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Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat

Die Nerven liegen blank: Chefredakteur Christian Nimmervoll unterstellt Räikkönen, nach Spielberg schlecht geschlafen zu haben, und fürchtet um dessen Zukunft

Titel-Bild zur News: Kimi Räikkönen

Kimi Räikkönen nach seinem Ausfall beim Grand Prix von Österreich in Spielberg Zoom

Liebe Leser,

ja, gar keine Frage: Eigentlich müssten wir heute, am Montag nach dem Grand Prix von Österreich 2015, McLaren-Honda und Fernando Alonso durch unseren Kolumnen-Fleischwolf drehen. Warum, das muss man nach dem Wochenende auf dem Red-Bull-Ring wohl nicht näher erläutern. Aber McLaren-Honda tut mir inzwischen fast leid - und hatte bei unseren nicht immer ganz ernst gemeinten Montags-Verlierern ohnehin schon einmal die Ehre.

Also Kimi Räikkönen. Schon wieder, werden Kritiker sagen, die mir seit Jahren eine Antipathie gegen den "Iceman" unterstellen. Stimmt schon, ich halte Kimi für einen der undankbarsten Interviewpartner, die es gibt. Für keinen Medienprofi. Aber er ist authentisch, und dafür muss man ihn mögen. Nur: Wenn einer Mist baut, sei er noch so ein cooler Typ, noch so positiv für die Formel 1 und vor allem ihre Fans, dann darf man ihn dafür wohl auch kritisieren. Und das tue ich.

Eine Frage des Vertrauens

Mit Mist bauen meine ich nicht primär den Unfall im Rennen auf dem Red-Bull-Ring, den sich Ferrari bisher nicht erklären kann. Wie jemand mitten auf einer Geraden mit Wheelspin ins Rutschen kommen kann, das bleibt vorerst rätselhaft - und muss eigentlich eine technische Ursache haben, weil Kimi kein Nasenbohrer ist, der plötzlich das Autofahren verlernt hat. "Leider gibt es keine Onboard-Aufnahmen von Fernando", sagt Teamchef Maurizio Arrivabene. "Also müssen wir Kimi vertrauen. Und Kimi sagt, dass die Räder durchgedreht haben."

Aus meinen diversen (meist gescheiterten) Beziehungen weiß ich: Jemandem vertrauen zu MÜSSEN, ist normalerweise der Anfang vom Ende. Aber Ferrari kann sich die durchdrehenden Räder bisher nicht technisch erklären, also bleibt ihnen momentan gar nichts anderes übrig, als Kimis Version mitzutragen. Es ist nur nicht die beste Basis für eine gesunde Partnerschaft, wenn man dem anderen nur noch glaubt, weil man keine andere Erklärung für die Wahrheit hat...


Fotostrecke: GP Österreich, Highlights 2015

Zahlen sprechen eine klare Sprache

Viel schlimmer als der zum Glück glimpflich ausgegangene Unfall sind die nackten Zahlen: 1:7 gewonnene Qualifyings gegen Vettel, 72:120 Punkte. Und Kimi hat noch keinen Vertrag für nächstes Jahr. Der frischgebackene Le-Mans-Sieger Nico Hülkenberg, in Österreich sensationell unterwegs, ist ebenso auf dem Markt wie Valtteri Bottas, der nach Williams den nächsten Schritt machen möchte. Nicht dass es Ferrari ums Geld gehen würde, aber Fakt ist: Die beiden kommen wesentlich günstiger als ein Kimi Räikkönen, dessen glanzvoller WM-Titel bald zehn Jahre her ist.

Zugegeben, Kimi ist kein Typ, dem ich unterstellen würde, dass er schlecht schläft. Wenn ihn Ferrari nicht mehr will, beendet er halt seine Karriere und geht Schneemobil oder Rallye fahren. Verdient hat er in den vergangenen Jahren genug - lange Zeit war er sogar Bestverdiener in der Formel 1, und das trotz eines Fernando Alonso, der auch nicht gerade ein armer Schlucker ist, und trotz eines Sebastian Vettel, der inzwischen schon vier WM-Titel hat. Nur Michael Schumacher hat Ferrari über die Jahre gesehen mehr Geld aus der Tasche gezogen als Kimi.

Maurizio Arrivabene, Kimi Räikkönen

Maurizio Arrivabene und Kimi Räikkönen: Wie lange geht das noch gut? Zoom

Ganz egal scheint es Kimi nicht zu sein, dass er bei Ferrari nicht mehr sicher im Sattel sitzt. In Spielberg hat er sich mit einem italienischen Journalisten angelegt, der erfahren haben will, dass der 35-jährige Finne 2016 nur bleiben darf, wenn er eine Gehaltskürzung um drei Millionen akzeptiert. Dafür soll ihm angeboten worden sein, die Punkteprämien zu erhöhen. Alles Unsinn, sagt Kimi, erstunken und erlogen. Aber wer so sensibel auf angeblich nur erfundene Gerüchte reagiert, der steht zumindest nicht mehr über den Dingen.

Karriere-Ende bei Ferrari?

Sollte ihn Ferrari nach 2009 ein zweites Mal vor die Tür setzen, dann würde er seine Karriere beenden. Kimi hat schon vor Wochen angekündigt, dass die Scuderia sein letztes Team bleiben wird. Dann könnte er nach Hause gehen und sich um Minttu und sein Söhnchen Robin kümmern. Ob er zu Hause allerdings viel besser schlafen würde als in der Formel 1, das sei dahingestellt. Denn die Nächte können ganz schön anstrengend sein, wenn ein Baby an Bord ist.

Vielleicht hat übrigens auch Dietrich Mateschitz schlecht geschlafen. Sein einstiges Weltmeister-Team Red Bull blutet aus und ist nur noch ein Schatten seiner selbst, war ausgerechnet beim Heim-Grand-Prix weit jenseits von Gut und Böse. Und dass nach dem Volksfest 2014 nur noch 55.000 Zuschauer an den Red-Bull-Ring gekommen sind, macht nicht gerade Mut für die weiteren Grands Prix von Österreich bis Vertragsende im Jahr 2020. Denn: In meiner Heimat lockt die Marke Red Bull keinen Fan an die Rennstrecke. Dafür braucht es schon einen neuen Jochen Rindt oder Niki Lauda.

Ihr

Christian Nimmervoll

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