte Energie nicht mehr als 35 Prozent beträgt. In einem Fall hat sie 35,1 Prozent ausgemacht. Es war also ein sehr geringfügiges Manko. Natürlich sind wir darüber enttäuscht, aber ich denke nicht, dass dadurch irgendwelche gravierenden Probleme entstehen werden. Die Überlebenszelle selbst war noch komplett intakt und unbeschädigt, also müssen wir diese Strukturen nicht umbauen, sondern nur anpassen, montieren und noch einmal testen lassen."