Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat: James Vowles

Der Aufschwung bei Williams hat ein Gesicht: James Vowles' Einfluss scheint beim zwischenzeitlich hoffnungslos durchgereichten Traditionsrennstall Früchte zu tragen

Liebe Leserinnen und Leser,

Titel-Bild zur News: Haben viel Grund zur Freude: Alex Albon und Williams-Teamchef James Vowles

Haben viel Grund zur Freude: Alex Albon und Williams-Teamchef James Vowles Zoom

"Valtteri, it's James!" Für den Großteil der Formel-1-Fans dürften die ersten Berührungspunkte mit jenem Mann, der aktuell gerade das zwischenzeitlich doch recht marode Williams-Team auf Vordermann bringt, ein Meme gewesen sein.

Gleichsam ist die Geschichte von James Patrick Vowles doch irgendwie auch ein Beweis dafür, wie unterschiedlich Karrierewege in der Königsklasse des Motorsports binnen kürzester Zeit doch verlaufen können:

Während Valtteri Bottas zu Zeiten des legendären Funkspruchs noch regelmäßiger Sieger im Silberpfeil war - na klar, als zweite Geige hinter Lewis Hamilton, versteht sich - betätigt sich der Finne dieser Tage vor allem als Hairfluencer und Rennradfahrer. Das stellte er auch am Wochenende in Imola wieder unter Beweis, als er sein Bike in einer Montur aus der Mercedes-Hospitality trug, die jeder Etappe bei der Tour de France würdig gewesen wäre.

Nach Jahren im Hinterfeld mit Sauber ist Bottas dieses Jahr zu Mercedes zurückgekehrt, allerdings nur in der zweiten Reihe. Das perfekte Stichwort indes für den Mann, der bei dem legendären Funkspruch damals am anderen Ende der Leitung war: Denn eben jene zweite Reihe, in seinem Fall hinter Lehrmeister Toto Wolff, hatte Vowles wohl irgendwann satt - und wechselte deshalb Anfang 2023 zu Williams:

Williams' dunkle Jahre: Viermal in fünf Jahren Letzter

Allerdings eben nicht mehr als Chefstratege, wie zuvor bei den Silberpfeilen, sondern als neuer Teamchef: Ein Posten, den er vom Deutschen Jost Capito übernahm. Mit neun Konstrukteurs-Titeln und sieben WM-Siegen bei den Fahrern, darf sich der Traditionsrennstall bis heute historisch gesehen zu den absoluten Top-Teams zählen.

In der Realität wurde Williams in den letzten Jahren aber gnadenlos ans Ende des Feldes durchgereicht: Gleich viermal innerhalb von fünf Jahren beendete man zwischenzeitlich eine Saison als Letzter. Für Vowles, mit Mercedes schließlich von der Spitze kommend, dürfte es nicht weniger als ein riesiger Kulturschock gewesen sein, was er da in Grove vorfand - oder, um es mit seinen eigenen Worten zu sagen: "Es waren einige Elemente da, die 20 Jahre veraltet waren."

Hier setzte Vowles, der seine Karriere in der Formel 1 2001 mit BAR startete, den Wechsel des Teams zu Honda und schließlich Brawn GP mitmachte, wodurch er nach dem Brawn-Verkauf bei Mercedes landete, an - und nahm dank Budgetdeckel und des Geldes von Investor Dorilton Capital Schritt für Schritt Veränderungen vor. Die wichtigste fand aber vielleicht nicht am Auto, sondern darin statt:


Denn auch bei der Cockpitbesetzung war zumeist wenig Qualität vorhanden, zeitweise gaben sich die Paydriver bei Williams nur so die Klinke in die Hand: Sergei Sirotkin, (der junge) Lance Stroll, (der alte) Robert Kubica, um nur mal ein paar Beispiele zu nennen - zuletzt dann natürlich auch noch Nicholas Latifi und Logan Sargeant.

Hier hat unter Vowles nun definitiv ein Wandel stattgefunden, denn auf den Fahrerpositionen ist das Team mit Alex Albon und Carlos Sainz so stark besetzt wie seit fast zehn Jahren nicht mehr, als mit Felipe Massa und - richtig! - eben jenem schon erwähnten Bottas zwei Grand-Prix-Sieger und (im Fall des Finnen spätere) Vizeweltmeister beim Team fuhren.

Dass Vowles ein elementarer Teil seiner Entscheidung pro Williams war, daraus hat auch Sainz nie einen Hehl gemacht - obwohl der Spanier nach seinem Aus bei Ferrari vergangenen Sommer durchaus andere Optionen auf dem Tisch hatte, allen voran ein lukratives Audi-Angebot. Zur Verwunderung vieler entschied sich Sainz schlussendlich aber für Blau statt Grün - beziehungsweise Schwarz-Rot-Silber, wenn Audi dann mal da ist.

Die Großen ärgern: Kampf gegen Ferrari

Aus heutiger Sicht die goldrichtige Wahl, bedenkt man doch, dass Williams aktuell recht isoliert auf Platz fünf der WM-Wertung liegt. So gut war das Team zuletzt 2017, die letzte Saison, in der man wirklich regelmäßig Punkte sammelte. Anschließend folgte eine ausgewachsene Dürreperiode für den einst so stolzen Rennstall, der den Sport vor allem in den Neunzigerjahren teilweise stark dominierte.

Bisher hätte alles gestimmt, was ihm Vowles so versprochen habe, zeigte sich Sainz zuletzt beeindruckt von seinem neuen Teamchef und dessen Visionen. Dass diese, im dritten Jahr seiner Amtszeit, nun endlich fruchten, das stellte sich auch am Sonntag in Imola wieder unter Beweis:

Zwar verlief wie bei den meisten Konkurrenten auch Williams' Rennen nicht ganz reibungslos - gerade das harte Duell zwischen Albon und Charles Leclerc ging zu Ungunsten des Thai-Briten aus - dennoch gab es schon am dritten Rennwochenende hintereinander doppelte Punkte für den Rennstall.

Williams, hier Sainz, schickt sich langsam wieder an, Luftsprünge zu machen

Williams, hier Sainz, schickt sich langsam wieder an, Luftsprünge zu machen Zoom

Fast noch wichtiger aber: Wenn alles zusammenpasst, kann Williams mittlerweile schon aus eigener Kraft die Großen ärgern - so wie im Qualifying, als man vor beiden Ferrari lag: Während die Scuderia geschlossen schon in Q2 die Segel streichen musste, zogen Sainz und Albon auf den Rängen sechs und sieben mühelos ins Top-10-Shootout ein.

Mit seinen 40 WM-Punkten hat Albon bereits nach sieben Rennen alleine schon mehr als doppelt so viele gesammelt, wie das ganze Team im Vorjahr zusammen. Während sein Teamkollege praktisch schon die ganze Saison lang in starker Form ist, hat sich auch Sainz - nach den anfänglichen Anlaufschwierigkeiten nach seinem Wechsel von Ferrari - mittlerweile bestens eingefunden.

Eigentlich sollte aller Fokus ja auf 2026 liegen, aber ...

Kurios: Die starke Williams-Performance hatte das Team so eigentlich nicht auf dem Zettel. Schon vor Saisonbeginn predigte Vowles gebetsmühlenartig runter, dass man andere Wege als die Konkurrenz gehen wolle, allen Fokus jetzt schon auf 2026 richte, weil das nun mal die große Chance sei, um wieder vorne miteinzusteigen.

Dass der Williams-Baum überhaupt wieder Früchte trägt, das hat der Rennstall vor allem seinem Vater des Erfolges zu verdanken, der in den eingestaubten Hallen in Grove offensichtlich mal ordentlich durchgewischt hat - und damit scheinbar auch noch lange nicht fertig ist...

Beim in Imola schon traditionellen Abendessen aller Teamchefs mit F1-Boss Stefano Domenicali in dessen Lieblingsrestaurant, demonstrierte Vowles jedenfalls gleich mal Selbstbewusstsein und setzte sich am Tisch der Großen auf die Poleposition, gegenüber von Weltmeister-Macher Zak Brown. Die Papaya-Truppe aus Woking ist der lebende Beweis, dass man sich als britisches Traditionsteam mit Kundenmotor in der aktuellen Formel 1 trotzdem erfolgreich neu erfinden kann. Aber dieser Teil steht dann erst auf Vowles Agena 2026...

Euer Frederik Hackbarth